Anima

Wer bin ich am Abend? O! ja! Ein Betrunkener mit süßer Stimme. Ich werfe meinen Gürtel während der Nacht auf einen Tisch. Und frage mich irgendetwas Unerklärliches. Ich frage Anima. Im Schatten von Linden wechseln die Götter ihr die Tücher mit süßen Worten. Dann kommt sie, Anima, deren Lächeln die alptraum-bösen Visionen vom Kinde fernhält. Die Fürsorge dieser Dienerin und die Fröhlichkeit des kleinen Jungen hängen am Ende als Goldschmuck auf ihrer Brust. O, welches Glück am Abend! Anima.

(mehr zu den Anima-Bilder unter www.detlefbach.de)

Die √ersuche (Beipackzettel)

Der Text bzw. mein Projekt „Die √ersuche“ bezieht sich auf den Roman „Die Versuchungen des heiligen Antonius“ von Gustave Flaubert. Daran zeichnete, malte, collagierte und schrieb ich cirka fünf Jahre… Es wurde ein sehr komplexes Gebilde, was sicherlich nicht leicht zu konsumieren ist. Oder gar als klassisches Buch zu veröffentlichen wäre. Random House schrieb mir unlängst: „Ihr Veröffentlichungsangebot ist ohne Zweifel sehr interessant und ließe sich sehr schön realisieren. Dennoch muss ich Ihnen für den Prestel Verlag einen negativen Bescheid geben… Ihr Buchprojekt begrenzt sich jedoch auf ein sehr spezifisches Thema mit überschaubarer Interessensgruppe.“

So sieht es aus… Genau deshalb sind der Text und die Bilder zu „Die √ersuche“ hervorragend für meinen BLOG geeignet. Ist der Mensch nicht von jeher ein abgrundtiefer BLOGGER? Es schwindelt einen, wenn man in ihn hinabschaut.

>>  „Die √ersuche“ … Diese Schreibweise will kurz erklären. “√ersuche“ ist hier kein zufälliger Schreibfehler. Nein, diese skurrile Schreibweise geht u.a. auf die Lektüre von Yoko Ogawa „Das Geheimnis der Eulerschen Formel“ zurück. Dort heißt es, dass ein „Wurzelzeichen unendlich vielen Zahlen ein schützendes Dach über dem Kopf“ gibt. Das hat mir sehr gefallen! Warum sollte ein Wurzelzeichen nicht auch einem Wort ein Dach geben können, einen Unterschlupf? Das Wurzelzeichen wäre dann auch ein Symbol dafür, dass das Ergebnis eines überdachten Wortes niemandem vorschnell vor die Augen tritt. Die Lösung dieses Wortes „befindet sich tief in unserem Herzen.“ (Schade, dass mein Wurzelzeichen hier nicht noch diesen langen Querstrich über die gesamte Länge des Wortes besitzt! Das schützende Dach würde für einen aufmerksamen Betrachter besser verständlich sein, empfinde ich. Oder?) <<

Die √ersuche

ER (ADAM) (V.O.) : Geboren wurde Antonius vielleicht um 251, in Koma, Mittelägypten. Er ist der Sohn wohlhabender Bauern. Er verschenkt eines Tages seinen gesamten Besitz und steckt seine eigene Schwester in ein Kloster! Danach zieht er sich vollends von der Welt zurück. Zunächst versteckt er sich in einer Hütte in der Nähe seines Dorfes, dann aber verkriecht er sich in einer alten Grabkammer. Am Schluss seiner Einsiedelei lebt er in der Wüste am Berg Kolzin in Sichtweite des Golf von Suez. Während seines Wüstenaufenthaltes wurde Antonius ständig von quälenden Visionen heimgesucht. Es erscheinen ihm die unterschiedlichsten Personen, um ihn von seinem asketischen Leben abzubringen.

Warum zum Henker tut jemand so etwas? Ist der Heilige in Wahrheit nur ein großer Schauspieler? Und seine angebliche Askese nichts weiter als eine medienwirksame Performance? Antonius als ein egozentrischer Hauptdarsteller seiner selbst… ein Spiegel in einem Spiegel in einem Spiegel…Ein Tänzer, gefangen in einer Glaskugel…  oder ist er nur ein gottverlassener Depressiver? Ein Einsamkeitsfanatiker, der seine Selbstausgrenzung aus der Welt nicht als Verbannung darstellt, sondern sie im Gegenteil zu seiner grenzenlosen Erhöhung stilisiert? Antonius, der geborene Künstler?

