Geständnisse des Geistes

Arbeit, Konsum und Kultur liegen am Boden. Die Medien sprechen unisono von Stillstand. Aber ich höre mein Herz doch noch schlagen! Was also ist los? Wo befinde ich mich? Mein Herz steht noch nicht still. Noch spuckt es Blut, ist recht lebendig. Also, warum sitze ich hier, eingesperrt in meine eigenen vier Wände? Was habe ich verbrochen? Es soll so etwas wie „Künstlerkritik“ am Kapitalismus geben. Vielleicht ist Corona ein Symbol für diese globale Kritik? Corona hat den Ursache-Wirkung-Kreislauf unterbrochen.

Die Arbeit brachte das Geld für immer neue Farben und Leinwände, die ich für meine Kunstwerke nutzte, um sie auf dem Markt zu verkaufen. Das war meine Arbeit, die mir Geld einbrachte für immer neue Farben und Leinwände…usw…usf… Das Verrückte ist, dass ich meine Kunst noch nie als eine Arbeit ansah. „Das einzige, was ein Kunstwerk kann, ist Sehnsucht wecken nach einem anderen Zustand der Welt.“ (Heiner Müller) …aber eben nicht nach Geld. Für mich war Kunst nie der Grund oder Anlaß um Geld verdienen zu wollen. Dieser Gedanke ist nach wie vor absurd für mich.

Der aktuelle Kunstmarkt hat aber eh die Kunst entzaubert und zum Luxusgut degradiert. Kunst sollte Bedeutung für das Leben haben. Für mein eigenes Leben hat sie es mit Sicherheit. Immer noch. Hendrik Ibsen schrieb einmal, er hätte seinen eigenen Kerker gemauert. Nun, ich habe die Kerkerwände mit ansprechenden Motiven tapeziert. Und wenn nicht mit Tapeten überzogen, dann wenigstens die Mauern geglättet.

Aber nicht um dann sofort der Kreditwirtschaft zu dienen, das heißt, aus meiner Isolations-Performance in meiner Wohnzelle wie ein Phoenix alles zu Asche zu machen, die sozialen Kanäle damit zu füllen und zu verstopfen. Nein! Ich hier starre auf eine Zellenwand mit ihren ganz eigenen, zarten Spuren. Was sagen sie mir? Was flüstern sie mir zu? An was erinnern sie mich? Diese zauberhaften Nuancen des Nichts. „An alles“, so lautet meine Antwort. Bleibt also nur die Frage: warum sitze ich hier? Habe ich nicht versucht den Dingen, die ich gestaltete, einen Zauber zu verleihen?

Kein 30 000-Euro-Glitzer-Überzug von Swarovski , mit denen ich meine Bilderrahmen veredle. In einer Welt, in denen alles auf Wertzuwachs angelegt ist, wo Immobilien und Luxusjachten kleinen Königreichen ähneln, da sitze ich doch tatsächlich nur da und male auf schäbigen Pappen, billigem Papier, mit billigen Pinseln. Poste unerlässlich Artikel auf Artikel auf meinen Blog… winzige Tropfen, die sich im Meer verlieren… aber niemals untergehen können. Die Obszönität der Reichen verlangt, dass ich mir den Sack aufspritze und damit vor ihnen herum hüpfe, zur grölenden Belustigung einer gelangweilten Meute.

Das sagen mir die Spuren an meiner Wand: Gut, dass ich keine Party-Attraktion war, bin und jetzt zur Zeit auch nicht seien muss. Hier in meiner Zelle gibt es keine Protzerei, kein super süß, super sexy, super easy, supergeil, keine Nobel-Prostituierten, die Schlange stehen, Champagner schon zum Frühstück schlürfen, Koks schnupfen, super fruchtig, super lecker, super smooth. Ach, was soll`s? Warum auch nicht? Ich erkenne doch an, das es für uns unmöglich ist keine Sünder zu sein, aber ich glaube fest daran, dass die eigentliche Kunst nur aus dem Herzen kommt. Und mein Herz schlägt noch, soviel ist mir inzwischen in der Isolation klar geworden… Wie bei einer Meditation, wo das Herabfallen eines Lichtstrahls den Geist erleuchten soll, so leuchtet die momentane Zurückgezogenheit gerade in jede dunkle Ecke meines Zimmers. Tag für Tag.

 

Dank Corona.