Der Narr

Er war nicht unbegabt. Die Geisteskräfte genügten für die laufenden Geschäfte. Nur hatt’ er die Marotte, er sei der Papst. Dies sagt’ er oft und gern, für jedermann zum Ärgernis und Spotte, bis sie zuletzt ins Narrenhaus ihn sperrn. Ein guter Freund, der ihn daselbst besuchte, fand ihn höchst aufgeregt. Er fluchte: »Zum Kuckuck, das ist doch zu dumm. Ich soll ein Narr sein und weiß nicht warum.«

»Ja«, sprach der Freund, »so sind die Leute. Man hat an einem Papst genug. Du bist der zweite. Das eben kann man nicht vertragen. Hör zu, ich will dir mal was sagen: Wer schweigt, ist klug.« Der Narr verstummt, als ob er überlege. Der gute Freund ging leise seiner Wege. Und schau, nach vierzehn Tagen grade, da traf er ihn schon auf der Promenade. »Ei«, rief der Freund, »wo kommst du her? Bist du denn jetzt der Papst nicht mehr?« »Freund«, sprach der Narr und lächelt schlau, »Du scheinst zur Neugier sehr geneigt. Das, was wir sind, weiß ich genau. Wir alle haben unsern Sparren, doch sagen tun es nur die Narren. Der Weise schweigt.«

Wilhelm Busch

„Bach spielt Bach“ (Goldberg-Variationen)

Mein Gott, wie schön sie ist… Aria

Var.1 (Polonaise)

Var.2 (Air)

Var.3 Canone all` Unisuono

Var.4 (Passepied)

Var.5 (Polonaise)

Var.6 Canone alla Seconda

Var.7 (Gigue)

Var.8 (Polonaise)

Var.9 Canone alla Terza

Var.10 Fughetta (Gavotte)

Var.11 (Gigue?)

Var.12 Canone alla Quarta

Var.13 (Sarabande)

Var.14 (Polonaise)

Var.15 Canone alla Quinta

Var.16 Ouverture

Var.17 (Polonaise)

Var.18 Canone alla Sesta

Var.19 (Polonaise?)

Var.20 (Polonaise)

Var.21 Canone alla Settima

Var.22 (Gavotte)

Var.23 (Polonaise)

Var.24 Canone all`Ottava

Var.25 (Sarabande)

Var.26 (Polonaise)

Var.27 Canone alla Nona

Var.28 (Polonaise)

Var.29 (Polonaise)

Var.30 Quodlibet

Aria da Capo

Dein flüchtigster Blick wird
 mich aufschließen 
obwohl ich mich schloss wie 
Finger einer Hand,
 öffnest du mich, Blütenblatt 
um Blütenblatt.
 Wie der Frühling
 seine erste Rose öffnet.
 Ich weiß nicht, was es ist an dir
 das schließt und öffnet,
 aber etwas in mir versteht.
Die Stimme deiner Augen ist tiefer 
als alle Rosen.
 Niemand, nicht einmal der Regen
hat so feine Hände (E.E. Cummings) *

* (Die Goldberg-Variationen, vielmehr meine Goldberg-Variationen sind ein Projekt, das ich vor etlichen Jahren begonnen habe. Parallel zu den Arbeiten an der Werkgruppe der „Flüsterlaute“ entstanden die „Skizzen“, die hier auf dem BLOG zu sehen sind. Sie sollten das Ausgangsmaterial sein für spätere (größere) Arbeiten meiner Goldberg-Variationen. Zurzeit ruht das Projekt. Ich überlege aber, ob ich nicht doch weiter an den Variationen feilen sollte.)

Veröffentlicht unter Kunst

Alltag oder nicht Alltag, das ist hier die Frage…

Outsider verfügen über Eigenschaften, die im normalen Leben/Alltag womöglich Probleme bereiten. 2008 erhängte sich David Foster Wallace. Er war 46 Jahre alt. „In der nächsten, absehbaren, aber noch weit verstörenderen Phase der Welle des Orientierungsverlusts hatte ich die Erscheinung eines seltsamen, statischen, halluzinatorischen Tableaus, eine geistige >Einstellung<, >Szene<, Fata Morgana oder >Vision< eines klingenden öffentlichen Telefons in einer Reihe von öffentlichen Telefonen in einem Flughafen oder auf einem Pendlerbahnhof.“ (David Foster Wallace) Mein Vater sah gestern Adlernester vor sich (>Horst< fiel ihm als Fachbegriff nicht mehr ein)… Wie geagt: Drei Adlernester sah er deutlich vor sich liegen! Das mittlere, soviel glaubte ich zu verstehen, war allerdings leer. Wenig später sah mein Vater den Adler (in persona eines ebenfalls verwirrten(?) Mannes in schlampigem Jogginganzug) vor sich stehen. „Ist das der Herr Adler?“, fragte ich leise. Mein Vater blickte mich an, so als ob ich völlig bescheuert wäre! Dann aber lächelte mein Vater (vielleicht etwas traurig-nachsichtig); er war mir trotz meiner Borniertheit nicht böse .