(Plötzlich ein Geräusch von zerspringendem Glas!)

Er (Adam) schreckt aus seinen Gedanken auf. Er blickt sich im Raum um. Die Reste der gestrigen Party sind noch nicht vollends beseitigt. Einige leere Flaschen und Weingläser stehen noch herum, eine Schale mit Chipsresten.

ER (ADAM) :Was ist passiert?

DIE FRAU (aus dem Hintergrund rufend): Tut mir leid! Mir ist ein Glas heruntergefallen.

Die Frau blickt um den Türrahmen und lächelt ihm zu.

DIE FRAU: Hab ich dich sehr erschreckt?

15. Labor. Das bekannte Chaos überall. Adam sitzt nackt auf seinem runden Bett (*17). Er ist verschwitzt. Aufmerksam beobachtet er die Frau, die sich beginnt anzuziehen. Sie schüttelt ihr Haar, setzt sich ihre Brille auf und schaut zu ihm hinüber.

DIE FRAU :War doch gar nicht so schlimm, was?

Sie lacht! Dann stolziert sie in ihrer Unterwäsche zu einer Digitalkamera hinüber, deren rotes Aufnahme-Lämpchen leuchtet. Sie hantiert selbstsicher mit einigen Funktionen der Kamera herum. Dann lächelt sie Adam zu.

DIE FRAU :Geil.

*17>>Das runde Bett! Noch einige weitere, kurze und abschließenden Assoziationen dazu. Die Symbolik des runden Bettes „speist sich“, laut Beatriz Preciado in ihrem schon erwähnten Buch „Pornotopia“, „ aus der traditionellen Funktion, die das königliche Bett bis ins 18. Jhd. hatte … Und zwar liegt er (der König), im Kreise seiner Untertanen, in einem Bett, das auf einem Sockel ruht…“ Nun, Antonius ist kein König. Er ist der Träumer, der Narr, der sich als melancholischer Sanguiniker zum Zentrum seines Universums macht! Antonius ist Wile E. Cojote der noch einmal das Schild mit der Aufschrift „BYE !“ hoch zeigt, bevor er pfeilschnell in die abgründige Tiefe stürzt! Ist Antonius, ein Mann, der nicht erwachsen werden will? Einer „ der in einem Haus voller Kinderspielzeug lebt und einen großen Teil seiner Energie darauf verwendet Kinderspiele zu spielen, der sich wie ein Pubertierender verliebt und entliebt und wütend wird, wenn er Haut auf der Milch entdeckt.“ (???) Ist das so?<<

ER (ADAM) (V.O.) :Der Camcorder erkennt Hauttöne und passt de Aufnahme an, um die Hautbereiche weicher und natürlicher aussehen zu lassen. Die Hauttonfunktion kann nicht benutzt werden, wenn der Programm-Wahlschalter auf ☐ gestellt wird.

DIE FRAU :Das war doch einfach nur geil. Lass uns unser Spiel noch einmal ansehen.

Wiedergabe auf einem Fernsehschirm – Die AV-Buchse dient auch als Kopfhörerbuchse. Wenn das Kopfhörer-Symbol auf dem Bildschirm angezeigt wird, ändern Sie die Einstellung nach dem folgenden Verfahren.

CAMERA       PLAY (VCR)      ⎮      CARD CAMERA      CARD PLAY

MENU                VCR-EINRICHTUNG ››   AV/ KOPFH. ·· AV   

Öffnen Sie das Menü, und wählen Sie [ VCR-EINRICHTUNG ]. Wählen Sie den Posten [ AV / KOPFH.], setzen Sie ihn auf [ AV ], und schließen Sie das Menü.

Fernsehgeräte mit SCART-Anschluss – Schlagen Sie auch in der Bedienungsanleitung des Fernsehgerätes oder Videorecorders nach. Schalten Sie alle Geräte aus, bevor Sie die Anschlüsse vornehmen.

  1. Schließen Sie den SCART-Adapter PC-A 10 an den SCART-Anschluss des Fernsehgerätes oder Videorecorders an.
  2. Schließen Sie das Stereo-Videokabel STV-250N an die AV-Buchse des Camcorders ind die Audio/Video-Buchsen des SCART-Adapters an.
  3. Schließen Sie den weißen Stecker an die weiße AUDIO-Buchse L (links), den           roten Stecker an die rote AUDIO-Buchse R (rechts) und den gelben Stecker an       die Videobuchse VIDEO an.
  1. Wenn Sie den Camcorder an ein Fernsehgerät anschließen, stellen Sie den             Eingang VIDEO ein. Wenn Sie den Camcorder an einen Videorecorder                      anschließen, stellen Sie den Eingang auf LINE ein.

