Dreams upon a dirty ground

Von Heiner Müller, über George Tabori, hinüber zu Paul McCartneyWalking down the sidewalk on a purple afternoon / I was accosted by a barker playing a simple tune / Upon his flute, toot, toot, toot, toot / A red fine thread was falling down / Upon the dirty ground of London Town…

das ist die Kunst & Spread your little wings and fly away… says Queen.

Gott sei’s getrommelt und gemalt

– Was hast du getan? – Gemalt. – Was hast du gemalt? – Was ich sah.

– Was hast du gesehen? – Menschen. – Was für welche? – Nackte.

Ein Bild muß eine Offenbarung sein, zersprengen soll es die Scham, die uns krank macht. Ich habe die Wahrheit der Möse und des Schwanzes gemalt. Die sind die Mitte, und nicht der Kopf. Ein solches Bild wurde von einem Kaufmann gekauft und hängt jetzt, gekreuzigt, in irgendeinem mörderischen Salon, keine Offenbarung mehr, sondern ein Teil der Tapete. (George Tabori)

O, ich hab nichts gegen Tapeten, sie müssen halt nur ein schweinisches Muster haben.

Trennungsträume

Die Kunst ist nämlich nicht an Siegen interessiert, oder sie hört auf, Kunst zu sein. Das ist die Agonie des Erfolgs…

Kunst ist nicht verlautbar, bleibt im Hals stecken, ist, sozusagen, zum Kotzen. (George Tabori. Aus: „Betrachtungen über das Feigenblatt“)

Wie wahr, wie wahr, ich reiße das Feigenblatt herunter, erfreue mich an der Blöße des Freigelegten, und wandel weiter in meinen Träumen: Wie, wenn die Sonne hinter dem Monde hervor eine zauberhafte Dämmerung in einer düstern-schönen Eklipse auf die Halbscheid meines Lebens schüttet.

Wenn ich mich täusche, dann bin ich.

Was mich seit Jahren umhertreibt, das ist die Suche nach etwas, was es vielleicht gar nicht geben kann. Was es nie gegeben hat? Solch ein Zweifeln unterscheidet den Künstler vom schnörkellosen Macher. Kunst ist eventuell jenes Stückchen Lehm, dass auf meinen Atemhauch wartet; vielleicht nur eine verschmähte Pappe, die mir aufzeigen kann, was meine Träume bedeuten könnten.

Über die Neigung die Realität neu zu gestalten

Unsere Kunstauffassungen haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Damit sind, in meinen Augen, allerdings nur die unterschiedlichen Einfassungen der jeweiligen Spiegel gemeint, durch den die Betrachter ins Wunderland der Kunst oder der Träume zu treten vermögen. Es gibt Barockrahmen, Jugendstilrahmen, Spiegel mit Rahmen im Art Deco Stil oder Kinderzimmer-Spiegel von Edelstahl umrankt in Form eines Kaninchens. Manchmal erscheint uns ein Spiegel blind, wenn er längere Zeit zu starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Oder der normale Alterungsprozess kann zu solch blinden Stellen führen.

Aber der Spiegel bleibt immer das Nichts als Widerstand für Alles. Er bleibt die Demarkationslinie zwischen angenommener Wirklichkeit und wirklicher Angenommenheit. Wir lassen den Makel der Abbildung hinter uns, wenn wir durch ihn hindurch auf eine andere Seite treten. Wer jedoch mit analytischen Blick am erdenschweren Material festhält, an Öl auf Leinwand, an Acryl auf Pappen, der wird nie eine Welt betreten, in der Bienen in einem Löwenskelett ihren Bienenstock errichtet haben. Derjenige, welcher den Honig in dieser Welt mit der bloßen Hand begreift, beginnt mit den Augen eines Künstlers zu sehen.

Damals / Heute / Wer ist der Ärmste

»Geld!« rief, »mein edelster Herr!« ein Armer. Der Reiche versetzte: »Lümmel, was gäb ich darum, wär ich so hungrig, als Er!« So schrieb einst der Dramatiker und Lyriker Heinrich von Kleist über das Künstlertum.

Und dieser Text soll antiquiert sein? Als ich vor einiger Zeit bei einer Millionärsgattin zu Gast war, um ihr meine Werke präsentieren zu dürfen, hatte diese es so wunderbar im Geiste von Kleist formuliert, als sie mir erklärte: „Du bist ja auch nur so einer, der darauf wartet, dass Brotkrümel von meinem Tisch fallen.“ Wie gut, dass ich so oft eine Kappe oder (noch besser) einen Hut trage, da darf jeder mal was reinwerfen.