Provokation durch Tradition (Variationen)

Kunst bedeutet auch Zorn. Und Zorn ist ein blockierter Wunsch. Ein sehnlicher Wunsch etwas wild um sich zu werfen…

Nachdenklich kratze ich diese Überlegungen in eine Tischplatte aus Mahagoni. Dann geht mein Blick hinüber zur Wand. Dort hängt ein Gemälde. Mit einer Mickey Mouse als Motiv.

Aber meine Gäste scheint dies überhaupt nicht zu interessieren. Diese Mickey Mouse, sie scheint böse zu grinsen!  „Die Nacktbilder, meine Lieben,“ sinniere ich belustigt, „liegen bei mir auf dem Kaminsims. Im Nebenzimmer.“ Ja, meine Kaminsimse haben es wirklich in sich! Oder auf sich…

… „Wie ihr wollt.“  Wirkte ich etwa irgendwie erschüttert, als man die Nacktbilder, es war vor geraumer Zeit während einer never-ending-Party, dort auf dem Kaminsims entdeckte?

… Und man mir natürlich flugs eine fehlende Kaminsims-Etikette vorwarf? Ach, nein, ich war es nicht! „Fotos von strunz-blöden Sehenswürdigkeiten, die man auf Reisen sich genötigt sieht zu knipsen, sie sind nicht mein Metier. Wirklich nicht.“ So lautete meine halbherzige Entschuldigung. „Dann doch lieber Nacktbilder!“  Die sind mir wirklich lieber!

Lieber, als zum ungezählten Mal ein Foto des Eifelturms. Wer will so etwas noch sehen?:

Ein entblößter Busen dagegen?

„Nacktbilder unter einer Mickeymaus. Du Schuft! Ehrlich, wir sagen so etwas nicht zum Spaß.“ (Das tun Kritiker nie! Etwas aus Spaß.) „Dabei ist es wirklich nicht so, dass es sonst nicht zu tun und zu besprechen gegeben hätte: Philip Seymour Hoffman ist tot. Und auf Twitter gibt es einen Stau. Man kommt einfach nicht mehr hinterher.“

Tja… so ist es: niemand kommt hinterher. Niemand. Nie. Wen zeigten diese (Nackt-) Bilder eigentlich? Anima, die große Seele? Oder zeigten sie Carola?

Eine Lisa? Anna? Vielleicht Susanne? Sollte ich etwas zu sehen sein? „Wie… Ich!!!!!!??“

Wer war es aber dann, der sich so abbilden ließ? Wer?! Nur soviel: Fragliche Person hatte sich aufs Bett gelegt und gesagt: „Mach mit mir, was immer du willst!“

Zeigten die Bilder nun also das Vorspiel? Oder die Inszenierung?

„Für mich ist die Schauspielerei eine Quälerei, weil ich weiß, was für eine wunderbare Sache sie ist.“ Ein Zitat von Philip Seymour Hoffman. Nachdem sie dies, auf der Seite liegend, zu mir gesagt hatte, legte sie sich auf den Rücken. Sie blickte zur Decke, schloss die Augen. Sie breitete ihre Arme aus… und ich saß da.

Ich saß einfach da. Und ließ peinlicherweise nur den Intellektuellen raushängen, in dem ich zu ihr sagte: „Es gibt Niveacreme, Kelloggs Cornflakes, und es gibt Philip Roth. Nivea ist die sanfte Creme, Kelloggs Cornflakes sind knackig, knusprig, nussig, und Philip Roth ist der, der mit einem Stück Leber onaniert.“ Mit dem sicheren Gefühl etwas sehr spitzfindiges gesagt zu haben, schaute ich auf die Frau. Und grübelte zugleich ein kleinwenig über die Flüchtigkeit jenes Spiels, über seine Momenthaftigkeit.

Die Frau lächelte mich an. O, es war wie das Lächeln der Medusa! Oder das eisige Lächeln eines Dienstmädchens, dass viel zu wenig Trinkgeld bekam. Dabei wollte ich doch wirklich nur spielen… so, wie sie so dalag…

… ihre weiße Haut(schicht), eine Szene, eine wunderbare Szene, ich erkannte ihre Schönheit, erkenne sie immer wieder… ein wesentlicher Grund, warum ich spiele… ihre Schönheit… ich wollte sie:

Steile Landehügel, weiche Hautschichten, rückwärts gedrehte Haarstränge, Geschlechter, die sich Hoffnung machen… Jetzt erst fiel mir auf, dass sich an meinen Fenstern überhaupt keine Vorhänge befanden. Nicht im Wohnzimmer. Nicht im Schlafzimmer. Nicht im Kaminzimmer. Nirgends Vorhänge. Über dem Kamin hing damals (wie heute übrigens immer noch) ein Foto mit… „Schon wieder eine Mickey Mouse!“

Merkwürdig. Einige meiner Möbel sind inzwischen in einer Ecke des Kaminzimmers zusammengestellt, wie zum Verkauf. Ich spüre eine seltsame Leere. Vor den Fenstern: ein Kirschgarten, in dem gerade eine mir völlig unbekannte Frau Flamenco tanzt.

Alles ist sehr merkwürdig…

(Ich denke, es wird ein Traum sein. Ich befürchte, es wir ein Traum bleiben.)