O, ALLER LIEBSTE…

„Es gibt nur zwei Arten von Menschen – solche, die man warten lässt, und solche, auf die man wartet. Meine Damen und Herren, ich möchte pünktlich beginnen. Denn Sie gehören nicht zu der Art von Menschen, die man warten lässt.“

Aber dann war die Frau des Federmachers vom Podium getreten und sehr ruhig fort gegangen. Die Aussagen der Frau des Federmachers waren stets widersprüchlicher Natur. Sie klangen etwas verrückt, wenn man ihnen vom Standpunkt einer männlich-fantasierten Subjektivität lauschte.

Ihr Mann liebte sie aber genau für diese, ihre so andere Sprache! Er war vernarrt in ihre Sprache, in ihre Rätselhaftigkeit. Er hatte gelernt, mit einem anderen Ohr zuzuhören, wenn sie sprach, wenn sie flüsterte, murmelte oder sang!

Er hatte ihr stets zugehört und war bereit sich in die neuen Bedeutungen ihrer Worte einzuspinnen oder aber diese Worte, die er hörte, einfach aus seiner eigenen eingefahrenden, also männlichen Interpretation herauszulösen.

Die Frau des Federmachers existierte schlichtweg außerhalb einer Logik, die Männer formuliert hatten und auf die Männer so ungeheuer stolz waren. Die Frau des Federmachers hatte sich dem dualistischen Denken dieser Welt-Grübler entzogen.

Sie existierte nicht in der Linearität von auch noch so brillanten Gedanken. Nein, was immer sie sagte, war nicht identisch, mit dem was sie meinte. Es war aber auch nicht mit irgendetwas anderem identisch…

Was die Frau des Federmachers mit Sprache ausdrückte, war viel eher berührend!

Sie berührte etwas mit ihrer Sprache… Die Frau des Federmachers benannte nichts mit schnöden Worten. Sie heftete Worte nicht an Dinge, sie stülpte Worte nirgendwo stumpfsinnig drüber. Ihre Worte korrumpierten nicht die Welt.

Ihre Sprache zärtelte ein Ding, so als ob man mit einem Finger sanft über eine fremde Wange streichelt.

Auch deshalb blieb sie ein ewiges Rätsel…  Und ihr Mann?

Und ihr Mann? Nun, der Federmacher, war vernarrt in diese Rätselhaftigkeit. Kopfschüttelnd hörte er ihr zu, sah sie dabei an und verliebte sich dann aber immer wieder aufs Neue in sie.

Das größte Rätsel ist der Mensch sich selber, heißt es. Aber die Frau des Federmachers blieb allen ein noch viel größeres Rätsel.