Ring frei

Kunst und Kultur steigen schweigend in den Ring. Der Gong ertönt. Beide Parteien dreschen sofort wild auf sich ein. Diese ungleichen Brüder! Sie schenken sich nichts. In der einen Ringecke tänzelt kurz der Künstler. Er zelebriert den Ali-Shuffle. In der anderen Ecke reibt sich der Kulturmensch seine Boxhandschuhe wund. Wieder ertönt ein Gong. Geschnaufe. Gestöhne. Erektionen. Speichel tropft von den Lippen. Einer Typ läutet die Glocke am Ring, als ob er vor Nebel warnen wolle. Kunst schlägt auf Kultur ein. Kultur prügelt zurück. Rasend vor Eifersucht auf die Kunst. Unsinnig oft schrillt jetzt der Gong auf, die Glocke, aber die Kontrahenten lassen nicht von einander ab. Wie Geisteskranke wirbeln sie herum, springen, hüpfen, rudern mit den Armen wie Windmühlenflügel. Der Künstler zieht sich jetzt vollends aus. Und der Kulturmensch glotzt voyeuristisch-offensichtlich seinem Gegner auf den Schritt. Der Ring wird komplett zum Tollhaus. Die Masse tobt. Aber nur kurz. Dann fällt sie gelangweilt wieder in die Sessel zurück. Ein weiterer Ring wird in die Halle geschoben. D.h.: der nächste Ring wird inszeniert. Wieder ertönt ein Gong. Ring frei. Und Vorhang auf – ich verschenke die Welt, wem sie genügt, soll sich erfreuen:… still ruht der See, vergißmeinnichtumsäumt, und die Otter lachen.

(Gedichtzitat: Gottfried Benn)