Von Pontius zu Picasso

“…mit einem Gefälligkeitsurteil soll Pontius Pilatus den göttlichen Heilsplan voran getrieben haben,“ lese ich. Und nur wenig später dann: „Die meisten älteren Maler wollen, dass du dich genau an die Nonnen anpasst.“ Eigentlich heißt es in dem Essay „Normen“ und nicht „Nonnen“. Ich muss aber gestehen: „Nonnen“ finde ich viel interessanter. Allzu gerne würde ich mich (nur den absolut unkatholischsten von katholischen) Nonnen anpassen & hingeben wollen! Wenn diese denn mögen, wohl bemerkt. Der Grund für diese Überlegung ist ganz einfach: Auf einem der vielen Bücherstapel in meinem Atelier habe ich das Buch „Denn ich bin nichts, wenn ich nicht lästern darf“ von Robert Hughes wieder entdeckt. Es lag unter der Zeitung DIE WELT, die die Headline trug: Wer war der Mann, der Jesus zum Tode verurteilte? Ich lege die Zeitung zur Seite, schlage stattdessen lieber eine Seite in dem Taschenbuch auf und lese etwas über den Maler Julian Schnabel.

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„Man sieht an seinen Gemälden immer das, was er zuletzt gesehen hat“, schreibt Hughes über Schnabel. Oje, denke ich, das ist ja wie bei mir! Was habe ich doch für ein ungeheures Glück, dass Robert Hughes nie die Chance oder das zweifelhafte Vergnügen hatte, über mich zu schreiben. Ich wäre sicherlich gestorben. Vor Scham! Schnabel sei ein eklektischer Künstler, stellt Hughes scharfsinnig fest. Dann wäre ich das wohl auch. Und noch dazu ein barocker Minimalist. Mit dem Hang sich wildfremden Nonnen anzupassen. Oder hinzugeben. Je nach Gelegenheit.

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Wer sollte mich als Künstler ernsthaft sammeln wollen? Naja, vielleicht passiert in nächster Zukunft noch was. Soll ja bekanntlich alles möglich sein, denn „urplötzlich beschlossen erst zig und dann Hunderte der Neureichen (Börsengewinnler, Immobilienspekulanten, Soap-Opera-Produzenten, Agenten, Werbeleute und alle möglichen wichtigen Leute, deren Unsicherheit in kulturellen Fragen nur noch von ihrer beruflichen Eitelkeit übertroffen wurde), dass sie, da ihnen ja alles zustand und das sofort, nun auch bedeutende Kunstsammler werden wollten.“ Und DAS (!!!) ist genau der Grund, warum ich nicht verkaufen möchte, denke ich.

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Vor allem nicht an Neureiche. Bei Altreichen bin ich mir nicht immer so sicher. Bei denen hemmt mich aber meist ihre lateinische Bildung („De Bello Gallico“ von Gaius Iulius Caesar im Original lesen, nur im Original, ohne Übersetzung!). Nun ja… bedeutende Kunstsammler, schreibt Robert Hughes, kaufen alle „im Grunde die selben Bilder der selben Maler“ – „ein Herdentrieb, der die Monotonie erklärt, zu der man verdammt ist, wenn man… von einer neuen Sammlung zur anderen geht.“  Unbedeutende Kunstsammler kaufen dagegen kreuz und quer. Und weil ich genau so arbeite, wäre es doch schön, wenn wenigstens unbedeutende Kunstsammler mich sammeln würden. Und dann, am besten: nur mich! Denn „kreuz und quer“ bin ich schon ganz alleine.

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Robert Hughes wirft Julian Schnabel „Bildergeschmiere“ vor. So ein Urteil, ob nun aus Gefälligkeit oder Gehässigkeit, würde mich hart treffen. Ich bin schließlich kein so herzloses Genie wie Pablo Picasso. Diese Erklärung musste jetzt sein. Denn sonst wäre die Überschrift zu diesem Beitrag völlig ohne Sinn und Verstand gewählt. So hat man wenigstens ein bisschen das Gefühl, ich könnte die Sache hier noch auf den Punkt bringen. Aber…: Nö! Schaff ich nicht.

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Und warum? Nun, nur so zum Beispiel, Max Beckmann hat sich stets jegliche Erklärungen zur Kunst verbeten! Keine Erklärungen! Nichts. Malerei vertrüge einfach keine Worte, so Beckmann. Okay. Wie er meint. Das muss er letztendlich selber glauben. Aber ich bin Max Beckmann gegenüber immer sehr skeptisch geblieben. „Wenn schon so explizite Gemälde wie“ (Selbstbildnis im Smoking von Max Beckmann) „sich derart schwer lesen lassen,“ schreibt Hughes, „so können seine allegorischeren Bilder… so unergründlich sein wie die von Hieronymus Bosch. Was soll man von diesen Clowns und Fischen und blinden Ödipus-Figuren, eingesperrten Frauen und verstümmelten Statuen, flittchenhaften Zigarettenmädchen oder griechischen Henkern halten?“ Ich weiß es doch auch nicht.

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Sehen Sie, was ich meine? Beckmann hat einfach zu wenig zu seinen Bilder gesagt! Was für ein Glück also, dass dies hier mein BLOG ist. Da hat man doch wenigstens was zum Lesen. Manch einer wird das für banal halten. Seien Sie jedoch versichert: Überlegungen sind banal! Gelegentlich ergänzt man sogar noch, das das Banale ein notwendiges Gepäck sei. Vor allem am Anfang einer Reise. Dafür kann nun aber niemand wirklich gescholten werden. Denn nur „wer eine neue Sekte oder eine unvernünftige Religion einführt, wer einen Tumult erregt und das Volk verhetzt, wird, je nach Personenstand, gekreuzigt, den Zirkusbestien vorgeworfen oder auf eine Insel verbannt.“ Soll Pontius Pilatus gesagt haben. Darüber finde ich allerdings nichts bei Robert Hughes. Dann war Pontius Pilates wohl auch nicht so eloquent auf dem – ach so – bedeutenden Kunstmarkt unterwegs, wie angenommen. Und er interessiert mich aus diesem Grund auch nicht weiter… Punkt

PontiusPicasso

Nochmal: Man sieht an den Gemälden von Julian Schnabel immer das, was er zuletzt gesehen hatUnd bei meinen Bildern sieht & liest man immer, wie ich gerade so drauf bin.