Die seltsamen Abenteuer von Kirill Göttmann und mir

(Auftritt Kirill) „Ich bin einfallsreich“, sagt Kirill erregt. „Ich bin kreativ, ich bin jung, skrupellos, hoch motiviert, hoch qualifiziert. Will sagen, die Gesellschaft kann es sich nicht leisten, mich zu verlieren. Ich bin ein echter Aktivposten.“ In diesem ersten Augenblick strahlt die Leinwand so schneeweiß, wie noch nie. Reine Unschuld. Gerade wenn diese gelingen sollte, soviel weiß man schon jetzt, wird und muss es eine wahre Zumutung sein. Kirill regt sich wieder ab. Er starrte gerade erst noch aus einem schmutzigen Taxifenster, höchstwahrscheinlich auf das Wort FURCHT, das in Rot auf die Wand eines McDonald Restaurant gesprüht ist… Das Wort FURCHT, das in Rot auf die Wand eines McDonald’s gesprüht ist. FURCHT. Hörst du?, flüstert Kirill mir zu… FURCHT. Dann flüssiges Rot. Noch strahlender auf dem weißen Hintergrund. Blutstropfen natürlich. Oder? Das muss Blut sein! Es ist Sauce für einen großen Teller mit einem kleinen Häuflein nouvelle cuisine. Wie sich jetzt alles in Sekundenschnelle ereignet, Kopfbilder und Assoziationen, Lektüre-Erinnerungen und Vorahnungen etwaiger Gemütsproben zum Bewußtseinsstrom verdichtet, ironisch in die kalte Reinheit eines Nouvelle Cuisine-Tableaus auflösen, ist ein bewunderungswürdiger Auftakt: aber seid guten Mutes, Madame (sagt Kirill), und lasst Euch nicht durch leere Traumgespinste schrecken! Die meisten Geschichten sind einfach unverfilmbar, besonders gute; und diese hier erst recht: „Die seltsamen Abenteuer des Kirill Göttmann und mir.“ Hier versprechen Tränen und Prügel und manchmal auch Ermordung Profit und glücklichen Gewinn. Dagegen Lachen und Genuss von leckeren Süßigkeiten oder die lustvolle Vereinigung in Liebe sagen voraus, dass man mit seelischem und körperlichem Schmerz und sonstigen Schäden gepeinigt werden solle. Mit anderen Worten: Künstliche Bildung täuscht heutzutage die Natur vor. Hier pflegt die Göttin der Wälder, von der alltäglichen Jagd (nach Geld, Ruhm, Anerkennung, Aktienpaketen, Rentenversicherungen oder nur nach Liebe) ermüdet, erschöpft, zermürbt, sich zu erholen. Relaxen heißt das aktuelle Zauberwort. Relaxen. Ausruhen. Abschalten. Oder auch Chill out. Das Haar, das den Nacken umwallende Haar wird zu einem Knoten gefasst, bevor die Göttin sich ins Bade gleiten lässt. Völlig nackt. Aufseufzend. Zufrieden mit sich und der Welt da draußen. Hauptsache ist: die Welt blieb auch da draußen! Und sie, die Göttin, darf sich entspannen. Im Bade. So sollte es sein. Doch just in diesem Moment durchstreift meine Wenigkeit mit ungewissen Schritt (und meinem Freund Krill im Schlepptau) den unbekannten Wald. Und wir geraten in eben jenen göttlichen Hain. Die ganze Szene ist unverfilmbar. Aber zeichnen kann man sie. Oder es wenigstens versuchen.

Bildschirmfoto 2015-05-09 um 08.49.55 Kopie

Ich möchte noch kurz aus dem Prospekt der Göttin zitieren: „Wir kümmern uns um Ihre Gesundheit und Vitalität durch umfassende Beratung und aufeinander abgestimmte Programme. Bei uns sollen sich Menschen jeden Alters gut aufgehoben fühlen. Unser qualifiziertes Team betreut unsere Mitglieder persönlich und individuell. Dabei legen wir großen Wert auf Ganzheitlichkeit. Unser vielfältiges Angebot im Bereich Rücken- und Fitnesstraining, Ausdauer-und Rehasport, Figurforming, Wellness, Entspannung und Physiotherapie wird Sie begeistern. Mit Unterstützung Ihrer persönlichen Trainer werden Sie schnell ihre Ziele erreichen: Lecker Frühstück.“ (Zitat Ende) Dies sollte also unser aller Verhängnis sein. Oder unsere Bestimmung: Frühstück im Freien!?