„Mehr Margaritas für den Meister!“

„Ich bin Doktor, kein Künstler! Ich habe keine Zeit für solchen Unsinn.“ Böse Wahrheiten nun also auch im Vorabendprogramm, genauer gesagt: auf dem „Raumschiff Voyager.“ Was mir besonders arg ins eigene Gemütskontor der Seele schlägt, ist die allzu plötzliche Prophezeiung, dass es in der Zukunft wohl nicht besser werden wird mit dem/meinem Image als Künstler (in dieser Gesellschaft).

Ein Künstler ist und bleibt ein Neelix! Doch was ist so falsch daran ein Neelix zu sein? Neelix kann kochen. Ein Sehr-viel-Sterne-Jamie-Oliver sozusagen! Also…? Was soll falsch daran sein? Nur weil das Vorabendprogramm diese böswillige Unterstellung herausposaunt? Kann doch ausschließlich aus dramaturgischen Gründen geschehen sein. Kennt man doch… man behauptet alle Männer seien doof, meint aber nur den einen Freund, diesen Nerd, der „Raumschiff Voyager“ für eine Menschheitsmetapher hält…   Wenn der Doktor die Künstler verallgemeinernd als unsinnige Gesellen hinstellt, so meint er vielleicht nur einen bestimmten… Und alle anderen Künstler sind fein raus. Uff, noch mal Glück gehabt. Als ob Künstler, wahre Künstler, Unsinn produzieren würden, wollten, könnten. Schabernack ist großer, edler Kunst fremd. Ehrlich. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Doch aufgepasst jetzt: Der Film geht weiter… Begleitet von verschiedenen Gehilfen erscheint eines Tages auf dem „Raumschiff Voyager“ ein Possenreißer und zertrümmert lächelnd eine Porzellanschüssel aus einem längst vergangenen Kaiserreich. Bald darauf erscheint der heimliche Titelheld der Serie, ein ehemaliger Schriftsteller von etwa 38 Jahren, der seinen Namen vergessen hat und sich nach dem Kosenamen, den seine frühere Geliebte für ihn hatte, nur der „Meister“ nennt. Der „Meister“ begegnet schon länger bekannten Insassen eines Irrenhauses, die aufgrund der Unglaubwürdigkeit von Erlebnissen mit den Teufeln der Szene („Da draußen!“) dorthin kamen. Einer malt Hakenkreuze auf Wagnerportraits oder Fotografien von Silvio Berlusconi. In der Zelle daneben sitzt einer, der davon träumt mit einem geladenen Revolver in eine Menschmenge zu treten und um sich zu schießen, um Kunst zu machen. „Finale Erlebnisse“ nennt er das Happening.

Ein anderer Insasse von Guantanamo-Cotham-Asylum erzählt stolz, er habe Embryos einbetoniert. Und ausgestellt. Einer dieser Klötze sei dann der Grundstein für eine neue Investmentbank geworden. Oder war es eine Galerie? „Ich habe öffentlich mit einem Kruzifix masturbiert,“ kreischt eine Stimme aus dem Hintergrund. „Und ich habe aufgrund des Welthungers in den Hof geschissen!“, lautet eine ebenso schrille andere Botschaft. „Kinderpornofotos zu Teppichmotiven benutzt und geknüpft. In Billiglohnländern, von Kinderhand, für die Aufsichtsetagen dieser Welt!“

„Ihr seid doch alles Spinner!“, denkt einer und fertigt in seiner Zelle kleine Aquarelle an. Landschaften für ein tausendjähriges Reich, hingetupft mit plumpem Pinselstrich. Der Meister erzählt ihnen allen sein Leben: Er hat er an einem Roman über Pontius Pilatus geschrieben. In sein Leben trat dann eine verheiratete Frau, Margarita, die seine große Liebe wurde. Als der Roman fertig war, fand sich jedoch kein Verleger, der bereit war, ihn zu drucken. Der Meister verfiel in Wahnsinn und ging dann freiwillig in diese psychiatrische Klinik. Seine Geliebte hat er seither nicht wieder getroffen!  …

Durch die mintgrünen Gänge der Irrenanstalt fährt eine alte Dame ein Cocktailwägelchen. Sie nennt es ihre „Salatbar.“ „Die drei flüssigen Zutaten mit Eis in den Shaker geben und shaken,“ flüstert er ständig vor sich hin… „In eine Cocktailschale mit Salzrand abseihen. Für den Salzrand den Rand der Cocktailschale mit einem Zitronenschnitz anfeuchten.“ Dann kichert sie auf. „Das Glas auf einem mit Salz bestreuten Teller drehen, etwas trocknen lassen. Kurze Trinkhalme bereithalten. Als Deko eignet sich eine Limonen- oder Zitronenscheibe. Einschneiden und an den Glasrand stecken. Tipp: Wer Cointreau im Haus hat, kann ihn statt Triple Sec verwenden. Ist dann eben nicht ganz… (Sie überlegt eine kleine Weile)… originell. Aber wer von uns ist schon originell?“ Auf einem Tischchen im Flur eine aktuelle Ausgabe des ROLLING STONE Magazin. Der Wachoffizier, der an diesem schmucklosen Tischchen hockt, hört laute Musik. Heavy… richtig heavy. Und laut… richtig laut. Damit man die Schreie aus den Zellen nicht so hört. Er gibt der vorbeischlürfenden alten Dame ein Zeichen… 2 cl Zitronensaft oder Limonensaft; 3 cl Triple Sec; 5 cl Tequila, weiß; Eis und Salz.

“ Noch mehr Margaritas für den Meister… Bitte!“