Das Atelierfloß

Mein „Atelierfloß“ nimmt mich mit fort… und ich denke noch: als der Maler Théodore Géricault sein Gemälde „Floß der Medusa“ 1819 beim  Pariser Salon zur Ausstellung einreichte, war er sich der öffentlichen Provokation durch das Motiv durchaus bewusst und wählte daher nicht von ungefähr den unverfänglichen Titel Szene eines Schiffbruchs.

Den Ausstellern und Salonbesuchern wurde allerdings schnell klar, dass Géricault mit diesem Bild Frankreich ein unangenehmes Vermächtnis hinterlassen würde: Die Erinnerung an einen skandalösen Vorfall aus dem Jahr 1816, der zur Entlassung des für die Marine zuständigen Ministers sowie von 200 Marineoffizieren führte und den die französischen Zeitgenossen lieber dem Vergessen anheim gegeben hätten. Auf das Bild hatte sich Géricault gut vorbereitet: Er studierte Beschaffenheit und Farbe von Leichen, skizzierte im Vorfeld zahlreiche Szenen – u. a. eine Kannibalismusszene, die er wieder verwarf.

Trotz des realen Hintergrunds ist das Gemälde Ausdruck hoher künstlerischer Freiheit. Dass das Floß erheblich größer gewesen ist, wird von Géricault im linken Bereich des Bildes lediglich angedeutet. Im Übrigen darf man annehmen, dass die überlebenden Offiziere und Infanteristen uniformiert gewesen sind und dass die Schiffbrüchigen nach 13 Tagen des Hungers ausgemergelte Erscheinungen waren.

Die erstaunlich muskulösen Menschenleiber türmen sich im Bild zu einer Pyramide auf, die das Auge des Betrachters auf das am Horizont erscheinende Schiff lenkt, die „Argus“. Die stürmische See und die bedrohlichen Wolken entsprechen ebenfalls nicht den damaligen Bedingungen. Dass die Verzweifelten der Sonnenglut ausgesetzt waren, schien Géricault nicht der hinreichende Ausdruck zu sein für die Hilflosigkeit und die Todesangst der Schiffbrüchigen. Auch das sich blähende Segel dürfte in der Form nicht vorhanden gewesen sein. Die Besatzung der „Argus“ berichtete davon, dass sie bei Sichtung des Floßes zunächst davon ausgegangen war, bei den am Mastbaum und Seilen befestigten Fetzen handele es sich um Reste eines Segels oder Wäsche, tatsächlich war es in Stücke geschnittenes Menschenfleisch, das zum Dörren aufgehängt worden war. Der rechts unten im Wasser hängende Körper wurde von Géricault kurz vor der öffentlichen Präsentation aus kompositorischen Gründen nachträglich hinzugefügt, um die Pyramidenform der Leiber herzustellen. Aus diesem Grund ist der eingefügte Torso im Verhältnis zu den anderen Körpern deutlich größer geraten.

Diese Figur hat mich inspiriert. Die Ausstellung des Bildes brachte dem Künstler nicht die erhoffte sofortige Anerkennung – eine subjektiv empfundene Niederlage, von der er sich zeit seines Lebens nicht erholte. Und mich hat mein „Atelierfloß“ inzwischen hinweg getragen. Ohne die rechte Anerkennung… einfach hinweg getragen…

(siehe: Das Floß der Medusa – Wikipedia)