Mein wundersames Groschenroman-Oratorium

Als Oratorium bezeichnet man in der musikalischen Formenlehre bekanntlich die dramatische, mehrteilige Vertonung einer zumeist geistlichen Handlung, verteilt auf mehrere Personen, eine erzählend-dramatische Komposition.

Als barocker Minimalist, als den ich mich selber gerne bezeichne, aber eben auch als Künstler, stehe ich bekanntlich recht allein am Rande und zugleich im Mittelpunkt meines Ateliers, wo ich immer wieder neue Abenteuer (ohne irgendwelche Mitstreiter) zu bestehen habe. Der Groschenroman erlangte mit solch einem Konzept oft Kultstatus. Kritiker sprechen hier allerdings schnell und hochnäsig von „Schundliteratur“. Schund. Unmoralisch. Verderbt. Aber Kunst kann niemals keusch sein, argumentierte schon Picasso. Warum sollte es dann die Literatur sein? Und warum sollte ich mich in meiner Kunst überhaupt irgendwie zurückhalten und nur wertvoll daher kommen? Selbstzensur ist die erste Untugend der Kreativität, finde ich, sie sollte nicht zum Selbstbild eines Künstlers werden. Im Dunkeln ist gut munkeln, auf Pappe gut zu oratieren. Soll heißen: Bach spielt Bach.

Die Wahrheit ist von dieser Welt

Unsere Gesellschaft bewahrt kaum eine Erinnerung daran, daß das entscheidende Kunstwerk, um das man sich bemühen, der entscheidende Bereich, auf den man ästhetische Werte anwenden muss, man selbst, das eigene Leben, die eigene Existenz ist. Der Künstler ist dafür da, um Fenster einzusetzen, wo vorher Wände waren. (Verständnisvoll nicke ich Foucault zu.)

Tunnel of Love

Ob unter Tage oder über Nacht, ich lebe in einem unendlichen Kunsttunnel. Vielleicht werde ich eines Tages ja verrückt aufgrund meines Wunsches nach all den Walzern, die hier so gerne gespielt werden. Aber dies ist das Leben, das ich gewählt habe.

Hier höre ich endlich auf deutsch zu denken. Stattdessen tanze ich lieber deutsch. Es ist gerade dieses Deutschtanzen, das zu nichts anderem taugt, als mein Geblüt zu erhitzen und unmoralische Begierden zu wecken. Die ganze Unterhaltung in meinem „Tunnel of Love“ besteht in einem beständigen Herumdrehen, das einem den eigenen Kopf wirblich macht und zu guter letzt die Sinne beraubt. Auf den Leinwänden, die um mich herum stehen, sehe ich ineinander verknotete Paare, die Schultern bewegungslos.

Oder ich erblicke beleibte Herren, die ihre Partnerin mit festem Griff auf den Bauch geklemmt haben. Emanzipierte Damen, die sich den Herren an die Brust werfen. Ein Künstler, der seine Frau, pausbäckig vor Freude, über und in farbdurchtränkte Untergründe schiebt…

Alles um mich herum torpediert liebevoll lächelnd die Posen eines verlogenen Anstandes. Die verschiedenen wollüstigen Drückungen und das Schwellen des erhitzten Busens erwecken Begierden, die ich je eher je lieber zu befriedigen suche… mit all meiner Kunst.

(Fotos: Bettina Osswald)

Simple Man

I’m… just a simple man / I have to do the simple things / That a simple man… can / You… are holding out your hand / You want to know the simple things / In my simple plan… and / I know there’s so much to share / But what else can I do? / Yes, I’m a simple man!*

(*Klaus Nomi)

A simple plan

It’s such a simple, simple plan: Wenn die Wolken ziehen und die Schiffe segeln, dann muss ich wohl die Ur-Suppe auslöffeln, die ich mir selber eingebrockt habe? O, nein. Denn ich löffel nicht, ich schlürfe meine Kunst…

Nur einmal fing ich an zu schrei’n : „Ich esse keine Suppe! Nein! Nein, meine Suppe ess‘ ich nicht!“ … I hope you understand / It’s so simple… (Struwwelpeter, Klaus Nomi & ich)

La Fiesta

Mich grüßet mancher träge, der einst mich kannte wohl. / Die Welt ist allenthalben der Trübsal übervoll … denn auf der fundamentalen Ebene der Quantengravitation (einer derzeit noch in der Entwicklung befindliche Theorie) ist die Zeit völlig verschwunden.

Nur unter wohldefinierten speziellen Umständen ergibt sich laut obiger Theorie noch ein ungefährer Zeitbegriff, der mit dem Zeitbegriff in der einsteinschen Relativitätstheorie übereinstimmt. Unsere ”Illusion von Zeit“ entstehe durch eine wechselseitige Beziehung mit dem ”Rest des Universums“, heißt es, entsprechend der Lektüre eines Buches, dem Spielen einer Partitur oder beim meditativen Betrachten eines Bildes … es gibt schlicht keine Zeit, kein vorher, kein nachher. Die Frage, was als ”nächstes“ passiert, ist völlig bedeutungslos. Und deshalb gedenk ich an manchen gar wonniglichen Tag, / Zerflossen sind sie alle, wie in das Meer ein Schlag! (Meine derzeit noch in der Entwicklung befindliche Kunsttheorie.)

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Werk, schau!

Mein Werk, schau, was du aus mir gemacht hast. Ich bin aufgestanden und habe mich dann gesetzt, um ein Lied zu schreiben…

… oder ich blieb stehen, nur um für dich zu tanzen. Ich habe einem Gott und den von mir geliebten Wein besungen. Und das in nur einem einzigen Atemzug. In solch einem trunkenen Lied versuche ich auszusprechen, was andere Stimmen um uns herum gerne verschweigen. Derart berauscht, letztlich auch von dir, erhielt ich meine ganz persönliche Stimme… so hoffe ich jedenfalls. Sie wirke, so sagt man, wenn man mir schmeicheln möchte, sehr galant. Vielleicht aber auch zu erotisch. In meinen Augen und Ohren ist sie gemacht für ein zartes Werben. Das Lied hab ich gemacht weiß nicht über wen. Vielleicht stimmt das sogar, vielleicht aber auch nicht. Meine Hingabe (an wen auch immer) geschieht heimlich und bedarf in guter Troubadourenart nur ganz beiläufigen Bemerkungen über den eigentlichen Adressaten. Es stimmt schon, ich spiele mit Rätseln und versteckten Hinweisen… Will you, won’t you want me to make you / I’m coming down fast but don’t let me break you / Helter skelter… das Drunter und Drüber sind für mich nämlich Hilfsmittel bei der Suche nach einer Erkenntnis. Ständig halt ich Ausschau und erwarte deinen Einfluß und deine Innovation, du, mein Werk: When I get to the bottom I go back to the top of the slide… Helter skelter… Ich sah sie noch nie und lieb sie doch sehr. Sie ist also wie du selbst.