Es sammelt sich

Beim Betrachten eines meiner letzten Bilder fällt mir der Begriff „Puzzle“ ein…

Laut Wikipedia ist ein Puzzle (englisch: Rätsel, Verwirrung) ein mechanisches Geduldspiel, ein Legespiel, bei dem versucht wird, einzelne Puzzleteile wieder zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Der englischsprachige Begriff dafür ist jigsaw puzzle („Laubsägenrätsel“), weil das erste dokumentierte Puzzlespiel in England mit einer Laubsäge hergestellt wurde. Statt einer Laubsäge bevorzuge ich allerdings lieber all meine farbigen Erinnerungen, Tusche, Acryl, Spucke und Pinsel. Es gibt Puzzles mit vier Teilen für Kinder oder Riesenpuzzles mit weit über 10.000 Teilen für Fortgeschrittene. Meine Bilder, all die Zeichnungen und Leinwände, ich habe sie bis dato noch gar nicht gezählt. Und täglich kommen neue Teile für das eigene Lebens-Puzzle hinzu… 

Auf dem Karussell meiner Existenz

Der Philosoph Byung-Chul Han erzählt, während er fröhlich auf einem ulkigen Karusselltier an mir vorübergleitet: „Die Kunstwerke verlieren in dem Moment ihren Kultwert, in dem sie ausgestellt werden. Der Ausstellungswert verdrängt den Kultwert…“ Han nennt ein Museum noch eine Schädelstätte und geht dann auf seine nächste Runde. Ich schaue ihm verträumt hinterher. Vor meinem inneren Auge türmen sich nun Knochen in einem Gebeinhaus auf. Das Museum als ein Gebäude, in dem Skelettreste der Kunst aufbewahrt werden? Und als ob er meine Frage belauscht habe, antwortet Han, der nun auf einem besattelten rosa Porzellanschwan Platz genommen hat, dass Bildern in einem Museum nur dann ein Wert zuwachse, „wenn sie gesehen werden, während die Kultgegenstände oft im Verborgenen bleiben.“ Das Gesagte durchzuckt mich. Es ist doch so: Ich will zwar meine Bilder zeigen, aber nicht wirklich ausstellen. Eine Paradoxie, die es zu lösen gilt. Wie kann ich etwas ausstellen, wie sollte ich etwas ausstellen, was nie für ein Ausstellen gedacht war? Ich betrete selber mein geliebtes Karussell und schwinge mich auf einen im Sprung erstarrten Tiger. Auf dem Rücken des Tieres mache ich mir ein weiteres Bild…

 

Ich deck‘ euch zu…

Ein einfacher Schirm…

… er ist mir ein Zeichen der Metaphysik geworden. Er dient mir nicht bloß zum Schutz gegen einen prasselnden Regen oder brütenden Sonnenschein. Er ist mir ein Machtsymbol. Von einer Macht, die sich nur im Kreativen zu Hause fühlt. Er soll eine Palme nachahmen. Meiner ist allerdings bloß mit trockenem Herbstlaub bedeckt. Im entfernten China bekam der Schirm einst seine endgültige und uns bekannte Form geschenkt. Zweige eines Baumes oder die Federkiele von Vögeln formten sein Skelett, überzogen wurde er dann mit feinster Seide. Mir reicht aus, dass er, wie meine Hand, wie meine Seele, allein durch farbige Tusche existieren kann. Unter ihm fühl ich mich in meinem Jetzt. Vergangenheit und Zukunft sind mir zur Seite gestellt, denn die Äste über mir, sie spreizen sich fort zu mir. Überspannt ist das… all das, was ich mein Leben nenne.

Gegenüberstellungen in meinen Kopf geschüttet

Eine farbverzierte Gegenüberstellung ist eine Maßnahme, die im Rahmen fleischiger Ermittlungsarbeit stattfindet und dazu dient, meinen Mund, ganz voll Bleilettern, zu überführen. Dabei wird bei der Variante, der sogenannten „Wahl regnerischer Zeit“, einem Frauenparfüm eine Auswahl an Personen vorgeführt, von denen, aber nur nach einem malerischen Umzug um Mitternacht, eine Person der potenzielle Täter eines gelungenen Gedichtes sein sollte, während die Vergleichspersonen im Stoppelfeld aus Eichenbohlen höchstwahrscheinlich Unschuldige sind.

Eine Gegenüberstellung, die nicht in Form solch eines unkeuchen Traumes erfolgt, in der mithin dem Zeugen nur sich liebende Verdächtige präsentiert werden, Sterne aus Schweiß und Haut, führt in meiner Kunst, meiner maxima Kunst, in der Regel dazu, dass solch ein entsprechender Traum für mich, ich gestehe, mehr als nur verwertbar ist. In meiner Kunst sind also mohnbestreute Gegenüberstellungen daher gemäß einem Gesang von Habichten in Form eines unlesbaren Tanzes vorzunehmen. Ich greife in meine eigene Geschichte ein, so als würde ich meine Hand in einen Topf Honig stecken. Über und unter meinen Ichs liegt dabei eine Decke aus kristallinem Lachen, aufgenommen beim schnellen Atmen eines Liebesspiels…

Was ist ab jetzt vorhabe, kann ich nur leben.

Ausstellen…

Das alles bedeutet für mich mehr und mehr ein Sortieren. Ein Nebeneinander von einem scheinbaren Sich-Abstoßen. Oder ein scheinbares Sich-Anziehen von Gegensätzen. Hier ein Sich-Vermengenwollen und dort das Sortieren eines nicht völlig Vermengen-können. Alles umrankt von Korrekturen, Ergänzunen oder Erklärungen…

Was für einen Spiel. Ich liebe es.

Mein Glauben an Poesie im mächtigen Reich der Dummheit

Die angebliche Wirklichkeit vor meinem Atelierfenster ist mir längst viel zu laut geworden. Es erscheint mir einfach unmöglich, dass ich sie als Künstler ansprechen mag. Ich glaube nicht, dass der erzdumme Mob noch Sinn für Poesie besitzt. Was bleibt da für mich zu tun? Wer verliest schon in einem Orkan ein (uraltes) Gedicht, um vielleicht gehört zu werden? Wer malt sich ein kleines Bild über schauerliche Nachrichten, nur um die Schrecken ein kleinwenig zu bannen? Genau, ich lächle milde. Wenn die Sonne den Tag verlassen sollte / Was wäre das für ein Leben? Und würde der Ozean je das Ufer verlassen?… Niemals. Genau deshalb mache ich einfach weiter und treibe meine Kunst mitten ins Herz schemenhafter Geister…

Titel des Bildes: „6.Januar 2021“

Veröffentlicht unter Kunst