Mutter mit Kind

Novalis behauptet, dass Sprache sich einzig und allein um sich selber kümmert. Jegliches Gespräch drehe sich nicht um Dinge und irgendwelche Ereignisse. Vielmehr sei das Eigentümliche der Sprache das Selbstspielerische. Die Sprache spielt ein Spiel, in dem sie ihre Möglichkeiten erkundet und somit zugleich die unterschiedlichsten Geschichten dieses einen Spiels. Novalis billigt der Sprache eine schöpferische Freiheit zu, eine Macht, die sich dem Menschen aufdrängen kann. Wenn dieser ein Herz dafür hat. Novalis nennt dies die Selbstentbergung des Seins. Der Sprechende müsse sich seiner inneren Natur stellen. Und er müsse begreifen, dass jeder von uns etwas Albernes sagt, wenn man etwas ganz bestimmtes und spezielles sagen möchte. So würde niemals Poesie entstehen. Sprache, ihr eigentliches Wesen, so der Dichter weiter, sei „geheim… aber gleichzeitig im höchsten Maße…fruchtbar.“

So interpretiert es auch Ernesto Grassi in „Kunst und Mythos“, bei dem ich die Ausführungen von und zu Novalis finde. „Darum… wenn einer  bloß spricht, um zu sprechen, er gerade die herrlichsten, originellsten Wahrheiten ausspricht.“ (Novalis) „Staunenswert“ sei die Sprache, die spielt. Genau. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich staune ebenfalls. Und finde das wundervoll. Ich erfreue mich an diesen Gedankengängen, sehe ich doch auch einen Schlüssel zu meinem eigenen Werk, zu meiner Kunst, in ihnen verborgen. Sprechen, um zu sprechen. Malen, um zu malen. Bilder, um der Bilder willen. Göttliches Gestammel & göttliches Gekritzel… Technische Raffinesse war noch nie die Quelle der Kunst. Sondern Begeisterung und Besessenheit.

Auch diese Überzeugungen finde ich bei Ernesto Grassi. Dichter – ich möchte ab hier vom Künstler reden, schaffen ihre Werke „im Zustand des Außer-sich-Seins“. Sie schöpfen aus „honigströmenden Quellen“. Nur in einem Zustand der Bewusstlosigkeit sei der Künstler fähig überhaupt tätig zu werden. In-spiration und Ein-gebung, darum gehe es. Grassi spricht von einem Wahn, der den Künstler erfasst haben muss, um seine Schöpfungen zu vollbringen. Würde dieser Wahn verschwinden, verstünde der Künstler selber nicht mehr, was er da vollbracht habe. Wie wahr, wie wahr, denke ich. Schon sehe ich mich in einer Talkshow sitzen und all das oben Beschriebene zum Besten geben. Das Publikum wird sich wälzen vor Vergnügen. Entweder weil es Vorurteile bestätigt bekommt oder auch, weil es nichts, aber auch gar nichts versteht. Was ich verstehen kann. Denn wie sagte der eingangs erwähnte Novalis: „Das Gespräch, es ist ein bloßes Wortspiel. Der lächerliche Irrtum ist nur zu bewundern, dass die Leute meinen, sie sprechen um der Dinge willen…“

Kunst entsteht laut Grassi nicht aus Wissen. Vielmehr aus Gespanntsein. Wie auch Aufmerksamkeit, das bedeutet einem nach-etwas-trachten. Und dieses Trachten sei nur möglich, wenn eine Spannung vorherrsche. Grassi geht noch weiter und spricht von einer absichtslosen Gespanntheit. Vergleichbar dem Zen, wenn dieser Vergleich akzeptabel ist. Wie dem auch sei: ich finde in der Lektüre die Definition einer Gelassenheit, die mich aufhorchen lässt. „Solche Gelassenheit“ heißt es im Text „führt vom Individuum-Sein zum ursprünglichen, unableitbaren Sein.“ Eine Aussage, die mich zu meinen „Mutter mit Kind“-Bildern treibt. Meine Kunst, so möchte ich es gerne formulieren, verwandelt sich in ihnen vom Individuum-Mutti hin zum ursprünglichen, unableitbaren Mutter-Sein. Das schreibe ich, um es zu schreiben. Danach möchte und werde ich alles wieder vergessen. Wenn ich Glück habe, dann weiß ich vielleicht noch „von dem Ziel, das sich auf keine Weise technisch erzielen lässt…“