Die kreisförmige Zeit

Was ist die Zeit? Wenn mich niemand darüber fragt, so weiß ich es; wenn ich es aber jemandem auf seine Frage erklären möchte, so weiß ich es nicht. Das jedoch kann ich zuversichtlich sagen: Ich weiß, dass es keine vergangene Zeit gäbe, wenn nichts vorüberginge, keine zukünftige, wenn nichts da wäre. Wie sind nun aber jene beiden Zeiten, die Vergangenheit und die Zukunft, da ja doch die Vergangenheit nicht mehr ist, und die Zukunft noch nicht ist? So äußerste sich einst Augustinus Aurelius.

Das heutige Gödel-Universum hält dagegen eine von dem österreichischen Mathematiker Kurt Gödel 1949 entwickelte kosmologische Lösung parat. Diese beschreibt ein rotierendes, geschlossenes, stationäres, homogenes Universum und zeichnet sich dadurch aus, dass in ihm Zeitreisen möglich sind; das heißt, es gibt geschlossene zeitartige Geodätische (= die lokal kürzeste Verbindungskurve zweier Punkte) zu jedem Ereignispunkt, ob in Vergangenheit oder Zukunft. Weil damit auch Zeitreiseparadoxien verbunden sind, zeigt das Modell, dass für deren Vermeidung weitere Prinzipien über die Allgemeinen Relativitätstheorie (nach Einstein) hinaus notwendig sind.

„Jeder, der von Gödels Ergebnissen über die Zeit nicht schockiert ist, hat sie noch nicht hinreichend verstanden“, sagt dazu der Philosoph Palle Yourgrau. Gödel, so der Philosoph, habe die Zeit „nicht illuminieren, sondern eliminieren“ wollen. „Aus der Sicht Gödels ist die Zeit selbst – und daher auch Geschwindigkeit und Bewegung – nur eine Illusion. Denn wenn wir die Vergangenheit wieder besuchen können, existiert sie ja immer noch.“ In der Welt der Mathematik ist alles im Gleichgewicht und perfekt geordnet. Sollte man nicht dasselbe für die Welt der Realität annehmen, entgegen allem Anschein? Fragt Kurt Gödel selber.

Ist in meiner Kunst, ähnlich der Mathematik, nicht ebenfalls alles im Gleichgewicht? Doch wo genau befinde ich mich in meiner (künstlerischen) Realität jetzt gerade…? Jetzt ist die Zeit, in der ich das Wort „jetzt“ ausspreche bzw. ein Bild erschaffe.