Künstlerverehrung

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Ich sitze am Rand des Glücks und montiere mir genüsslich meine Fata Morgana von Künstlerverehrung zurecht: Gold ein Augenblick Paradies / O Pupillen erfüllt vom Kugelblitz der Kindheit / Plötzliche Tränen Kristalle / Des Regens auf der Windschutzscheibe / Und drüben ein(e) Reh(madonna) fast in der Fahrbahn…

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Dort, am Rand des Glücks, steht mir mein Vater vor Augen. Er warnt mich vor den Ritualen der Verehrung und dessen endgültigem (Todes)Beweis: die obligatorische Preisverleihung = Ein dumpfer Schlag / Und du kommst ins Schleudern /Schlingerst hin und her. O, die oft unsäglichen Grußworte, mahnt mich mein Vater (Der aus mir spricht in Zungen), und die ahnungslosen Reden der Funktionäre, die mittelmäßigen Streichquartette und die in der ersten Reihe schnarchenden Politiker und Honoratioren, die dünkelhaften Juroren, die Lachshäppchen und die selbstherrlichen Kritiker, das ganze halbgebildete Schranzentum, das sich so oft wie möglich versammelt zum Zweck des Selbstgenusses mit den Mitteln der Künstlerdemütigung. Mein Vater erklärt mir, dass ich mich den Träumen aber auch verweigern kann. Doch wer sich hat mitführen lassen, dem bleibt die Erinnerung an eine Reise in unbekannte Gefilde auf dem heiligen Narrenschiff „Erfolg“, unterstreicht er mit liebevoller Geste. Dieses Bild, eine einzige fragende Verwirklichung. & wie unbeschädigt (?) von all dem erträumt-erhofften Ruhm mein Ich: unscharf, undeutlich, fliegend, sich überlagernd, sich auflösend in fließenden Farben, Bildern, Zeichnungen, Zeichen und Handlinien – „Diese Erfolge tragen sie schon seit Jahren mit sich herum! Sie waren unlängst schon auf der Dokumenta und der Biennale!“, säuselt eine blinde Wahrsagerin, die meine Hand mit ihren Fingern studiert. „Was läuft nur in deinem Kopf ab, wenn du für immer die Augen schließt?“ fragt mein Vater mich, einen algengrünen Knochen in der Hand haltend. „Habe ich das gemacht?“, antworte ich ihm.

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„Und der Tod?“ „Ein Muttergotteskuss.“