Wiederbelieben

„Ist es möglich! Stern der Sterne, Drück ich wieder dich ans Herz! Ach, was ist die Nacht der Ferne / Für ein Abgrund, für ein Schmerz. Ja, du bist es! meiner Freuden / Süßer, lieber Widerpart; Eingedenk vergangner Leiden, Schaudr ich vor der Gegenwart. Als die Welt im tiefsten Grunde / Lag an Gottes ewger Brust, Ordnet‘ er die erste Stunde / Mit erhabner Schöpfungslust, Und er sprach das Wort: Es werde! Da erklang ein schmerzlich Ach! Als das All mit / Machtgebärde / In die Wirklichkeiten brach. Auf tat sich das Licht: so trennte / Scheu sich Finsternis von ihm, Und sogleich die Elemente / Scheidend auseinanderfliehn. Rasch, in wilden, wüsten Träumen / Jedes nach der Weite rang, Starr, in ungemeßnen Räumen, Ohne Sehnsucht, ohne Klang. Stumm war alles, still und öde, Einsam Gott zum ersten Mal! Da erschuf er Morgenröte, Die erbarmte sich der Qual; Sie entwickelte dem Trüben / Ein erklingend Farbenspiel, Und nun konnte wieder lieben, Was erst auseinanderfiel. Und mit eiligem Bestreben / Sucht sich, was sich angehört, Und zu ungemeßnem Leben / Ist Gefühl und Blick gekehrt. Sei’s Ergreifen, sei es Raffen, Wenn es nur sich faßt und hält! Allah braucht nicht mehr zu schaffen, Wir erschaffen seine Welt. So, mit morgenroten Flügeln, Riß es mich an deinen Mund, Und die Nacht mit tausend Siegeln Kräftigt sternenhell den Bund. Beide sind wir auf der Erde / Musterhaft in Freud und Qual, Und ein zweites Wort: Es werde! Trennt uns nicht zum zweitenmal.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

(Siehe hierzu auch nochmal die Artikel vom 14. und 15. Mai 2014. Als auch den Artikel vom 20. Mai 2014)