Gesang der Geister (frei nach Goethe)

(Auftritt) Dichter (Mein Gott, sieht der jung aus):

O sprich mir nicht von jener bunten Menge, bei deren Anblick uns der Geist entflieht.

Verhülle mir das wogende Gedränge, das wider Willen uns zum Strudel zieht.

Nein, führe mich zur stillen Himmelsenge, wo nur dem Dichter reine Freude blüht.

Wo Lieb und Freundschaft unsres Herzens Segen mit Götterhand erschaffen und erpflegen. (Aber mit dieser Frisur? Und dieser Brille? Ich weiß ja nicht.)

Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen, was sich die Lippe schüchtern vorgelallt, missraten jetzt und jetzt vielleicht gelungen, verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt.

Oft, wenn es erst durch Jahre durchgedrungen, erscheint es in vollendeter Gestalt. Was glänzt, ist für den Augenblick geboren, das Echte bleibt der Nachwelt unverloren.

Über den Umgang mit Klassikern

(Auftritt) Lustige Person (nebst Kumpel):

Wenn ich nur nichts von Nachwelt hören sollte. Gesetzt, dass ich von Nachwelt reden wollte, wer machte denn der Mitwelt Spaß?

Den will sie doch und soll ihn haben. Die Gegenwart von einem braven Knaben ist, dächt ich, immer auch schon was.


Wer sich behaglich mitzuteilen weiß, den wird des Volkes Laune nicht erbittern; Er wünscht sich einen großen Kreis, um ihn gewisser zu erschüttern.

Drum seid nur brav und zeigt euch musterhaft, lasst Phantasie, mit allen ihren Chören, Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft, doch, merkt euch wohl (!) nicht ohne Narrheit hören.

Königskinder

Sehr geehrter Herr Bach, vielen Dank für Ihre freundlichen grüßenden Worte sowohl per Postkarte, als auch per Brief. Wie Sie dem Artikel (gemeint ist ein Bericht in der Zeitschrift MONOPOL) entnehmen können, haben meine Frau und ich über Jahre leidenschaftlich gesammelt und sind weiterhin neugierig geblieben, allerdings stoßen wir mit unserer Sammelleidenschaft längst an Grenzen, die dazu führen, dass wir bereits Arbeiten veräußert haben. Die meisten Arbeiten, die wir über den Zeitraum von 20/25 Jahren gekauft haben, konnten wir aufgrund Platzmangel nie selber in unseren Räumlichkeiten aufhängen. Von daher sind Sie mir sicherlich nicht böse, dass ich mir zwar Ihre Arbeiten auf der Webseite gerne einmal angucken werde. Aber neue Arbeiten Ihrer Sammlung nicht mehr hinzufügen werde.

Mit freundlichen Grüßen … Ihr ***

Sammler und Künstler, zwei Königskinder, sie konnten zusammen nicht kommen, denn der eine hatte einfach zu viel…  Ach, dann behalte ich meine Bilder eben selbst. Zum Beispiel diese Arbeiten hier. Zwei Schöne Hermaphroditen, frei nach einem Holzschnitt von Hokusai  –  „Der Traum der Perlentaucherin“.

Wie ein Raubvogel…?

Die Wandlung einer Figur aufgrund ihres Glaubens? So viele Theaterstücke, und oder auch ganze Lebensstücke, stellen so eine Wandlung dar. Doch alle diese Figuren tragen am Ende nur ihre Masken zur Schau… so heißt es. Aber ist dem wirklich so?

(Siehe/lese dazu auch die Rubrik GIN & FIZZ)

Herr Alzheimer tanzt

Bevor ich es vielleicht (aus gesundheitlichen Gründen?) selber komplett vergesse, noch schnell einige Worte an Sie, meine Damen und Herren, an die Freunde meines BLOGs, gerichtet. Denn: Was man nicht bespricht, bedenkt man auch nicht recht. Sagt jedenfalls Johann Wolfgang von Goethe. Der gute alte Geheimrat. Eine kulturelle Allzweckwaffe, finden Sie nicht auch? Herrlich… immer und überall einzusetzen… und sie tut auch niemanden mehr weh… Ach, Goethe… Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Eine sehr gute Frage, direkt zu Anfang… hier…   Es war mein Vater.

