Rauschhafte Botschaft

Ich habe mich bedacht, dass schönste Tage / Nur jene heißen dürfen, da wir redend / Die Landschaft uns vor Augen in ein Reich / Der Seele wandelten, schreibt mir mein Freund Hugo von Hofmannsthal. Tief berührt lese ich seine Zeilen. Dann kümmere ich mich, an meinem Schreibtisch sitzend, um etwas Altbekanntes, was ich mit Neuem vermählen möchte. Vergangenes und Gegenwärtiges verschmelzen vor meinen inneren Augen zu etwas Zukünftigem. Analoges redet sinnlich mit digitalem Atem zu mir.

Quo Vadis?

Der sommersprossige Beamte vom „Quarantänevollzugsdienst“, mein ganz persönlicher „Schließer“, fragte mich heute, wie beiläufig, als er die Zellentür für mich geöffnet hatte, so als hätte er sich überhaupt nichts bei der Frage gedacht: „Wohin gehst du?“ Sofort war ich versucht zu antworten: „Wohin ich gehe, dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen. Du wirst mir aber später folgen.“ Doch diese Retourphrase hätte viel zu arrogant geklungen. Warum sollte ich diese freundliche, liebevolle Frage mit intellektuellen Spielereien demütigen? Der Beamte lächelte mich warmherzig an und sah sich dann in meiner Zelle um. Er betrachtete die unzähligen Zeichnungen, Skizzen, Textfragmente, die meine Zellenwände dekorierten. Meine Bilder, sagte der Mann sehr langsam und zögerlich, so als tastete er sich bei seiner Wortwahl vorsichtig vor, sie wirkten auf ihn, hier zögerte er kurz, und fügte dann als Quintessenz all seiner innerlichen Überlegungen ein leises „lyrisch“ hinzu. Meine Bilder würden in seinen Augen und Ohren von unerhörten Geschichten erzählen. Sie würden von unerzählbaren Geschichten träumen!, ergänzte er. Und lächelte mit dem sichtbaren Stolz der Erkenntnis.

„Ach, wäre es bloss so einfach,“ dachte ich bei mir. Lächelte jedoch dankend zurück. „So einfach? Einfach so, weil es Raubtiere gibt, die Nachts an Quellen nah bei den Städten trinken, weil der Jasminduft sich an einem Sommerabend über die Schande des Verräters legt, eine Frau mit den Totengräbern ihres Sohnes schlafen will; Söldner tanzen nach dem Massaker, sie haben die Kleider von jungen Mädchen übergestreift… Und in der Nacht die Zahlenhierarchie, die den Tod der Sterne lenkt. Wäre es doch bloss so einfach. Einfach so. Nein, es ist kompliziert. Mit der Kunst.“