✐ Der SCART-Adapter PC-A10 ist nur für Ausgabe vorgesehen. Um über den analogen Eingang oder Analog/Digital-Umwandlung durchzuführen, verwenden Sie bitte einen SCART-Adapter mit Eingangsfunktion (im Handel erhältlich).

Fernsehgeräte mit Audio/Video-Buchsen – Schlagen Sie auch in der Bedienungsanleitung des Fernsehgerätes oder Videorecorders nach. Schalten Sie alle Geräte aus, bevor Sie die Anschlüsse vornehmen.

  1. Schließen Sie das Stereo-Videokabel STV-250N  an die AV-Buchse des Fernsehgerätes/Videorecorders an.

Schließen Sie den weißen Stecker an die weiße Audiobuchse L (links), den roten Stecker an die rote Audiobuchse R (rechts) und den gelben Stecker an die gelbe Videobuchse VIDEO an.

3. Wenn Sie den Camcorder an ein Fernsehgerät anschließen, stellen Sie den            Eingang VIDEO ein. Wenn Sie den Camcorder an einen Videorecorder                        anschließen, stellen Sie den Eingang auf LINE ein.

L I N E

ER (ADAM) : Junger Mann! Deine Communities, du bespielst sie aus Nächstenliebe? GUCKGUCK! Eine moderne Entwicklung, das gebe ich ich. Aber eine Entwicklung, die mit den Lebensbedürfnissen des Menschen, nicht vereinbar ist. O, GUCKGUCK: Randvolle Programme. Von profan bis heilig. Sie versprechen dir grenzenloses Glück.Aber sei ehrlich! Ist das möglich? TIEFE BESITZT NUR DIE WELT … Luftschlösser bauen wir alle, problematisch wird es erst, wenn wir versuchen, in ihnen zu wohnen.

STOP

REW

<<

STOP

PLAY

>

ER (ADAM) (OFF) : Sie fordert uns nicht auf, etwas zu tun, sie lässt es gar nicht zu; wie das Guckguck-Spiel der Kinder ruht sie abgeschlossen in sich. Und zugleich ist sie, wie das Guckguck-Spiel, überaus unterhaltsam.

STOP

REC   PLAY

●         >

ER (ADAM) : Als Einsiedler zog Antonius in eine Felsengrotte. Dort wollte er als Outsider ein gottgefälliges Leben führen.

Und das Leben? Wir imitieren das Leben bloss. Ohne es zuvor vollständig studiert zu haben. Wir imitieren Bewegungen oder Handlungen. Geschicklichkeiten oder Gesten, Pantominen, Gesichtsausdrücke, Töne, Laute, Sprache, Körperhaltungen, sowie Stellungen beim Sex. Wir studieren sogar verzerrte Aussagen. Halbgeschwärzte Protokolle. Gestörte, wie verworrene Texte lassen uns nicht los; es reizt uns sogar umso mehr sie nachzuahmen, je weniger sie uns plausibel erscheinen; sie dann auseinander zu pflücken und ihnen am Ende eine neue Gestalt zu geben, ist unser Spiel. Unser Narren-Leben ist eine Als-ob-Schleife, die geschlossen werden muss! So als ob wir das Leben gelebt hätten. Das ist die ganze Kunst! Die Erfahrung von Emotionen… das ist das Leben, mein lieber Antonius!

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Mein ganzes Herz

Dein ist mein ganzes Herz! Wo du nicht bist, kann ich nicht sein. So, wie die Blume welkt, wenn sie nicht küsst der Sonnenschein! Dein ist mein schönstes Lied, weil es allein aus der Liebe erblüht. Sag mir noch einmal, mein einzig Lieb, oh sag noch einmal mir: Ich hab dich lieb! (Text aus Operette von Franz Lehàr) 

Ach, was für ein herrlicher Blödsinn, nicht wahr? Winfried Menninghaus schreibt in seinem wunderbar unterhaltsamen Buch „Lob des Unsinns“ völlig zu recht: „Auch die Sprache der Liebe erscheine oft genug als der »der offenbarste Unsinn.« […] Spektakel um nichts, … die »zu nichts führen« und »nichts zu bedeuten haben« …“

Gut, dass ich mich an meinen Bildern festhalten kann … da erscheint alles klar und deutlich. Oder etwa nicht, mein Herz?!

