… unruhig ist auch der Mond / und seine Sichel die ins Fleisch mir stößt (Thomas Bernhard)
Archiv für den Monat: August 2021
Memento mori
Staub der Geschichte
Meine Felix-Vallotton-Kopie
Über den Künstler Felix Vallotton lese ich, dass zu seinen Schwächen wahrscheinlich zu viel Überlegtheit und Kontrolle, weniger Faulheit oder Schlampigkeit zu zählen wären. Mir würde es durchaus gefallen, wenn solch eine Charakterstudie unter „besondere Merkmale“ in meinem Personalausweis stünde. Das würde so vieles für meine Krikiker leichter machen. Vallotton schrieb zudem: „Künstler meines Niveaus haben das Nachsehen.“ Ob eventuell für diesen Satz in meinem Personalausweis auch noch Platz wäre? Dann wäre doch eigentlich alles gesagt.
Vallotton soll schon fast paranoid auf seine Zeit geblickt haben. Verstehe. „Paranoid“ könnte bei mir unter Konfession vermerkt werden.
Studie zu einer Heiligen
Sollbruchstellen an meinem holzigen Selbst (Sommernachtstraum)
Es gab eine Zeit, da sagte man am Hofe schlicht: „Mach deine Kunst.“ Und man malte drauflos, erschaffte seine Kunst & sein Leben.
Heute verlangt der Hofstaat vom Künstler: „Mal… aber dann bitte sofort mit voller Überzeugung in Bitcoin investieren…“ Tja, Kunst ist ein bizarres Spiel geworden, ein verrückter „Bullrun“. Die heutige Zeit gibt eine wundersame Gelegenheit vor in Kunst investieren zu können. So ein maskierter Chor, der an der Börse den Ton angibt. Und was mache ich…
Neue Demokratisierungs-Prozesse sollen kreiert werden, simple Dezentralität erwachsen. Mittelsmänner wie Galeristen werden irrelevant. Weitere Branchen, wie zum Beisiel Musik, wie Literatur, sie werden folgen. NFT-Technologie macht´s möglich: Eigentum und Einzigartigkeit von Kunst wird garantiert und in der Blockchain gespeichert. Das heißt: durch Non-Fungible Tokens werden die Werke fälschungssicher. Nennen wir dieses Investitions-Spiel schlicht „THE FORBES` SPEECH“. Alles orientiert sich online: Von digitalen bis hin zu klassischen Gemälden. Und? Was mache ich…
Manchmal beinhaltet das NFT sogar ein physisches Original. Man will es kaum glauben. Eine Foundation.App gleicht in diesem Spiel einer Quelle, in der man sich selbst erblicken kann. Oder ist es Hicetnunc.Xyz, ein Name wie aus einer anderen Dimension, der sich im Wasser spiegelt? Existiert dort, unter der Oberfläche des Aktienspiegels, noch eine klassische Malerei? Erinnert man sich in diesen Tiefen an Kunst? Sieht man dort überhaupt noch ihre farbigen Schatten? Hört man ihre Stimme? Frage ich mich das wirklich…
Um obige Fragen nicht antworten zu müssen, braucht es ein Ethereum Wallet, eine simple Webbrowser Extension, die sich automatisch durch einen Klick mit dem eigenen Wallet verbindet. Dann kann derjenige, der in die ewige Quelle steigt, augenblicklich handeln, kaufen und verkaufen…VERKAUFEN! Money / It’s a gas / Grab that cash with both hands and make a stash / New car, caviar, four star daydream / Think I’ll buy me a *…BEEPLE. Ha! Ha! said the clown, has the king lost his crown, / is the night being tight on romance. / Ha! Ha! said the clown, is it bringing you down / that you’ve lost your chance* …
„Jedes Kunstwerk“, flüstern die pastös-impressionistischen Schatten der Bäume, „lässt sich im Grunde digitalisieren. Der Prozess nennt sich minten. Wir hörten von einem Künstler, der unlängst eines seiner Kunstwerk digitalisierte, um das eigentliche Original dann anschließend via Publikum auf dem Scheiterhaufen der Spekulation verbrannte. So wollte er die „Einzigartigkeit“ seines neuen Kunstwerks garantieren und natürlich auch seinen Wert nochmals steigern…“ Mir schwindelt…
Der Künstler zerstörte sein Original, um es digital wieder einem Original gleichen zu lassen? Das wahre Kunstwerk durch eine „digitale Kopie“ ersetzt? Herrje. Es geht um dein Leben! Verstehst du? Leben. Für dein Leben sollte schon ein physisches Original vorhanden sein! Ach, leben? Wer tut das schon? Isn’t it rich? / Isn’t it queer? / Losing my timing this late in my career / But where are the clowns? There ought to be clowns* . Alle fort. Niemand mehr da, der uns zum Lachen bringt. Zum Träumen. Nirgends Poesie. Nur noch üble Horrorclowns in der Manege. Sie verkleiden sich, streichen herum, springen uns an, in der Absicht uns zu erschrecken. Sie tragen einschüchternde Grimassen oder entstellte Clownsgesichter. Ihre Utensilien sind Kunstblut, Waffen, Kettensägen, durchwühlte Betten, Kruzifixe in Urinproben; Geiz und Profitgier gehören zu ihren Lebensgewohnheiten. Und ich…
„Ich will nach Haus’,“ klappre ich, „aus dieser digitalen Hölle.“ Da hebt der Horrorclown ein Lachen an / Es klang nicht gut, mir wurde kalt / „Du dürrer Narr, was weißt du bloß von NFT, Krytowährung, OpenSea, von CryptoWiener oder Token?“ Er lacht irr und leer … Ich erwache, fühle nur zu deutlich, aus welchem Holz ich geschnitzt bin und denke: „Noch einmal sei es euer Morgen, Götter. / Wir wiederholen. Ihr allein seid Ursprung. / Die Welt steht auf mit euch, und Anfang glänzt / an allen Bruchstellen unseres Mißlingens….“ *
(* Lyrics: 1. Pink Floyd , 2. Manfred Mann, 3. Judy Collins; 4. Rainer Maria Rilke.)
Mein Kunstmärchen
Nackt gefällt mir. Selbst wenn Nacktheit verschiedene positive als auch negative Bedeutungen besitzen kann. Zum einen kann Nackheit für Kindlichkeit, Einfachheit, vollkommene Schönheit stehen, andererseits aber auch für Blöße, Armut, Erniedrigung oder eigene Schutzlosigkeit. Doch das ficht mich alles nicht an, denn, so sage ich zu mir:„Es ist dunkle Nacht, da sieht mich ja niemand. Da kann ich wohl auch mein letztes Hemd weggeben.“ Gesagt, getan. Ich ziehe auch noch mein Hemd aus… When I am nude from head to toe / After stripteasing / The mankind look so surprised / I change my sex before their eyes… Und wie ich so dastehe und gar nichts mehr an habe, da fallen auf einmal die Sterne vom Himmel…
Die Sterne, sie sind mir wie lauter bunte Blätter; und ob ich gleich mein letztes Hemd weggegeben, so habe ich plötzlich wieder ein neues an, und das ist wahrlich vom Allerfeinsten. Wahre Kunst fällt mir in meinen Schoß. Ich sammel diese Bilder tagtäglich oder mitten in der Nacht, im Traum, auf und bin gesegnet, reich für meinen Lebtag.