Me and my shadow

Mir kommt es heute und seit Ewigkeiten schon so vor, als sei ich Zaungast auf meinem eigenen Heimweg. Sehr allein. Und doch nicht einsam genug, um vollends verrückt zu werden. Hörst du, Camass, ich habe lange geschwiegen. Denn Farben verklebten mir die Lippen. Lange nichts geschaut. In den Wimpern hingen Tränen. Verzeih. Dummheit kleidet jedes Leben aus. Camass, meine alten Hände weisen Spuren auf, die ich niemals abgelaufen habe. Ich ahne dort allenfalls Existenzen, die hinter meinem Rücken Witze reißen. Der Blutgeschmack im Mund nimmt Überhand. Nicht gut, dass sei nicht gut, bemerkte mein Zahnarzt. Eine Feststellung, die wir gerne auf Beerdigungen von uns geben. „Und sonst?“Och, das Übliche,“ fasel ich verlogen. Wenig später bitte ich umständlich um den Zucker und suche im Kaffee mit dem Löffel nach einem Grund von Leben oder Tod. „Ach, so ist es eben!“ Und ich weiß es auch nicht wirklich besser. Schönheit. Gelungenheit. Wahrheit. Spiel. Rien ne va plus. Lange geschwiegen, Camass, ich bedaure das. Sehr…

Aber sieh doch: Farbe verklebt mir weiterhin die Lippen. Lange nichts geschaut… In meinen Wimpern hängen immer noch amboss-schwere Tränen. Faites vos jeux! Camass, der Himmel strahlt rotviolett wie ein praller Eichelkopf. Ich senke aufgrund dieser Obszönität beschämt den Kopf und schlage den Kragen meines Mantels hoch. Zurück, unter stumm hingeworfener Erde, bleiben Sätze, die ich unglücklicherweise niemals gesagt habe. Zurück, in meinen Handflächen, bleiben Berührungen, die ich nicht gewagt habe. Mein Mund schluckt verstört die Küsse runter, die ich viel zu lange aufgespart habe. Nun sind sie verdörrt und verschrumpelt. Unansehnlich wie alte Weintrauben. Endlich erbricht sich auch der Himmel. Kein Weiß nässt mich, sondern das feine Gespinst von Regen. Er schraffiert meine Existenz zu zarten Linien, an die ich neue Gedanken hängen kann. Camass, liebste Camass, Bilder oder Formulierungen springen an mir hoch, als wären es übermütige junge Hunde. Ich wünschte, du könntest das alles sehen! Du könntest das alles so sehen, wie ich es zu sehen vermag. Sieh es dir an, Schwesterchen, das Spiel, sieh es mit meinen Augen… Wir beide, wir machen unseren Einsatz. Immer und immer wieder. Und wir nennen uns beide Camass. Zwei Seelen, wegen eine aberwitzigen Laune der Natur, getrennt und doch für immer vereint.