Mut als Widerstand gegen die Angst

Wenn ich mich selbst beschreiben sollte, dann gerne als einen Künstler, der seit Jahren unentwegt gegen einen Kleiderschrank anrennt. Damit wir uns jetzt nicht falsch verstehen: ich will nicht in den Schrank hinein! O, nein, das nun nicht. Ich renne nur dagegen. Das mag verrückt klingen, ist aber so. Ich will die Welt im Schrank halt gerne auf mich aufmerksam machen. Darum geht es mir bei meinem merkwürdigen Treiben. Und genau deshalb renne ich eben gegen diesen Schrank. Eine Freundin sagte einmal, ich wirke wie „aus der Zeit gefallen.“ Vielleicht bin ich aber nur dem Schrank entkommen. Vielleicht war ich auch nie wirklich drin. Denn die Welt, an die so viele von uns glauben, ist längst ein märchenloser, übervoller Kleiderschrank geworden ist. Finde ich. Und in eben diesem ominösen Kleiderschrank leben unzählige Kaiser und Kaiserinnen, die schöne Kleider so ungeheuer gern haben, dass sie all ihr Geld dafür ausgeben, um recht geputzt zu sein. Sie machen sich nichts aus Poesie, machen sich nichts aus Theater und auch nicht daraus, in den Wald hinauszufahren, es sei denn, um ihre neuen Kleider zu zeigen. Sie haben ein Kleid für jede Stunde des Tages. Ehrlich! Es ist unglaublich…

Lieber Wolfgang Ullrich, Sie sagen, ich schriebe ehrlich. Bin ich ehrlich? Mutig?  Nun, ich denke, die Ehrlichkeit offenbart sich vielleicht im eigentlichen Zusammenspiel der Artikel. Wie ein kluger Mensch einmal schrieb, so erinnert mich mein Schreiben am BLOG an ein rasches „Gleiten von einem Code zum nächsten. Ich bringe alle Codes durcheinander und ändere von einem auf den anderen Tag meine Erklärungen dazu.“

Lieber Detlef Bach, es gibt viele Arten, ehrlich und mutig zu sein. In Ihrem Fall meinte ich, dass mich beeindruckt, wie viel Sie von sich preisgeben, ohne dass es exhibitionistisch wirkt. Die meisten würden auch einen Blog vor allem dazu nutzen, sich ins beste Licht zu rücken, bei Ihnen hat man das Gefühl, da gebe es nicht noch eigens Schutzfilter, die Sie zwischen sich und Ihr Publikum schalten.

Unnötig zu erwähnen, dass so ein Lob (s.o.) schmeichelt. Aber es „ängstigt“ auch, ich fühle mich ertappt. Denn eigentlich verstehe ich mich doch als ein „paradoxer Archäologe,“ jemand, der immer wieder eine (Bedeutungs)-Schicht oder –Ebene über seine jeweiligen Werke legt, der seine Wunden lieber kaschiert, als allzu direkt zur Schau stellt. Aber, wie es scheint, schimmert immer etwas durch! Wenn man dieses ETWAS zu sehen vermag! Es freut mich, wenn dieses besondere Schimmern meiner Arbeiten bestimmte Menschen erfreut, beeindruckt und sie, so hoffe ich, auf bestimmte Weise, zu inspirieren versteht. Narzisstisch genug bin ich, um zu behaupten, dass die meisten Menschen meine Arbeiten links liegen lassen, weil „keiner wollte sich anmerken lassen, dass er nichts sah, denn sonst hätte er ja für sein Amt nicht getaugt oder wäre sehr dumm gewesen.“ Ich könnte es auch anders formulieren: meine Arbeiten passen einfach nicht in einen Kleiderschrank.

Wolfgang Ullrich (* 1967) ist ein Kunsthistoriker und Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der HfG Karlsruhe. Detlef Bach (* 1963) ist ein barocker Minimalist

… und somit fasziniert von der Theorie und Praxis aberwitziger Phantasien, Halluzinationen und Vorstellungen. Seien diese in einem Schrank oder ANDERSWO versteckt.