Arno & Me

(Ort: Ein kleines italienisches Eiscafé in Wuppertal-Elberfeld. Wie schon oft in der Vergangenheit treffe ich mich dort mit meinem alten Freund Arno Schmidt, um mit ihm über Kunst zu debattieren. Über die Bilanz des Lebens, Träume und andere Ausweglosigkeiten. Arno Schmidt bestellt wie üblich einen Espresso, ich bekomme einen Cappuccino.)

Detlef: Was ist los, Arno, geht`s dir nicht gut?

Arno: Also mit Verlaub, Detlef, ich bin nur alt.

Detlef: Sind wir das nicht alle? Handle danach.

Arno: Das muss du mir nicht sagen.

Detlef: Aber ich sag doch gar nichts. Du etwa?

(Arno Schmidt starrt eine kleine Weile vor sich hin)

Arno: Wenn wir überhaupt etwas sagen wollen, über das was ein Schriftsteller „soll“, dann hat er bestenfalls die eine Aufgabe, ein Bild seiner Zeit zu geben.

Detlef: Hört, hört. Wahrlich gut gesprochen.

Arno: Ein Historiker kann nur das Messtischblatt einer Zeit geben…

Detlef: Messtischblatt? Eine topografische Karte im Maßstab 1:25.000 ?

Arno: … aber Wolken flogen über diese Landschaft! Das ist es, was der Schriftsteller festhalten kann.

Detlef: Ich würde nie auf die Idee kommen Wolken zu malen. Wolkenmaler. (Ich schnalze verächtlich mit der Zunge) Sie sind wieder mal ganz herunter, Überflüssige, Abtrünnige, Betrogene in jedem Sinne. Jeder fängt bei sich selber an und verachtet so weiter nach oben und nach unten.

Arno: Ein Schriftsteller gibt auch das Portrait eines Denkprozesses mit. Auch darum habe ich mich bemüht.

Detlef: Aber ich doch auch. Ich auch! Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich bemühe.

Arno: Wir vergessen heutzutage die Assoziationsketten wiederzugeben.

Detlef: Das stimmt. Vom Hölzchen zum Stöckchen kommen. Abschweifen, um zu verstehen. Von Bob Dylan zu WATCHMEN, zu Nietzsche, zum Lieben Gott und wieder zurück. Nur Menschen mit Rückgrat zeigen auch in den Kurven des Lebens ihre Geradlinigkeit.

Arno: Ich möchte nicht abschildern wie ein Fotograf.

Detlef: Wer will das schon?

Arno: Ansel Adams. David Bailey. Thomas Karsten. Irving Penn…

Detlef: Ach komm… lass uns lieber zahlen, bevor noch jemand ein Foto von uns beiden macht.

(Wir verlassen wir kurz daraus das Café. Wir müssen weiter, immer weiter, unserem Glück hinterher.)