Mit seinem Kind. „Kenn ich,“ sagte mein Vater… „Er hat den Knaben wohl in dem Arm.“  Richtig! Gut. Sein Langzeitgedächtnis arbeitete also noch. „Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm,“ fügte ich flugs dem Gedicht hinzu. „Wen hält er warm? “ fragte Vater sofort. „Na, mich“ „Ach?!… Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?“  „Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?“ Darüber mussten wir beide laut lachen! Wir lachten viel zusammen, mein Vater und ich. Er, ein Erlenkönig mit Kron und Schweif? Nein. Klein war er am Ende geworden. Irgendwie, so glaubte ich es, verschwindet er schlicht und einfach in seinen Klamotten. Irgendwann, phantasierte ich, würde ich ihn wohl in einer seiner Socke vorfinden können. Aber so war es dann doch nicht. Man fand ihn fiebrig, eines Morgens, im Bett seiner Wohngruppe. Fall Aufnahmedatum: 06.04.2014  Uhrzeit: 11:01  Aufnahmegrund § 301: 01/07 vollstationär/Notfall   Entlassungsdatum: 06.04.2014  Uhrzeit: 12:30  Entlassungsgrund § 301: 07/9 Tod/keine Angabe

(Mein Freund Christian Schwarzkopf und ich haben uns dem Thema Demenz in unserem Programm „Herr Alzheimer tanzt“ angenommen… Tanzen Sie… tanzt Ihr einfach mit… damit wir alle nicht vergessen zu leben!)

Herr-Alzheimer-tanzt

Der Künstler als braver Wachsverkäufer

Warum macht [ein braver Wachsverkäufer] … Abdrücke von den Gesichtern der Gekreuzigten? Aus Gründen, denke ich, die das Gegenteil von [den Gründen der meisten Künstler?] sind: weil diese Sachen nicht gefragt sind, weil sich die Leute nicht dafür interessieren, weil man sie nicht verkauft… Die Maler und Musiker sprechen… von sich selbst, aber ihre Sprache ist nicht so nackt wie die [der Schriftsteller]. Nein, Schriftsteller sind obszön; sonst wären sie Buchhalter, Lokführer oder Telefonistinnen geworden, also anständige Menschen. (schreibt Amélie Nothomb). Ich fühle, nachdem ich die Zeilen von Nothomb gelesen habe, sehr deutlich, überdeutlich… ich bin ein braver Wachsverkäufer! Ist meine Sprache als Bildender Künstler aber nicht ebenso nackt & obszön, wie die des Schriftstellers? Wenn sie es nicht ist, worüber regen sich die Leute dann so auf, warum sind sie so schockiert, wenn sie meine Bilder sehen? Ich male, also bin ich doch… nackt… und obszön… aus Freundlichkeit. Meine Bilder? Gesichter von Gekreuzigten:

Zeit, was hast du aus ihnen gemacht? (Die Antwort)

Lieber Detlef, ich habe gerade Deinen Blog geöffnet. Deine Ausführungen mit Bild und Text haben mich sehr berührt. Die Interpretationen von Dir sind – wie immer – scharfsinnig und kaum zu widerlegen. Allerdings erscheinen mir deine Gedanken und Vergleiche zum zweiten Bild doch etwas sehr weit hergeholt. [Mein Bruder bezieht sich hier auf den Artikel: „Zeit, was hast du aus ihnen gemacht? (Die Frage)“.]

Der Sprung vom „Geselle mit Knüppel“ über Max von Oppenheim zu Lawrence von Arabien ist wohl nicht für jedermann nachvollziehbar (muss aber auch nicht!!!). Ich wage da einfach eine weitaus banalere Interpretation. Vielleicht entdeckt hier ein Betrachter schon die ersten kleinen Anzeichen auf den späteren Lebensweg. Der von der Gesellschaft (Eltern) vorgegebene Spielraum (Sandkasten) mit Eimern und Förmchen scheint Dir damals schon nicht interessant genug gewesen zu sein. Da geht der Blick doch lieber über den Rand hinaus auf die faszinierenden und vielleicht künstlerisch interessanten Schattenspiele.

Dabei betrachtet der zum „Hirten“ abgestellte Jürgen diese frühkindlichen „Ausbruchsversuche“ mit einem wohlwollenden Lächeln!

Liebe Grüße Jürgen

[Mein Bruder wird Recht haben. Schließlich kennt er mich schon länger, als ich ihn.]

Zeit, was hast du aus ihnen gemacht? (Die Frage)

Es wird Zeit für ein Innehalten. Um einem Menschen eine kleine Freude zu machen: meinem Bruder. Oft denkt man an seinen Vater, ruft die Mutter mal an, fragt wie es ihr so geht, aber der Bruder geht in der Verschwendung von Aufmerksamkeiten oft erschreckend leer aus. Aus diesem Grund stelle ich heute zwei Fotos auf meinen BLOG, die zeigen und beweisen sollen, was für eine tiefe Verbundenheit zwischen mir und meinem Bruder besteht.

