Die Quadratur meines Kreises

Aus allem lässt sich bekanntlich Kapital schlagen. Warum nicht auch aus Kunst? Die Kunst den ewigen Romantikern zu überlassen hieße doch, dass der Kapitalist die Kunst als Kontinuum wahrzunehmen habe, in dem alles mit allem zusammenhängt. Durch einen poetischen Akt der Romantisierung würde die ursprüngliche Totalität der Welt als ihr eigentlicher Sinn im Kunstwerk ahnbar und mitteilbar. Aber das sei doch viel zu sperrig formuliert, zetert der Kapitalist und Sammler. Vielversprechender klänge da schon: Die Allheit des Vielen in Einem; In einem… auf einem Konto? Wenn es Geld bringt, sagt der Spekulant, dann wird es schon gut und richtig sein. Aber wenn nicht mehr Zahlen und Figuren Sind Schlüssel aller Kreaturen…? Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es. Ohne vollendetes Selbstverständnis wird man andere nie wahrhaft verstehen lernen. Und man in Mährchen und Gedichten Erkennt die wahren Weltgeschichten, Dann fliegt vor Einem geheimen Wort Das ganze verkehrte Wesen fort. Mir schwindelt bei der Quadratur meines Kreises. Wie von Kunst leben können, wenn man die Kunst nicht verkaufen will? Einige mir wohlgesinnten Kritiker meinen ich sei schlich „blöde“. Andere attestieren mir dagegen eine hübsche vegetative Übersensibilität.

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Wie dem auch sei, ich kann mir nicht helfen, der Schwindel bleibt bestehen.

Unermesslich reiche oder arme…

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Eine junge Frau strahlt mich an. Sie trägt ein schwarzes T-Shirt, auf dem das Wort „Hyperion“ prangt. „O, Hölderlin“, eröffne ich wohlwollend das Gespräch. „Wer?“, ernte ich als Antwort und wir finden nicht weiter zusammen. Die Kluft der Generationen, der Abgrund zwischen Ideal und Wirklichkeit, ist wohl doch unüberwindbar. Jeder bleibt auf seiner Seite des Grabens stehen. Ich mit Hölderlin. Die junge Frau mit einem schmucken T-Shirt. Der Rest ist Schweigen.

 

Kunst, Hand und Fuß.

Kunst beantwortet mir keine Fragen, sie beruhigt mich ganz und gar nicht. Sie gaukelt mir auch keine mit sich identische Welt vor. Kunst macht es mir wahrhaftig nicht bequem!

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Kunst ist schmerzhaft. Sie lässt mich immerzu (ver)zweifeln. Und genau deswegen liebe ich sie. David Foster Wallace beschrieb diese spezielle Liebe einmal so: „Ich möchte darauf hinaus, dass manche Menschen Angst davor haben, echten Schmerz, echte Trauer oder richtigen Zorn auch nur mit der großen Zehe anzustupsen. Das bedeutet, sie haben Angst vor dem Leben. Sie sind in etwas eingesperrt, glaube ich. Innerlich eingefroren, gefühlsmäßig. Warum das so ist? Das weiß niemand…“

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David Foster Wallace hat recht. Die Kunst ist und bleibt ein großer Zeh. Und ich halte weiterhin (wie eine Art Don Quijote) mit der rechten Hand stolz meine Zeichenfeder und mit dem linken Fuß berühre ich, schwer atmend, meine Furcht, damit sie mir hoffentlich dieses Zeichen gibt, dass „Du lebst!“ bedeutet.

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Du lebst!

Umarmung

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Wir sind ausgeschlossene

von geburt

Und jeder schließt jeden aus

Deshalb umarmen wir einander

Umarmung schließt alle aus

außer einem             (Reiner Kunze)