Zwei Menschen, Mann und Weib, ineinander aufgelöst zu einer Einheit

„Gnädigste, es erfüllt mich mit allergrößter Freude, dass Sie es mir erlauben in Ihnen ein Weib zu sehen. Sie haben recht, wenn Sie feststellen, das Wort WEIB, wenn es mit Feder oder Pinsel geschrieben oder gezeichnet wird, wahre Körperlichkeit beinhaltet. Allein der Buchstabe W hat geschrieben/gezeichnet etwas sinnlich Rauschhaftes, etwas Barockes an sich. Er hat etwas von „gefühlter Wahrheit“  an sich. Etwas, was dem skeletthaften F auf ewig verlustig gehen wird. In einem einzigen W, dies darf ich Ihnen gestehen, weil Sie es allzu gut verstehen und goutieren, ist für mich meine ganze Weiberliebhaberei schon skizziert. Liebreizende Brüste. Mächtige Hinterwangen. Ach, diese Weiberliebhaberei lässt mein Herz erglühen. Ein Glühen, das Sie, meine Gnädigste, auszulösen vermögen, mit jeder Ihrer kleinsten Gesten. Ich möchte es also unterstreichen: für mich ist die Weiberliebhaberei wirklich jeder Fraubasenbedenklichkeit vorzuziehen.“

Gibt es eigentlich noch irgendwo den Beruf des Schreibers? Einen Menschen, der unter anderem und im Besonderem Liebesbriefe für die verfasst, die so etwas nicht können. Aus Schüchternheit. Aus Wortmangel. Weil sie keinen wirklich Grund dafür in ihrem Leben sehen oder haben. Ich will mein Licht hier nicht unter den Scheffel stellen, ich male Bilder auch manchmal nur für mich selbst. Gleichzeitig fertige ich aber Bilder an für jene, die meine Gabe in Anspruch nehmen wollen und meine Bilder betrachten, als wären es die ihren. Als wären es Liebesbriefe, die ein Herz zum Entflammen bringen können. Ein schöner Gedanke.

„Sehen Sie zu, dass Sie etwas in der Art finden, wie Menschen kopieren.“  – „Ja.“  – „Das wird Ihnen gut gelingen.“  – „Ja“ (antwortet Mr. Gwyn in Allessandro Bariccos gleichnamigen Roman) Ein ebenso schöner Gedanke. Und in der Tat, ich habe tatsächlich schon oft Menschen kopiert. Habe ihre Existenz verdoppelt, verdreifacht, vervielfacht. Dabei ist eine Kopie bei mir keine Kopie von einer Kopie. Dies wäre keine passende Umschreibung für meine Tätigkeit. Vielmehr mache ich eine Variation, eine Improvisation von der Kopie einer Kopie. Solange, bis mir eine bessere Beschreibung in den Sinn kommt. Oder ein Bild, das es zu kopieren gilt, ohne das es dem Vorher nachher gleicht. Nein, kein Bild ist endgültig. Weil es stets in einem bestimmten Gemütszustand angefertigt wird, der sich von Minute zu Minute verändert. Und das Bild sogleich mit ihm. Und immer so fort. Oft denke ich, mein Schreiben und meine Malerei gleichen einem Mann und einem Weib, ineinander aufgelöst zu einer Einheit.