Vorsicht; neben dem angeblichen Verbrechen der Häresie, d.h. einer Aussage, die im Widerspruch zu obskuren Glaubensgrundsätzen steht, können durch die Inquisition auch andere Straftatbestände verfolgt werden, vor allem solche Fragen, die heutige Kunst berühren; wie etwa die Frage, ab wann die Kunst als autonom gelten kann. Oder schlichtere Fragen, wie nach der poetischen Magie eines Bildes. Egal ob mit oder ohne einer KI erschaffen.
Archiv für den Monat: Oktober 2024
Versuch einer Vermählung
Geträumte Akkorde eines erwachsenen Kindes
Windsprache und Perlenstimmen
Der Begriff Kultur steht für eine widerspenstige Zähmung
Glaub mir…
„Meine Leidenschaften bestimmen mein Leben.“ Das schrieb mir meine Freundin Elizabeth Taylor vor geraumer Zeit in einem längeren Brief an mich. Und Richard Burton, mit dem ich ebenfalls eine intensive Brieffreundschaft führe, hatte in seinem Schreiben unlängst geäußert, dass, wenn man liebt, die Schuld bei sich selber suchen solle, nicht bei einem anderen Menschen. Das beweist mir, dass beide Freunde verstanden haben, was mir die eigene Kunst bedeutet: Leidenschaft. Und Liebe.
… dich zu zähmen, Kultur. Einer Wildkatze die Hand reichen, zusammen Kultur machen.
Eine widerspenstige Zähmung bedeutet stets Zusammenkunst. Bedeutet Kultur. Bedeutet sich nicht an eine Zeitbestimmung zu binden. Ein Kampf mit dem Drachen, um der Menschen welkend Leben zu erfrischen.
Erinnerungen sind falsch oder frivol
All meine Erinnerungen sind entweder falsch oder frivol. Wer sich mit ihnen auseinandersetzen möchte, vergleichbar mit meiner Kunst, bemerkt, dass alles gelogen ist oder mit Sex zu tun hat. Warum auch nicht? Was ist so schlimm dabei?
Warum sollten sich meine Bilder nicht auch um Dinge drehen, wovon andere Männer und Frauen daheim heimlich träumen? Mit meiner Kunst träume ich halt öffentlich. Oder es wird erwartet, dass ich das tue. Doch schon längst verweigere ich mich diesem Anspruch, diesem unausgesprochenen Erwartungsanspruch. Wenn ich mich erinnere, also meine Kunst erschaffe, dann tue ich das für mich. Mit all den Bildern stelle ich mir ein Familienalbum zusammen, was ich von Zeit zu Zeit gerne durchblättere und mir die interessantesten Geschichten zu dem Dargestellten einfallen lasse. „Weißt du noch?“ frage ich mich dann. Oft nicke ich stumm; mal schaue ich verständnislos auf das, was vor mir liegt: eine vierzigjährige von einundzwanzigjährigem verehrt gezeichnet d.h. geliebt in der zeit wie der kreis den du in den windmühlen deines geistes findest
Feiner Rausch im „Café Altenberg“
Cafés und Ateliers sind Zauberorte, die mich zum Träumen animieren. Die Eingangstüren dienen an beiden Quellen als Fluchttüren. Hinter der verschlossenen Tür kann ich mich vor der Welt da draußen in Sicherheit bringen. Nur hier kann ich, vor der lauten Hektik der Außenwelt, zu Atem kommen. Hier finde ich zu mir. Nur hier sehe ich die vielen Bilder in mir aufblühen. Nur hier treffe ich auf längst verstorbene Freunde. Wie zum Beispiel den Schriftsteller Peter Altenberg.
Unter einem riesigen Mond aus Milchschaum sitzend, starr träumend, wird er durch meinen inneren Blick wieder lebendig werden…Teller aus Porzellan fallen urplötzlich auf den Boden einer Ausstellung und zerspringen. Die verschieden großen Teile schlingern in unterschiedlichen Tonhöhen klingend auseinander.
Zum Verständnis der „schwierigen Bilder“
„Was wollen Sie uns damit sagen?“
Sagen? Mehr denn je frage ich mich, ob Kunst etwas zu sagen hat. Ob sie überhaupt in Übereinstimmung mit einer Ortsbeschreibung zu bringen ist. Sogenannte Experten suchen in der ominösen Kunst stets nach Überschneidungen zwischen meinen persönlichen Schilderungen und den gesellschaftlichen Gegebenheiten bzw. politischen Strömungen in der Zeit. Ist Kunst aber nicht in Wahrheit (& Lüge zugleich) eine seltsame Expedition, die sich mit Sorgfalt, Hoffnung und einer völlig leeren Meereskarte aufmacht, um etwas zu finden, was nicht zu finden ist? Der Chor der Ältesten befragt mich dazu, man will meinen Namen wissen. Das bedeutet, ich muß, wenn auch widerstrebend, von meinem früheren Leben berichten. Obwohl, ich gestehe, so freudlos gehe ich gar nicht an diese Lebensbeichte heran. Ich trage sehr gerne ein Gemisch aus Wasser und Honig auf sämtliche Malgründe auf; die Bilder, die dadurch entstehen, sie werden so zu meinen Zeugen. Sie sollen und dürfen mich zu der Stelle (ver)führen, woher ich kam. Der ich einst den Rücken kehrte. Denn nur durch diese innere Geisteshaltung vermag ich zu ihr zurückzufinden.
Fiebertraum
Meine Kunstgeschichte mag schrecklich erscheinen. Aber es ist meine Kunstgeschichte. Sie wiegt mich sanft zwischen den Zeiten hin und her. Ein Ich von mir liegt dabei im Sterben, ein anderes im Werden. Beide in einem geschlossenen String, der Endpunkte besitzt, die an zweidimensionale Flächen anknüpfen können. So orakelt es mir jedenfalls die Quantentheorie. Mag alles möglich sein. Meine Zeit betrachte ich deshalb wie vibrierende, farbige Fäden, an deren unterschiedlichen Schwingungszuständen sich verschiedene Elementarteilchen eines meiner vielen Ichs zu manifestieren verstehen. Das alles ist einem Fiebertraum absolut nicht unähnlich, das weiß ich. Ein Ich sitzt einfach nur da und wird zu einer Mannigfaltigkeit, zu einem aufgerollt komplexen, vieldimensionalen Raum. Wenn das mal nicht wie Poesie in meinen Ohren klingt: Das eigene Ich, eine Faltung der Materie; ein Labyrinth, vielfältig, weil es so viele Falten besitzt. Falten, die zu feinen Linien auf einem Spiegel aus Papier werden, einer Unendlichkeit meiner Fantasie, zu einer ›zwei- bis vielbrüstigen‹ Diana, die vielleicht für Gott, für die Natur, für das Laster, die bestimmt aber für meine Kunst steht, die für meine Revolution in Anspruch genommen wird. Sie nährt mich wohl, diese Fantasie. An ihrem Busen let me rest. In meinem Fieber(t)raum.