Schwanenbeichte

Der Arzt stockte nur kurz. „ Sagen Sie doch bitte den Eltern, dass sie einen Künstler zur Welt gebracht haben. Aber bringen sie es ihnen schonend bei. Es wird ein Schock sein. Erst diese komische Geburt. Und dann das auch noch!“ Die Stimme des Arztes klang irgendwie sehr traurig. Heimlich blinzelte ich mit einem Auge. Und sah, dass er sehr nachdenklich zu mir hinabschaute.

„Es wird für die Eltern ein Schock sein. Gewiss,“ versicherte die Krankenschwester. Sie zupfte an der Decke des Bettes herum. Nahm danach die Flasche Mineralwasser in Augenschein, die auf dem Tischchen neben dem Bett stand. Die Flasche war noch voll. Die Schwester stellte sie nur zur Seite und ordnete flugs Becher, Bücher und eine Zeitung,die ebenfalls auf dem Beistelltisch herumlagen.

„Aber, Herr Doktor, Sie wissen so gut wie ich, dass eine Bild- oder Tonstörung nur lange genug dauern muss um ein Eigengewicht zu bekommen.“ Der Arzt schaute irritiert auf. Dann schmunzelte er. „Künstlertum als Bildstörung. Als Sinnestäuschung. Dieser Vergleich gefällt mir.“

Aus dem Augenwinkel heraus konnte ich sehen, wie das Gesicht des Arztes sich aufhellte. Er schien nun mich anzulächeln. Gerne hätte ich zurück gelächelt. Aber ich wollte meine Tarnung nicht preisgeben. „Schreiben wir also ein Zettelchen auf dem –KÜNSTLER- vermerkt ist. Das hängen wir dem Kleinen an sein Ärmchen,“ ordnete der Arzt an. Die Schwester holte ein vorgefertigtes Bändchen mit einem daran baumelnden Zettelchen aus einer Schublade. Dieses befestigte sie an meinem Handgelenk. Augenblicklich packte der Arzt die Krankenschwester jedoch an der Schulter und sagte: „Nein! Ich korrigiere mich. Keinen Begriff. Keinen Namen. Keine Stigmatisierung schon jetzt. In einem so jungen Alter. Warten wir es ab. Lassen wir ihm Zeit. Wahre Geschichten leben schließlich davon, dass irgendwo irgendetwas fehlt. Und sei es nur ein winziges Zettelchen. Ein fehlender Begriff ,der gerade deshalb die Aufmerksamkeit erregt. O, wie gut das niemand weiß… Sie wissen was ich meine.“ Dann griff er zu einem Kugelschreiber und machte einige schnellen Kürzel auf meinen Beipackzettel. Die Krankenschwester sah ihm zu und nickte stumm mit dem Kopf.

Sie und der Arzt gingen in Richtung Tür. „Er wird es schaffen. Glauben Sie mir,“ hörte ich den Arzt sagen. „Ich glaube auch,“  sagte die Krankenschwester. Dann schloss sich leise die Tür hinter den beiden Personen.

Mir war ganz heiß geworden…

Künstler. Was für ein wundersames Wort.

Wahre Kritik

Selten habe ich so wahre Kritik bekommen, wie seinerzeit von Dean. Einem 9 jährigen Experten! O, mögen die Kunst-Götter immer so über mich urteilen!

Was bedeutet „unerfahren“? Unerfahrenheit, das wusste schon Hieronymus (347 – 419), führt zu Selbstvertrauen, Bildung zu Scheue. Dean hat also einen ungetrübten Blick auf mein Künstlertum. Ich verbeuge mich tief und sehr gerührt.

Ameise und Graf

Sie wollen sich küssen! Sollen sie doch! Der Geschmack an einer unmöglichen Liebe. Der Graf kennt diese Geschichte. Es ist (nur) ein Traum. Doch, ach, wie gut, manchmal, mit jemanden zusammen zu sein. Ja. Welch ein Schmerz!? „Welch ein Schmerz am Herzen“, dichtet die Ameise. Animalität der Vernunft. Irre vor Liebe. Eine ganz sinnlose Geschichte. Sie ist schön! Doch nur, wenn beide, Ameise und Graf, wissen, dass sie am morgen wieder auseinander gehen werden. Diese Tollheit ist demnach wie eine Klugheit, von einem Verrückten ausgeführt.

