WOLS

Die „Aufzeichnungen“ von WOLS fand ich vor Monaten auf einem Flohmarkt am Schliersee. Ich kann nicht behaupten, dass die Arbeiten des Künstlers meine absolute Bewunderung verdienten. Das nicht. Aber sie inspirierten mich immerhin! Das heißt, es war schließlich ein großes Vergnügen die Arbeiten von WOLS zu überzeichnen…

So wurden seine Aufzeichnungen am Ende zu meinen AUFZEICHNUNGEN. Auch eine Art von Tagebuch, wie ich finde. Nicht alle Seiten und Zeichnungen will ich hier an dieser Stelle einfügen. Aber ein paar verdienen es, dass ich sie vorstelle. Voila:

Danke WOLS für die nötige Inspiration.

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Die Versuche

Ich glaube an Gazellengespanne, Elefantenquadrigen, Kamelpaare nach Hunderten und Stuten mit einer Mähne, so lang, dass ihre Hufe sich im Galopp darin verfangen… Im Schatten der Linden wechseln die Götter ihr den Gürtel mit süßen Worten… Daran glaube ich! O, sie wird kommen! Die Krankenwärterin Educa, deren Weißdornstrauß die bösen Träume vom Kinde fern hält… Ich hätte IHM die ersten Wünsche gelehrt, die Fürsorge der Dienerin. Und die Fröhlichkeit der Jungen hängen sie ihm aus Gold auf die Brust…O, welches Glück…

DER JUNGE MANN : Oja, was für ein Glück… Ehrlich. Okay… ich denke, wir essen mal eine Kleinigkeit. Ein Baguette.? Oder bestellen wir einen italienischen Vorspeisenteller? Für uns zwei? Oder lieber direkt was trinken?

ER (ADAM) : Gerne.

Der junge Mann winkt die Bedienung heran und gibt die Bestellung auf. Er (Adam) holt aus seiner Jackentasche ein Taschenbuch hervor.

ER (ADAM) : Hast du schon einmal die „Versuchungen des heiligen Antonius“ gelesen?

Er schiebt dem jungen Mann das Taschenbuch über den Tisch hinüber. Der junge Mann nimmt es auf und blättert darin herum.

DER JUNGE MANN: Vor Jahren hab ich das mal gelesen. Öde. Flaubert.

ER (ADAM): Genau. Gustave Flaubert.

Er präsentiert dem jungen Mann eine s/w-Fotografie. Sie zeigt Flaubert. Porträtiert von Nadar, einem berühmten Fotografen (1820 – 1910).

DER JUNGE MANN: „Man muss mit Besonnenheit geboren sein, um Literatur zu machen“. Zitat: Flaubert.

ER (ADAM): Gut! Genau. Das hat er gesagt.

DER JUNGE MANN: Ich bin schlau, was?

ER (ADAM): Und er fügte ironisch hinzu: „Wie man unterstützt wird. Wie man ermutigt, wie man belohnt wird!“ (lacht)

DER JUNGE MANN: Du bist also auch ein Anhänger der Theorie, dass sich das Genie dem verweigern soll, was wir profanen Tatmenschen schlicht und einfach unser alltägliches LEBEN nennen. REAL WORLD vs. FANTASY WORLD? Ist das dein Thema?

ER (ADAM): Magst du das so sehen?

DER JUNGE MANN: Ich?! Du möchtest das doch wohl so sehen! Oder etwa nicht?

ER (ADAM): Ich meine,Triebnaturen sind grotesk.

DER JUNGE MANN: Grotesk? Und das sagst DU mir? DAS ist grotesk!

Er (Adam) zieht den Kassettenrecorder,den er beiseite gelegt hatte, wieder zu sich.

PLAY

EINE STIMME (V.O.) Lasst uns Hüften drücken, lasst uns küssen.

Die Bedienung erscheint mit zwei Gläsern Rotwein und den bestellten Vorspeisenteller.

WIR SEHEN wie sie alles etwas umständlich auf den Tisch stellt, weil ihr der Kassettenrecorder im Weg ist.

