Seelen-Leasing

Sollte ich mich als Künstler beschreiben, meine guten siebzehn Körperteile, u.a. auch meine Seele, Seele fehlt natürlich auch nicht, weil: Seele ist total echt geil (F.W. Bernstein), dann würde ich meine Seele mit einer Silhouette im Hintergrund meines Künstler-Selbst vergleichen. Wie die Silhouette eines Unbekannten auf einem weltberühmten Gemälde, dass man im Museo del Prado in Madrid studieren darf, böte ich Beobachter*innen gerne mein Profil an.

Ich stände einfach nur da, mit einer Hand drückte ich, so könnte man es herrlich philosophisch verklausolieren, das Gewicht eines Vorhangs zur Seite. Meine Füße würden auf zwei verschiedenen Stufen ruhen, ein Knie wäre gebeugt. Man könnte sich fragen, ob ich den vor mir liegenden Raum je betreten werde oder beobachte ich bloß? Studiere ich lustvoll, was sich im Inneren abspielt? Höchtwahrscheinlich wäre ich damit zufrieden. Ich beobachte, ohne selber beobachtet zu werden, einem Voyeur gleich. Mag sein, dass ich das Zimmer, in dem (so will ich es wahrlich gerne sehen) Personen vereint sind, zuvor umgangen habe. Wäre durch unzählige Korridore meiner selbst dorthin geeilt. Vielleicht trat ich auch einmal selber in den Vordergrund. Mag alles sein. Nun aber ziehe ich mich scheinbar lieber zurück? Und befinde mich an der Schwelle zwischen zwei Räumen, dem Inneren und dem Äußeren, ich wähne mich genau dazwischen. In einer Balancestellung. In einer dunklen, melancholischen Realität, im Rahmen einer Tür (oder eines Bildes) manifestiert. Das bin ich… eine Silhouette „weich wie ´n King Kong von Steiff / Gegen den mondhellen Hinterhof“ gestellt … „Schließen wir doch unseren schäbigen kleinen / Individualfrieden mit der Welt / (Du & ich, Baby! Was juckt uns das alles?) / Zwei Menschen … / Greifen nach den Sternen…“ * sage ich zu mir selbst, zufrieden mit der Kunst der Selbstreflexion. (Meinen Leasingvertrag über solch eine Seelen-Laufzeit habe ich übrigens für zwei bis vier Jahre geschlossen. An deren Ende überlege ich mir dann, ob ich diese Seele wieder zurückgebe und mich neu definiere. Es gibt schließlich noch andere Bilder, die mir gut zu Gesicht stehen.)

(* liebevoll zitiert aus: Uli Becker; Perry Rhodan hatte doch Recht)

Die Wollust Marsyas

Des öfteren wurde geäußert, dass meine Werke Angst und Unbehagen beim Betrachter erzeugen würden. Einmal sagte dies meine Galeristin zu mir, als sie über den kargen Zustrom der Besucher ihres Ausstellungsortes enttäuscht war; dann bestättigte mir das auch ein guter Freund. Über diese Kritik dachte ich nach und mir wurde bewußt: Was immer sich hinter dem Schleier der Kunst verbirgt, es hat mit unserer Freiheit, unserer Verantwortung, dem Sinn des Lebens, die Frage der Isolation und dem eigenen Tod zu tun.

Unsere Modernität ist ständig bemüht, sich diesen fünf Aspekten zu entziehen, etwas Einfaches, etwas Oberflächiges soll die Tiefe ersetzen, Abgründe werden planiert und zur Untermalung dieser Tragödie dient seichte Hintergrundmusik; die angeberische Realität siegt, so scheint´s, über die Lust der Kunst… ich aber sehe, dass Apollon sein Spiel spielt. Ich sehe, dass er sieht, dass ich sehe, dass er nur sein Spiel spielt… dafür wird er mich vielleicht versuchen zu bestrafen. Es ist aber seine Angst, die er in den Bildern wiedererkennt, nicht meine.

Bizarrerien

… Kunst ist für mich eine liebgewonnene Konfusion eigener, wie auch fremdartiger Gefühle. Bizarrerien. Annulierte Beichten. Ein Berauschen an Silben und Formen. Bibeltexte auf Seiten aus Esspapier. Stumme Lieder, Blumen vergleichbar, die jemand über mein Leben streut. Aufgeblüht durch die Kraft des Absurden. Mit einer Seltsamkeit als auffälligste Charaktereigenschaft. „Mysterien erfunden, um uns von der eigenen Wirklichkeit abzulenken.“ (Charles Berthonzoz)

Mein Tanz Treiben

Wie stelle ich es dar? Wie formuliere ich es? Sagen wir so: „Meine Lust kann sehr wohl die Form eines Treibens annehmen… / … und mich um die unnachgiebige Wollust drehe(n), die mich… an die Welt bindet.“ (Roland Barthes)

Widerspruch

Gerade erst habe ich verstanden, dass das Sein ohne den Menschen stumm bliebe. Nur der Mensch habe diese „offene Stelle“, die er mit Kunst füllen=fühlen kann. In dieser Höhle könne er das Echo seiner inneren Stimme vernehmen. Und Bilder entstünden als Reaktion auf seine Stimmlaute. Alles hänge von der Wahrscheinlichkeit ab. Stimme und Bild seien beide real, sie existieren, ohne von einander zu wissen. Meine Stimme nehme die Existenz der Bilder nicht wahr, genau wie die Bilder nichts von meiner Stimme ahnen. Sie überlagern sich wie Wellen, eine erfasst mein Auge, zehn davon mein Ohr. Gerade erst begreife ich diese zauberhafte Poesie, da resümiert ein zeitgenössischer Galerist äußerst uninspiriert: „Die Kunst hat angefangen, sich selbst im Weg zu stehen. Sie hat sich selbst so kompliziert gemacht.“ Ich meine allerdings, nur Wissen kann etwas Wahres erklingen lassen. Unkompliziertes wirft einfach keine interessanten Schatten.