Über meine Welt hin ziehn Wolken voller Wörter

Was wird am Universum durch Bezeichnungen oder Beschreibungen wirklich für uns fassbar? Seit Tausendundeiner Nacht und Tag gibt es das Bild-Geschlecht und das Wort-Geschlecht. Es gab einst auch das aus beiden zusammengesetzte Geschlecht der Kunst…

Die Neurowissenschaft behauptet, das der Mensch über visuelle Eindrücke nur dann nachzudenken vermag, wenn er diese visuellen Erlebnisse in Worte umwandelt. Gerne würde ich hier nicht von Umwandlung sprechen, sonder eher von einer Übersetzung. Bild und Wort stellen für mich von jeher eigenständige Sprachen dar, mit ganz eigenen Fragen nach Selbst-, Fremd- und Weltverstehen. Mit beiden Sprachen beschreibe/bezeichne ich ständig meine Wirklichkeit. Oder versuche es zumindest. Das eigentliche Umwandeln=Übersetzen der Bildsprache in eine Wortsprache ist kompliziert, allein schon aufgrund der strukturellen Divergenzen zwischen dem Paar. Die offensichtlichen Unterschiede zwischen Wort und Bild führen doch meist nur zu unverständlichen Formulierungen, wie man sie aus staubtrockenen Katalogvorworten zu irgendeiner Ausstellung von Gemälden kennt. Meine Übersetzungspraxis ist daher eher eine Verständnispraxis. Bild und Wort bleiben ihr Leben lang differenziert, rücken aber durch ihr aktives (Ein-)Wirken auf meine Wirklichkeit sehr eng zusammen. Worte und Bilder wollen mir einen Weg in den Himmel bahnen. Es geht das Gerücht, das vor Urzeiten beide zusammen eine Gestalt besaßen, aber dann in zwei Hälften zerschnitten wurden. Seitdem beschreiten beide Teile getrennt voneinander ihre/meine Wege…

Rendezvous mit der Zeit

„Künstlertum bedeutet warten lernen.“

„Auf was warten?“

„Auf dieses »Jetzt«.“                                                                                                                                                (Eines meiner aktuellen Werke trifft auf einige Zeilen aus Mutters alten Poesiealbum. Und sie überbrücken gemeinsam die Zeit.)

Sinn-Lichtkeit

Kunstwerke, Kunstworte. Was kommt zur Sprache? Kommt Sprache zum Bild, wie die Jungfrau zum Kinde? Jede Sprache ist ein Vielfaches, sie ist Wort, wie auch Bild. In Wörtern und Bildern (zugleich) liegt ein Reichtum an Weltdeutungen verborgen. Wort und Bild können uns auf verschiedene Weise mit der inneren und äußeren Welt vertraut machen. Gemeinsam bilden sie für mich dann… Zarte Ranken, / blasse Schatten / … / Lautlos fliegt ein Falter. / Ich wandle wie trunken durch sanftes Licht… (Arno Holz)

Snark sei Dank

Es war, glaube ich, Immanuel Kant, der behauptete, eine strenge Disziplin beschneide dem Genie viel zu schnell die Flügel seiner Kreativität. Famose Überlegung. Ich male ja so undiszipliniert, es hat schon fast wieder etwas soldatisches an sich… Einfach locker und drauf los…

Kant meinte allerdings weiter, dass dem Genie durchaus die Flügel gestutzt werden sollten, um es dadurch auf die unerschöpfliche Bahn des Sinnhaften schicken zu können. Ansonsten würde das Genie nämlich Gefahr laufen Un-Sinn zu produzieren. Quatsch, der alte Senfhersteller, zu viel Philosoph, zu wenig Künstler. Natürlich stutzt das Leben uns ständig die Flügel; aber ich klebe sie mir immer wieder an. Basta. Und drehe damit meine Runden im Atelier. Meine Künstlerarabesken erzeugen ein stetes Angebot an höheren Unsinn und lächerlichem Tiefsinn zugleich:

Dem Snark sei Dank. Wie der berühmte Snark, so vereinigt auch jeder Künstler in sich außergewöhnliche Eigenschaften. Er ist, ähnlich wie der Snark, hilfsbereit beim Anzünden von Lichtern, er hat die Gewohnheit erst am Nachmittag aufzustehen und versteht wenig von Finanz-Wesen. Außerdem liebt er Gedankensprünge auf der Kante eines sich aussprechenden Vulkans. Wer glaubt des Künstlers reine Seele irgendwann einmal gefunden zu haben, in einem seiner Bildern, in seinen Selbstaussagen und -verleugnungen, der wird enttäuscht sein, denn der Künstler ist, wie der Snark auch, ein: boojum

 

Der komische Held als coole Sau

Würden wir hinhören, wenn ein Bild uns seine Wahr- und Wahnheiten zuflüstert, dann könnten wir vernehmen, wie es von seinen Bedürfnissen erzählt. Sein Bedürfnis sei zum Beispiel, so das Bild, ein reines Bedürfnis, das bedurft werden möchte. Bei dieser Bemerkung würde das Bild kurz zu schmunzeln beginnen, weil es mit Sicherheit bemerken könnte, wie sehr wir von solch einer Äußerung eines einzelnen Bildes irritiert wären. Sein Verlangen, würde das Bild weiter hinzufügen, ohne uns aus den Augen zu lassen, wäre ein brennendes, durchdringendes Verlangen, nach dem es ihm verlangt. „Ich agiere,“ könnte das Bild uns zuflüstern, „um das, wofür ich mich selber halte, tief in etwas zu installieren, was ihr so leichtgläubig für euer Herz haltet.“

„Cool“, könnten wir als Resümee staunend von uns geben, wenn wir das Bild wahrhaftig angeblickt und hingehört hätten.

Träum’ ich? Wach’ ich?

Leb’ ich? Bin ich bei Sinnen? O ja, ich sehe es genau, sie spielen ein bestimmtes Spiel. Sie spielen allerdings damit, kein Spiel zu spielen. Zeige ich ihnen, dass ich sie spielen sehe, dann breche ich ihre Regeln. Und dafür werden sie mich bestrafen. Ich sollte ihr verrücktes Spiel, nicht zu sehen, dass ich das Spiel sehe, vielleicht lieber mitspielen? O ja, genau das sollte ich tun; aber wer bin ich denn, dass…? Dieses Spiel nennt sich „Kunst“. Es geht dabei stets um das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit.