Die Freude des Künstlers

Die Ersatzbefriedigungen, wie die Kunst sie bietet, sind gegen die Realität Illusionen, darum nicht minder psychisch wirksam dank der Rolle, die die Phantasie im Seelenleben behauptet hat. Die Rauschmittel beeinflussen unser Körperliches… (Zitiert aus „Das Unbehagen in der Kultur“ von Sigmund Freud.)

Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer

Und man darf wohl aufseufzen bei der Erkenntnis, daß es einzelnen Menschen gegeben ist, aus dem Wirbel der eigenen Gefühle die tiefsten Einsichten doch mühelos hervorzuholen… Irgendwie steckt die Angst hinter allen Symptomen, aber bald nimmt sie lärmend das Bewusstsein ganz für sich in Anspruch, bald verbirgt sie sich vollkommen, daß wir genötigt sind, von unbewusster Angst – oder wenn wir ein reineres psychologisches Gewissen haben wollen, da ja die Angst zunächst nur eine Empfindung ist – von Angstmöglichkeiten zu reden. (Zitiert aus „Das Unbehagen in der Kultur“ von Sigmund Freud.)

Goya, Kominsky, Anima & ich.

Gaukler küssen meine Stirn

„Les Saltimbanques“ (… zu deutsch „Die Gaukler“ oder auch „Die Gauklerfamilie“ ); dieses Bild wirkt wie eine kleine Zusammenfassung von Themen und Charakteren, denen ich in den letzten Jahren meine Aufmerksamkeit gewidmet habe… „in Ländern, die ich nie geschaut.“ (Emily Dickinson). Unreife Künstler mögen entlehnen, ich meine, dass reife Künstler stehlen, kopieren, übernehmen, imitieren und zitieren. Und „zitieren“ bedeutet hier, Originale betrachtet, sie gehört, sie gelesen zu haben. „Das Seltsame ist ja, dass sogar Bücher, an die wir uns nicht mehr bewusst erinnern können, Teil von uns sind und wie eine vergessene Melodie plötzlich wiederkehren können.“ (Siri Hustvedt; „Leben, Denken, Schauen„)

„Der behexte Stallknecht“

Das folgende Blatt zählt sicherlich zu einem den rätselhaftesten Werken unseres Künstlers. Es handelt sich hierbei um einen übermalten Holzschnitt, der gerne als „Der behexte Stallknecht“ betitelt wird. Die Szene drängt sich den Betrachtenden in ihrer ungewöhnlich starken Verkürzung geradezu auf: Ein Stallknecht (oder ein „Atelierknecht“?) liegt rücklings am Boden. Striegel und Heugabel sind ihm aus den Händen gefallen. Es bleibt offen, ob er lediglich das Bewusstsein verloren hat, er vielleicht träumt oder ob er gar tot ist. Über ihm steht eine scheinbar weibliche Figur. Rechts beugt sich eine Hexe mit einer Fackel durch die Fensteröffnung in den Raum. Wurde der Knecht von der angedeuteten Figur überwältigt oder ist er gar ein Opfer von Hexerei, also von erotischer Träumerei? Die Frage lässt sich nicht beantworten. Überraschend sind zudem die Hinweise auf den Künstler selbst: Das Täfelchen mit dem Monogramm „D.B.4.9.2020“ ist rechts unterhalb des Liegenden prominent platziert. Ein weiterer Hinweis auf einen anderen Künstler findet sich jedoch an der Wand. Zu erkennen ist das Wappen der Familie Baldung (Hans Baldung Grien war ein deutscher Maler, Zeichner und Kupferstecher zur Zeit Albrecht Dürers) – ein Einhorn, das symbolisch für Keuschheit und Jungfräulichkeit steht, und hier seitenverkehrt wiedergegeben ist, als wende es sich der weiblichen Figur zu.

Das obige Bild wirft selbstverständlich Fragen auf, die sich nur schwer beantworten lassen. Die Vorschläge für eine Deutung der Arbeit gehen im Wesentlichen in zwei Richtungen: Zum einen hat man sich auf die Suche nach textlichen Quellen begeben und ist dabei auf die Sage des „Ritter Hagenbuch und das Ärzte-Team Löchel-Pietsch und Zehetbauer / Bekannt geworden durch die Triptychon-Therapie im Rondo-Verfahren / Intensivstation dann Offensivstation dann Defensivstation / Und dann wieder Intensivstation“ gestoßen, die zahlreiche interessante Parallelen zu unseren obigen Darstellung aufweisen. Zum anderen wurde das Blatt des „verhexten Stallknechts“ als ein Selbstzeugnis des Künstlers Baldung (= Bach?), als „Todestraum“, gedeutet. Fraglos scheint lediglich, dass wir es mit der Darstellung eines Menschen zu tun haben, der übermächtigen Gewalten ausgesetzt ist.

Bach selber, in dessen Sammlung das Blatt sich befindet, äußert sich nur mit einem Zitat von Hanns Dieter Hüsch: Ich widme / Dieses Stück / Allen Erwachsenen / Die plötzlich aussehen / Wie Kinder / Die sich noch mit nichts befasst / Aber alles verstanden haben.

 

 

Räumliche Nähe ist zeitliche Nähe

Erinnerungen eingeschrumpft zwischen Gesten die nicht mehr richtig schienen. Das Skelett von einer Tasche in einen neuen Frühling hinübergetragen. In einen Garten wo ich es niederlegte und den Vorhang des Himmels zur Seite schob. Hoffnung prasselte hernieder. Glücklich bemerkte ich wie alles zu blühen begann.

Augen schweigen nicht

Von Gestalten zu künden, die in neue Körper verwandelt wurden, treibt mich der Geist. Ihr Götter – habt ihr doch jene Verwandlungen bewirkt –, beflügelt mein Beginnen und führt meine Dichtung ununterbrochen vom allerersten Ursprung der Welt bis zu meiner Zeit!

(Ovid, „Die Metamorphosen“.)