Im Café

Im Café. Ich könnte es eventuell so deuten: Das Eiscafé ist wie der Startblock für mich, aus dem ich als Künstler meinen täglichen Lauf beginne. Vielleicht bin ich auch in einem Café zur Welt gekommen. Und nun muss ich ständig hierhin zurückkehren.

Mit einem Sinnspruch wie etwas „Lirum-Larum-Löffelstiel-wer-das-nicht-kann-der-kann-nicht-viel“ rühre ich dort in meinem Cappuccino. So als wolle ich aus ihm die nähere Zukunft lesen. Doch diese liegt hinter der Schaumkrone verborgen. Aus dieser Krone heraus gilt es sich zur Alltagswelt hin zu bewegen, ans Land der trockenen Vorstellungen zu treten und meine „lustig-missionarische“ Arbeit zu beginnen. Eine Sishyphus-Arbeit, die aber gemacht werden will! Und zwar mit einem Lächeln auf den Lippen! Sowie mit einem kleinen Liedchen auf der Zunge: „One – Two -Three – Four- Can – I – Have – A – Little – More – Five – Six – Eight – Nine – Teen…  I LOVE YOU !“  Während ich weiter summe:  „A – B – C – D- Can – I – Bring – My – Friend – The – Tea…“ , beobachte ich zugleich die Gäste im Café und die Passanten, die, und das bilde ich mir sicherlich nur ein, neidisch am Café vorbei eilen.

Ein Mann, den ich häufig sehe, wenn ich hier auf der Terrasse des Cafés sitze, denkt wahrscheinlich, ich wohne hier. „Nein, ich bin Künstler,“ möchte ich ihm zurufen. Dann befürchte ich aber sein abschätziges Urteil:  „Na, so etwas wie Dich kriegen wir auch noch zum Arbeiten!“… und lasse es bleiben.

Meine Haut ist nicht dick genug, um solche Kritik unbeschadet an mich heran lassen zu können! Meine Haut würde sicher mit unangenehmem Juckreiz auf solche offenkundig dumme Äußerung reagieren. Im schlimmsten Fall mit Ekzemen. Wer will so etwas freiwillig riskieren? Also bleibe ich im Schatten sitzen und hänge anderen Ideen nach… Ein flüchtiger Blick auf den benachbarten Blumenladen „Rehse“ und schon binde ich in Gedanken mir einen kulturellen Strauß zusammen. Voll von Kulturkritik, Zynismus, Weltschmerz, sowie den üblichen Schmuckgräsern wie Selbstmitleid und Nabelschau. Schweren romantischen Allüren nachgebend nehme ich auch einige längst verwelkte Blumen auf, die schlapp ihre Köpfe hängen lassen. Durch ein kleines Schmuckbändchen werde diese mit dem rosigen, frischen Gewächs zusammengebunden. „Damned Flower Greetings“ nenne ich meine Kreation. Hochnäsig, provozierend in einer sich dahinschleppenden Langsamkeit, die ich nun an den Tag lege, beweisend, dass nichts, aber auch gar nichts auf dieser Welt mich zur Eile antreiben kann, stolziere ich mit meinem Wunderstrauß an der Terrasse des Eiscafes vorbei… An einem strategisch sehr günstigen Punkt werfe ich urplötzlich und eruptiv den Strauß zu Boden und stampfe wie ein wild gewordener Klaus Kinski darauf herum.

Arrogant blicke ich auf die verschreckten Gäste des Cafes und greife dann tief in die Zitatensahne eine Intellektuellen und schraube eine Worte von Marquis de Sade mir auf die Lippen: „Nehmt mich hin wie ich bin, denn ich werde mich nicht ändern.“ Dann trete ich noch einmal auf dem floralen Matsch herum. Solange bis mich jemand anspricht: „Zwei Euro, bitte!“ Ich lege mein Zweieurostück in die ausgestreckte Hand der Bedienung. Sie lächelt. Ich lächle. Und bin entspannt. Die Luft ist mild. Es könnte ein schöner Tag werden. Ich müsste halt nur gut aus dem verdammten Startblock herauskommen.

Jeder der Phantasie hat, glaubt an Gott. Wer keine Phantasie hat, geht zur Kirche.