Meine Totemlieder

Auf einer karierten Decke liegt eine halbierte Birne. Auf ihrem Fruchtfleisch entdecke ich vier, fünf Ameisen. Luis Bunuel, denke ich. Und zwar sofort!

Augenblicklich werden Kameras in Position gebracht. Leute der Filmcrew laufen aufgeregt umher und verschwinden hinter Büschen und Felsen. Ihre Befehle schreien sie in smaragdgrün schillernde Megaphone. In Dolby Surround schwappt das ganze Gezeter wieder zurück auf den Strand. Plötzlich erschreckt alle am Strand ein ekliges Knacken aus einem Lautsprecher. Gefolgt von einer unheimlichen Stille. Eine Stille, die von kreischend auffliegenden Möwen durchstoßen wird. Sie verdunkeln als Schwarm den Himmel für eine kleine Weile. Kurz darauf stolziert ein Mann an mir vorbei. Er fragt mich nach einer Frau oder einem Herrn Ocbi Etsujin. (???)

Gibt es überhaupt jemanden, der auf diesen Namen getauft wurde? Und was könnte dieser Mensch mit Schmetterlingen zu tun haben, die in Käfigen singen? Während ich darüber noch nachsinne, entdecke ich etliche dieser Käfige, in denen die zauberhaftesten Schmetterlinge gefangen gehalten werden, an einer mir gegenüberliegenden Felswand. Die Käfige glitzern im Sonnenlicht mit den Flügeln der Insekten um die Wette. Wenn die Schmetterlinge ihre Flügel wie ein kleines Gesangbuch öffnen, dann springen Regenbögen von den Seiten direkt ins Meer. Dieser wundersame Anblick ist indes nur von kurzer Dauer. Denn eine preußische Militärkapelle marschiert vorbei und sorgt dafür, dass die Regenbögen sich verflüchtigen. Die dumpfe Marschmusik hallt sehr lange noch nach. Während der bizarre Spielmannszug schon längst hinter dem Horizont verschwunden ist, kann man den Sound der Kapelle noch recht deutlich am Ufer des Meeres vernehmen. (…)