EINE STIMME (V.O.) Fühlst du Finger, wie sie dir über den Körper laufen, und unsere Lippen, die deinen Mund suchen, und unser Haar, das deine Schenkel streift.

Die Versuche

} Adam spricht auf „Antonius-Tape # 15: Flaubert schrieb selber: Wenn du etwas geschrieben hast, was du gut findest, dann veröffentliche es! Okay, Flaubert! ABER damit bin ich selber jetzt auch nicht wirklich weiter… Oder? Im Übrigen gebe ich auch all mein Vorausgehendes (s.o. oder s.u.) als ein Thema zum Nachdenken aus! Deshalb denke ich hier auch über mich als ein komplettes Teilweise-Ganzes nach. Und gerade aufgrund deines Satz aus der Éducation sentimentale: „In den intimsten Geständnissen liegt immer noch etwas, was man nicht sagt“ –  habe ich, da bin ich mir sicher – noch nicht alles gesagt. O, Flaubert, mein lieber Flaubert.

STOP

REW

PLAY

} Adam hört auf „Antonius-Tape # 15:  Nur denke ich über mich als Ganzes nach. Trotz meinem Satz aus der Éducation sentimentale: „In den intimsten Geständnissen liegt immer noch etwas, was man nicht sagt“, habe ich nicht alles gesagt, soweit ein Mensch sich ehrlich seien kann …

STOP

REC    PLAY

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 } Adam spricht auf „Antonius-Tape # 15: Es gibt absolut nichts Neues unter der Sonne, mag Flaubert sagen. Oder sein Antonius? Wir alle ziehen durch die Nacht und werden vom Feuer verzehrt. Nehmen/zeichnen wir das betroffende Ich dabei auf? Okay. Aber wenn alles schon einmal da gewesen ist, dann ist auch alles egal. Dann kann man auch seine Brüste zeigen. Oder Krebsgeschwüre. Schnittwunden. Erigierte Schwänze. Vulven, in die gekochte und geschälte Hühnereier geschoben werden. Nacktfotos. Pornografien. In einem Land, mag Flaubert zetern, in dessen Rathäusern die Büste der „Marianne“ die Grande Nation repräsentieren, ist die Nacktheit nichts weiter mehr als ein nichtiges Sinnbild. Die Freiheit, heißt es, führt das Volk barbusig an! Völlig entblösst steht sie nach ihrem Sieg der Welt gegenüber.

Und ich? Nackt?

Es scheint mir, dass ich es bin. Ich lege euch mein Inneres da. Ich vertraue mich dir an, ich werde das machen, was du willst. Ich übergebe dir mein Individuum, von dem ich genug habe. Als ich den Brief anfing, ahnte ich nicht, dass ich dir all das sagen würde.

STOP

REW

PLAY

} Adam hört „Antonius-Tape # 15: Und ich? Nackt? Es scheint mir, dass ich es bin. Ich lege euch mein Inneres da. Ich vertraue mich dir an, ich werde das machen, was du willst. Ich übergebe dir mein Individuum, von dem ich genug habe. Als ich den Brief anfing, ahnte ich nicht, dass ich dir all das sagen würde.

STOP

REC    PLAY

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 } Adam spricht auf „Antonius-Tape # 15: Es ist mir in den Sinn gekommen, möge es auch nun gesagt sein. Unsere kommenden Unterhaltungen werden dadurch vielleicht vereinfacht werden. Leb wohl, ich umarme dich mit einer Menge an Gefühlen … Meine geliebte Akkordeonspielerin … ich öffne meine Augen um die Melodie deines Instruments.

STOP

ER (ADAM):  Verdammt! Zitate. Alles nur Zitate. Lügen. Halb- und Viertelwahrheiten. Und Zitate. Doch von wem bloss? Das habe ich es vergessen!

Bloss ein Gedicht

Der Mann ritt durch abschüssige Gassen. / Der Himmel begann sich zu bücken. /  Die rosa Flügeltüren standen auf. / Kein Mensch war in der Umgebung zu sehen. / Es fröstelte ihn in der Morgenkühle. / Dann ging die Sonne auf. / Sie hatte in einer Gasse geschlummert / lautlos wie eine Lebensweisheit.

 

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