Erinnerungskrümel

In einer Schatulle finde ich eine alte Fotografie, sie läßt mich an meine ersten Schritte in Richtung Kunst denken. In mir erklingen erneut jene Worte, die gute Menschen mir einst zuflüsterten, als ich wieder einmal zu brüsk gegen die Flügeltüren sprang, hinter denen ich das verheißene Land wähnte: Geh es spielerisch an. Schenk Dir Selbstvertrauen. Vermittle Dir innere Sicherheit. Sorge für genügend Pausen und Erholung. Berücksichtige auch deine eigenen neurologischen Entwicklungen. Verzichte auf Laufhilfen. Und sei vor allem geduldig.

Nur so erlernte ich das Laufen. Und die Kunst.

 

Die Große Mutter

Die Mutter, aber auch der Vater, Brüder und Schwestern, sie alle bezeichnen in den Mythen der Völker nicht nur Verwandtschaftsverhältnisse, sondern sie sind anzusehen als die eigentlichen Triebkräfte in der Seele ein und desselben Menschen. Dieses Bild steht demnach für ein tieferliegendes Streben nach der Vereinigung mit sich selbst. So betrachtet schaffe ich Kunst also viel eher für mich, als für andere, was wiederum paradox ist, denn trete ich nicht gerade mit solchen Bildern in die Öffentlichkeit, die eigentlich garnicht dafür geeignet oder gemacht sind?

Kunstkurort

Die häufigste Lösung für die Kreuzworträtsel-Frage Luftkurort im Tessin ist Airolo mit 6 Buchstaben. Aber für Kunstkurort im Leben? Darüber streiten sich die Geister, die ich rief.

 

Der große Andere

Laut Wikipedia ist der große Andere ein Begriff der Lacan’schen Psychoanalyse. Der große Andere ist im Unterschied zum „kleinen anderen“ ein Konzept der Andersheit. Der große Andere ist das Andere des Subjekts, das Nicht-Ich, das dieses Subjekt jedoch immer schon strukturiert und ausrichtet. Das Nicht-Ich ist also ein großer Anderer. Und das kleine Ich, dies wäre dann niemand anderes als ich… der Mann im Kinde oder das Kind im Manne… und zwar jetzt? Zur gleichen Zeit. Ich bin überhaupt nicht verwirrt; aber wir sind es.

Neulich im Murmelbachtal

Bei der Betrachtung eines alten Meisters, befällt mich eine süße Melancholie, Bilder steigen in mir auf. Und ich murmel so vor mich hin…

Der rund 3,6 km lange Murmelbach, entspringt bei 287 Höhe in der alten Hofschaft Marpe, ganz nahe Lichtscheid am Rande des ehemaligen Standortübungsplatzes Scharpenacken… schon kurz hinter seiner Quelle wird er in einer Kette von Teichen gestaut, von denen einige Teil des Vorwerkpark sind. Er fließt am Rande der Barmer Anlagen durch das Murmelbachtal, gibt dem alten Pilgerheim Murmelbachtal am Fuß des Scharpenacker Bergs seinen Namen und verschwindet kurz darauf in einer ca. 800 m langen Verdolung, einer jener röhrenförmigen Einfassungen des Wasserlaufs zu seiner Untertunnelung…oja. All das murmel ich so für mich dahin. Ich bin wohl tatsächlich ein alter Murmel-Bach… Meister. Vor dem sich eine vermaledeite Idylle reckelt… tja, es ist eben so, wie es ist…

Sich vermählen mit der Unendlichkeit

… eine Stimme, die frei umherschwebt als gefürchtete, traumatische Präsenz… was flüstert sie mir zu?

Nun, im Atelier, sagt sie, kann es einem selbst schonmal das Herz zuschnüren. Vor Freude, aber gleichzeitig auch vor Angst. Dann nämlich, wenn ich begreife, dass ich tagtäglich meinen Spielraum, d.h. meine Kunst, erweitern soll/darf/muss. Es geht doch darum, dass ich gegen die Windmühlen, d.h. gegenüber den Widerständen, meinen eigenen Verfehlungen, all den Irrtümern der Welt, versuchen sollte weitherziger zu werden. Ich möchte mich liebevoll-kämpferisch gegen die Wirklichkeit durchsetzen. Denn erst, wenn man aufhört, Menschen und Dinge nach ihrem Marktwert abzutaxieren, wird man, denke ich, entdecken können, dass das Geschenk des Daseins unbezahlbar ist. Wem solch ein autonomes Bemühen arrogant erscheint, gut, der darf mich dann wohl als arrogant bezeichnen. Vielleicht bin ich aber auch nur ein Frosch, der auf den erlösenden Kuss wartet. Auf den Kuss, der mich verwandeln und so erst der Ewigkeit zugängig machen wird.

Verwebung von Fantasien

Mir träumte: Der Beweis, dass der Mensch fehlbar ist, weil er nur ein Herz besitzt. Er sollte viele besitzen, eine ungerade Zahl an Herzen, die er Nacht für Nacht, Tag für Tag, wie ein Rosenverkäufer, an die Frau oder den Mann bringen möchte. Langstilige Herzen, die der Mensch mit spitzen Fingern hinüberreicht, wenn ein Lächeln es ihm wert erscheint. Er kennt sie, die Herzen, die verwelken. Oder Herzen, die vertrocknen, wenn sie mit ihrer Blüte nach unten in unserem Brustkorb hängen und zerbröseln, wenn wir vor Liebeskummer eine Hand um dieses Herz verkrampfen… 

Mehr als zwei Herzen wohnen, ach! in meiner Brust; denn es gibt sie, diese seltsame, gegenseitige Verwebung von Fantasien, von Texten, von Zeichnungen, von Fotos, von Gemälden, von all dem und noch vielem mehr. Die Geschichte meiner Herzen ist eine Geschichte individueller und kollektiver Stilistiken, Improvisation-Strategien, Phrasierung- und Intonationsweisen, kurz: eine jazzige Interpretationsgeschichte.