Dies Bild, halb Wahn, halb Wende…

«Der Kubismus zerstörte die fest gefügten Formen der Wahrnehmung. Eine feste Perspektive bedeutet, dass die Augen sich nicht mehr bewegen. Doch wir wissen alle, dass unsere Augen ununterbrochen in Bewegung sind. Erst wenn wir tot sind, hören die Augen auf, sich zu bewegen – oder wenn wir etwas anstarren. Und wenn wir starren, dann schauen wir nicht. Darum sind auch Fotografien ein Problem: Man kann sie nur anstarren, das ist alles. Die Augen können nicht auf ihnen herumwandern…»                   So beschreibt es der Künstler David Hockney.

Auf meinen Zeichnungen/Collagen, meinen „Hermaproditinnen“ zum Beispiel, müssen die Augen herumwandern. Die Augen werden hierzu regelrecht eingeladen! 

Me and my shadow

Mir kommt es heute und seit Ewigkeiten schon so vor, als sei ich Zaungast auf meinem eigenen Heimweg. Sehr allein. Und doch nicht einsam genug, um vollends verrückt zu werden. Hörst du, Camass, ich habe lange geschwiegen. Denn Farben verklebten mir die Lippen. Lange nichts geschaut. In den Wimpern hingen Tränen. Verzeih. Dummheit kleidet jedes Leben aus. Camass, meine alten Hände weisen Spuren auf, die ich niemals abgelaufen habe. Ich ahne dort allenfalls Existenzen, die hinter meinem Rücken Witze reißen. Der Blutgeschmack im Mund nimmt Überhand. Nicht gut, dass sei nicht gut, bemerkte mein Zahnarzt. Eine Feststellung, die wir gerne auf Beerdigungen von uns geben. „Und sonst?“Och, das Übliche,“ fasel ich verlogen. Wenig später bitte ich umständlich um den Zucker und suche im Kaffee mit dem Löffel nach einem Grund von Leben oder Tod. „Ach, so ist es eben!“ Und ich weiß es auch nicht wirklich besser. Schönheit. Gelungenheit. Wahrheit. Spiel. Rien ne va plus. Lange geschwiegen, Camass, ich bedaure das. Sehr…

Aber sieh doch: Farbe verklebt mir weiterhin die Lippen. Lange nichts geschaut… In meinen Wimpern hängen immer noch amboss-schwere Tränen. Faites vos jeux! Camass, der Himmel strahlt rotviolett wie ein praller Eichelkopf. Ich senke aufgrund dieser Obszönität beschämt den Kopf und schlage den Kragen meines Mantels hoch. Zurück, unter stumm hingeworfener Erde, bleiben Sätze, die ich unglücklicherweise niemals gesagt habe. Zurück, in meinen Handflächen, bleiben Berührungen, die ich nicht gewagt habe. Mein Mund schluckt verstört die Küsse runter, die ich viel zu lange aufgespart habe. Nun sind sie verdörrt und verschrumpelt. Unansehnlich wie alte Weintrauben. Endlich erbricht sich auch der Himmel. Kein Weiß nässt mich, sondern das feine Gespinst von Regen. Er schraffiert meine Existenz zu zarten Linien, an die ich neue Gedanken hängen kann. Camass, liebste Camass, Bilder oder Formulierungen springen an mir hoch, als wären es übermütige junge Hunde. Ich wünschte, du könntest das alles sehen! Du könntest das alles so sehen, wie ich es zu sehen vermag. Sieh es dir an, Schwesterchen, das Spiel, sieh es mit meinen Augen… Wir beide, wir machen unseren Einsatz. Immer und immer wieder. Und wir nennen uns beide Camass. Zwei Seelen, wegen eine aberwitzigen Laune der Natur, getrennt und doch für immer vereint.

Me and my shadow

«Der Zweck der Kunst ist nicht die Auflösung einer kurzzeitigen Adrenalinausschüttung, sondern vielmehr die allmähliche, ein Leben dauernde Schaffung eines Zustandes des Staunens und der Heiterkeit.»  (Glenn Gould)

Me and my shadow

«Ich frage mich, ob man unter Pere-Version das eigentliche Drama des Lebens begreift… oder aber, ob nur die Dividende stimmen muss, dieses verrückte Huhn, das vergöttert wird. Erst Honig, dann saure Milch… nicht wahr, Dr. Manhattan?»  (Detlef Bach während einer seiner gefürchteten Assoziationskaskaden.)

«Hey, you fucking intellectual.»  (Fritz the Cat)

Me and my shadow

«Ich habe jahrelang gesagt, ich hasse die Menschen wie die Pest und möchte irgendwohin, wo keine Menschen sind. Heute weiß ich: Ich wollte das Gegenteil nicht zugeben.» (Klaus Kinski)

Meine Trostbilder

Trost ist zwischenmenschliche Zuwendung an jemanden, der trauert oder anderen seelischen bzw. körperlichen Schmerz zu ertragen hat. Derjenige wird getröstet. Trost kann durch Worte, Gesten und Berührung gespendet werden. Der Schmerz und die Traurigkeit des Getrösteten sollen gelindert werden; er soll spüren, dass er nicht allein gelassen ist; seine seelische Verfassung soll gestärkt werden. Trost bedeutet letztlich Ermutigung! Kunst bedeutet Ermutigung. Oder sollte es wenigstens bedeuten. Und nur dort wo man Trost findet, ist man wirklich zu Hause.

Eintausend achthundert und sechs katatonische Tänze

Bleiben Sie mir bloß weg mit Strukturaler Psychoanalyse, wenn Sie mir was über Kunst erklären wollen. Das ist doch absolut doof. Das Unbewusste, dieses fiese Es, wie es bei Sigmund Freud heißt, sei der dunkle, unzugängliche Teil der eigenen Persönlichkeit? O, immer diese schwere Thematik. Ich nenne mein Es lieber einen Kessel Buntes! Ein Kessel voll mit lustig-garstigen Erregungen. Jeder dieser einzelnen Erregung möchte ich hier laut und deutlich zurufen: Mach mich an: – Und sie machen mich an, das kann ich wohl behaupten!…

Die Frage ist dann nur noch: In wie viel verschiedenen Kombinationen können dreiundvierzig Personen miteinander schlafen? –Zu zweit? (…) – Ja. – Egal welchen Geschlechts? – Ja. – Kinderleichtes Problem. – 1806, antwortete der Computer. – Und nach Geschlechtern getrennt? – Wie viele davon sind Frauen? – Die Hälfte. – Das geht nicht. – Warum denn nicht? – Die Hälfte von 43 ist 21,5.  (aus: “Die Tennisspieler“ von Lars Gustafsson) Es wohnen, ach, so viele Personen in meiner Brust.

Mein so genanntes inneres Team, gut und gerne dreiundvierzig Personen (mindestens); und dieses Team verlangt so viele Bilder von mir, es fordert mich zu katatonischen Tänzen auf. Und ich tanze. Ich tanze doch so gerne. Das ist am Ende alles, was ich über Kunst wissen muss. Tanz… und die Kunst tanzt mit Dir. Bleib sitzen… und Du schläfst allein.

usw…usw… eigentlich müssten hier nun noch 1796 Bilder folgen. Aber die hebe ich mir für später auf. Versprochen.