Exil – O wunnikliches paradis

Die Corona-Krise, ein winziger Virus, er hat uns in weltweite Geiselhaft genommen. Ein Virus hat uns alle weggesperrt. Oder wir haben uns freiwillig vor ihm weggesperrt. Ich muss an „Die Maske des Roten Todes“ von Edgar Allan Poe denken. In der Geschichte beschreibt Poe das Scheitern des Versuchs einer Gruppe von Privilegierten, sich vor einer Seuche, einem Unheil in Sicherheit zu bringen. Und wir jetzt? Wir Künstler, wir Unterpriviligierten? Hat der Virus eine Forderung an uns gestellt? Direkt oder indirekt? Um Forderungen durchzusetzen, schrecken wahre Geiselnehmer bekanntlich oft nicht vor Gewalt gegenüber den gefangenen Menschen zurück. Corona hat jedoch keine Forderungen an uns gestellt. Corona ist einfach nur da! Es ist allgegenwärtig. Es belauert uns. Es infiziert uns. Und es tötet uns. Als potentielle Opfer sind wir dem Virus ohnmächtig ausgeliefert. Es ist komisch, denn anstatt vor diesem Peiniger Angst zu haben, entwickele ich in meinem Künstler-Exil eine Art von „schräger Zuneigung“ zu dem Virus. Ähnlich dem Stockholm-Syndrom beginnt es einfach damit, dass ich, aus einem künstlerischen Blickwinkel heraus, einen regelrechten Faible für das Corona-Virus empfinde und entwickelt habe. Das sogenannte Stockholm-Syndrom (ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen) kennt Fälle, in denen Opfer eine Liebe für ihren Peiniger empfinden. Davon würde ich in meiner Faszination zu dem Virus nicht reden wollen. Eher durchlaufe ich, ähnlich dem Erleben und Verhalten Sterbender, wohl noch fünf emotionale Phasen, ausgelöst durch das Corona-Virus, die da sind: 1.Nicht-wahrhaben-Wollen (Leugnen) und Isolierung, 2.Zorn, 3.Verhandeln, 4.Depression als auch Leid, dann 5.Annahme. Vielleicht kommt es so. Vielleicht auch nicht. Alles ist noch möglich… die Zukunft ist noch offen. Oder ist sie schon geschrieben? Ich weiß: all das ist eine Frage der Wahrnehmung. Abhängig vom Standpunkt des Beobachters. Hier im Exil. Hier im Atelier; d.h. hier in meinem „wunnikliches paradis“.