Wie viele Gewitter werden noch vor der nächsten Nacht niederprasseln? Auf die Zufallslieben? „Ich bin nicht mit Erinnerung begabt“, zitiert der Graf. „Nur mit Vergessen“, fügt er hinzu. Er lacht. Die Ameise kichert. „Immer wieder kehrt man zurück zu einer vollkommenen Umarmung zweier Körper, Schätzchen.“ „Geradezu wie in der Liebe.“

So ist meine Familie. So bin ich nicht. Warum nur? Das ist in diesem Frühstadium nicht zu beantworten… 07:32…

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Schwanenbeichte

Zum eigenen Geleit: Beobachtungen an zwei gleichzeitig aufgestellten Spiegeln galten schon immer als eine ungewohnte Erscheinung. Sie schienen für den Menschen von jeher mehr als nur ungeheuer interessant zu sein. Doch was würde bei vier bis fünf gleichzeitig aufgestellten Spiegeln geschehen? Was für eine vielfache Symmetrie konnte in diesem Augenblick entstehen? Kunst? Und wenn, sollte man sie dann versuchen zu erklären? Aber wie?

Alles veränderte sich ständig.

Das Fallbeil eines vernichtenden Urteils trennte in der Millisekunde eines Blitzschlags die Sonne vom Himmel! Vor den Mond schob sich ein smaragdgrüner Falter. Das Nachtgestirn wurde mit Trauerflor verhängt. Niemand sollte sein Gesicht mehr sehen. Am Boden zurück blieb der verwaiste Sonnenwagen, einst gezogen von sechs weißen Ameisen. Ach, die Wahrheit der Bilder…

Drehte man die Spiegel des Kaleidoskops indes weiter, dann…

Ein kleines Haus in der Provinz. Es trug meinen Namen. Aber das wusste ich nicht. Zudem stand mir momentan auch nicht der Sinn danach, um über die Bezeichnung von Häusern nachzudenken. Egal auf welchen Namen sie hören würden. Ebenso egal war mir ihre Bedeutung. Wären mir zum Beispiel die Hausbesitzer bekannt gewesen, die exakte Form des Hauses, der Ort wo das fragliche Haus stand, dann konnte ich das Haus als ein Symbol des Jenseits ansehen. Und den Besitzern würde es dort ergehen, ihnen würden Dinge widerfahren, die exakt in Bezug zur Geräumigkeit oder Enge, sowie Ausstattung ihres Hauses stünden.

Einfacher formuliert hieße das wohl: Großes Schlafzimmer gleich großes Glück! Oder Unglück. Je nachdem, mit wem man sich im Bett vergnügte. So hätte ich es formulieren wollen. Aber wer war ich schon? Solche tief schürfenden Überlegungen, über mich oder die Symbolhaftigkeit von Häusern, ob sie auf meinen oder andere Namen hörten, waren mir gerade, ich muss es gestehen: völlig egal!

Der Grund dafür mochte wohl daran liegen, dass ich gerade damit beschäftigt war, extrem katzbuckelnd, meinen Mageninhalt in das hohe Gras einer Wiese zu erbrechen, die sich weit um das kleine Haus erschreckte. Liebend gerne hätte ich diese beschämende Tätigkeit als hohe Kunstform definiert. Nur fehlte mir dazu die nötige Kraft. Und die richtige Muße.

Kotzen als einen skandalösen Witz zu umschreiben, dies fiel mir einfach nicht ein. Nicht im Moment. „Kotzen,“ würde ich später, bei passender Gelegenheit, liebend gerne als eine Fähigkeit beschreiben, die anerzogenes, tugendhaftes Verhalten in Frage stellt. Künstlerisch betrachtet, meine ich!

„Dahinter, ich meine das Kotzen, verbirgt sich das Kalkül des Künstlers durch hemmungsloses Überzeichnen seiner Unbeholfenheit eine moralische Panik zu erzeugen.“ So würde ich es darstellen wollen. Nur jetzt nicht.

Wie, so fragte ich mich lieber, zwischen den einzelnen Auswurfphasen meines Magens, wie und warum war es mit mir soweit gekommen? Sollte dies der Grund meiner Existenz sein? Ein kotzendes Individuum auf einer Weide? Kann man nicht unverkrampfter über Dinge nachdenken? Ohne dabei gleich so geschmacklos zu werden?