Hier sieht man mich in einem eleganten Wagen sitzen. „Das Beste oder nichts!“, sagte meine Mutter gerne zu meinem damaligen Gefährt. (Die Mercedes-Benz AG übernahm 2010 übrigens für ihre Autos genau diesen Werbespruch, was uns auf einer Seite mit Stolz erfüllte. Aber meine Mutter auch ein bisschen verärgerte. Naja. Wir haben mal nichts gesagt.) Was dieses Foto so besonders macht, ist die Tatsache, dass mein Bruder und ich inzwischen die Rollen getauscht haben. Heute sitzt nämlich er am Steuer (von einem Mercedes!) und ich gehe zu Fuß. Außer diesen Oldtimer, den man auf dem Foto sieht, habe ich nie gelernt, ein Automobil zu steuern. Wollte es einfach nicht. Andere Automarken konnten mich nie so recht überzeugen. Oder sie passten nicht zu meiner flauschigen Mütze.

Mütze ist ein gutes Stichwort. Von jeher war ich ein Mützen- oder Huttyp. Auf obigen Foto trage ich z.B. eine Kopfbedeckung, die mir, finde ich, den Charme eines Lawrence von Arabien verleiht. Was allerdings auch nur daher rühren könnte, dass ich gerade versuche aus einer diabolischen Sandkiste zu entkommen. Schon wäge ich, so scheint es, die Höhe ab und man hört förmlich wie ich mich frage, ob ich den Sprung vom Kamm der Düne wagen sollte. Mein Bruder steht wie ein freundlicher Geselle mit Knüppel im Hintergrund. Ich habe im Laufe der Jahre vergessen, wen er hier verkörperte. Vielleicht Max von Oppenheim? Während des Ersten Weltkriegs war dieser ja im Auswärtigen Amt in Berlin tätig, wo er die so genannte „Nachrichtenstelle für den Orient“ gründete, was mich seinerzeit schwer beeindruckt hatte. Oppenheim suchte während des Kriegs die islamische Bevölkerung des Nahen Ostens gegen England zu mobilisieren und kann somit beinahe als Gegenstück zu mir, also Lawrence von Arabien, gesehen werden. Aber sicher bin ich mir wirklich, nach all den Jahren, nicht mehr.

The Rising Sun (Caput II)

„There is a house in New Orleans / They call the Rising Sun / And it’s been the ruin of many young poor boys / And thank God, I know I’m NOT NOT NOT one… of these little armen Würstchen“, trällerte die Frau des Federmachers vergnügt vor sich her. Sie war gerade von einem Besuch bei Freunden heimgekehrt. Und hatte die Tasche nun wieder gefüllt mit Geschichten.

Da wäre zum Beispiel ihr langjähriger Freund, der eine, na, sagen wir, recht eigenwillige Passion zu Walfischen entwickelt hatte. Nicht nur, dass er die Säuger ständig zeichnen, malen oder irgendwo hinkritzeln musste, nein, er träumte davon, sich einen Gartenteich anzulegen, in dem er Walfische halten könne. „Ich bin überzeugt davon, dass der Teich nur tief genug seien muss, damit sich meine Freunde wohl fühlen“, hatte er in einer hitzigen Diskussion, barfuß auf einem Tisch stehend, ausgerufen. Dann war er umständlich vom Tisch geklettert und flugs in seinen Garten geschritten, um dort fraglichen Teich weiter und tiefer auszuheben.

Jener Walfisch-liebende Freund lebte mit zwei Freundinnen zusammen. Zwei ehemalige Vermessungstechnikerinnen, die sich inzwischen aber lieber als Designerinnen für Motiv-Torten durchs Leben schlugen. Als sie vor etlichen Monaten einen Pottwal als Motiv wählten, hatte sich unser Freund SOFORT in die beiden Frauen verliebt. Und wenn er nicht gerade, tagein und tagaus, Walfische porträtierte, dann zeichnete er auch gerne die beiden Frauen… die ihm übrigens, soviel darf verraten werden, gerne Modell standen.

„Alles ist real. Nur die Welt ist es nicht“, resümierte die Frau des Federmachers. „Aber wer das Glück hat eines Freundes Freund zu sein, der stimme in den Jubel ein.“ Die Frau des Federmachers war in Jubelstimmung heimgekommen. Sie war sogar in Jubelstimmung von zu Hause fort gegangen. Und hatte ihre Stimmung unterwegs konservieren können.

Ihr Trick, wenn es denn einer war, bestand darin, falls ihre Jubelstimmung einmal drohte zu kippen, in Gefahr war von einem öden Gegenüber torpediert zu werden, dass sie sich ihr Gegenüber als Hasen oder Kaninchen vorstellte, dem sie genüsslich das Fell über die Ohren zog. Sofort kehrte dann ihre Jubelstimmung zurück. Und wenn ihr ödes Gegenüber besonders öde war, war ihre Stimmung sogar noch besser als zuvor.

Ja, die Frau des Federmachers… eine fürwahr ungewöhnliche Frau. Sie liebte das Leben… Und die Gelegenheiten, bei dem sie irgendwem, irgendwo, Heinrich Heine vorlesen konnte. Das war nun aber wieder eine ganz andere Geschichte (siehe dazu gestrigen Artikel).