Im Café

Im Café. Ich könnte es eventuell so deuten: Das Eiscafé ist wie der Startblock für mich, aus dem ich als Künstler meinen täglichen Lauf beginne. Vielleicht bin ich auch in einem Café zur Welt gekommen. Und nun muss ich ständig hierhin zurückkehren.

Mit einem Sinnspruch wie etwas „Lirum-Larum-Löffelstiel-wer-das-nicht-kann-der-kann-nicht-viel“ rühre ich dort in meinem Cappuccino. So als wolle ich aus ihm die nähere Zukunft lesen. Doch diese liegt hinter der Schaumkrone verborgen. Aus dieser Krone heraus gilt es sich zur Alltagswelt hin zu bewegen, ans Land der trockenen Vorstellungen zu treten und meine „lustig-missionarische“ Arbeit zu beginnen. Eine Sishyphus-Arbeit, die aber gemacht werden will! Und zwar mit einem Lächeln auf den Lippen! Sowie mit einem kleinen Liedchen auf der Zunge: „One – Two -Three – Four- Can – I – Have – A – Little – More – Five – Six – Eight – Nine – Teen…  I LOVE YOU !“  Während ich weiter summe:  „A – B – C – D- Can – I – Bring – My – Friend – The – Tea…“ , beobachte ich zugleich die Gäste im Café und die Passanten, die, und das bilde ich mir sicherlich nur ein, neidisch am Café vorbei eilen.

Ein Mann, den ich häufig sehe, wenn ich hier auf der Terrasse des Cafés sitze, denkt wahrscheinlich, ich wohne hier. „Nein, ich bin Künstler,“ möchte ich ihm zurufen. Dann befürchte ich aber sein abschätziges Urteil:  „Na, so etwas wie Dich kriegen wir auch noch zum Arbeiten!“… und lasse es bleiben.

Meine Haut ist nicht dick genug, um solche Kritik unbeschadet an mich heran lassen zu können! Meine Haut würde sicher mit unangenehmem Juckreiz auf solche offenkundig dumme Äußerung reagieren. Im schlimmsten Fall mit Ekzemen. Wer will so etwas freiwillig riskieren? Also bleibe ich im Schatten sitzen und hänge anderen Ideen nach… Ein flüchtiger Blick auf den benachbarten Blumenladen „Rehse“ und schon binde ich in Gedanken mir einen kulturellen Strauß zusammen. Voll von Kulturkritik, Zynismus, Weltschmerz, sowie den üblichen Schmuckgräsern wie Selbstmitleid und Nabelschau. Schweren romantischen Allüren nachgebend nehme ich auch einige längst verwelkte Blumen auf, die schlapp ihre Köpfe hängen lassen. Durch ein kleines Schmuckbändchen werde diese mit dem rosigen, frischen Gewächs zusammengebunden. „Damned Flower Greetings“ nenne ich meine Kreation. Hochnäsig, provozierend in einer sich dahinschleppenden Langsamkeit, die ich nun an den Tag lege, beweisend, dass nichts, aber auch gar nichts auf dieser Welt mich zur Eile antreiben kann, stolziere ich mit meinem Wunderstrauß an der Terrasse des Eiscafes vorbei… An einem strategisch sehr günstigen Punkt werfe ich urplötzlich und eruptiv den Strauß zu Boden und stampfe wie ein wild gewordener Klaus Kinski darauf herum.

Arrogant blicke ich auf die verschreckten Gäste des Cafes und greife dann tief in die Zitatensahne eine Intellektuellen und schraube eine Worte von Marquis de Sade mir auf die Lippen: „Nehmt mich hin wie ich bin, denn ich werde mich nicht ändern.“ Dann trete ich noch einmal auf dem floralen Matsch herum. Solange bis mich jemand anspricht: „Zwei Euro, bitte!“ Ich lege mein Zweieurostück in die ausgestreckte Hand der Bedienung. Sie lächelt. Ich lächle. Und bin entspannt. Die Luft ist mild. Es könnte ein schöner Tag werden. Ich müsste halt nur gut aus dem verdammten Startblock herauskommen.

Jeder der Phantasie hat, glaubt an Gott. Wer keine Phantasie hat, geht zur Kirche.

Veröffentlicht unter Kunst