Reise durch mein Zimmer

Weihnachten (ich hatte es schon geahnt) kam auch dieses Jahr wieder schneller, als ich dachte! Und deshalb hatte ich mich (sicher ist sicher) schon am Samstag, den 14. Dezember 2013, in meinem Atelier mit Freunden zusammengesetzt, um die gemeinsame (Vorweihnachts-) Zeit zu genießen! Oje, du Fröhliche…? Nein! Ganz im Gegenteil!!!

Mit Britta trug ich ein kleines Stück vor, das wir beide in den letzten Wochen geprobt hatten. Sein Titel lautete: „Apokalypse privat (Reise durch mein Zimmer)“; mit Texten u.a. von Xavier de Maistre, Per Olov Enquist und Patrick Roth. Britta begleitete mich wunderbar und einfühlsam mit dem Akkordeon auf der „Reise durch mein Zimmer“.

„Süße Einsamkeit. Ich habe die Reize kennen gelernt, mit denen du deine Liebhaber trunken machst. Wehe dem, der nicht einen einzigen Tag seines Lebens allein sein kann. Ich will es jedoch frei bekennen: ich will nur morgens Einsiedler sein. Abends sehe ich schon gerne wieder menschliche Gesichter… 

Oft gehe ich in der Dämmerung durch mein Zimmer, zum Spiegel hin. Muster eingehend mein Gesicht. Dann nehme ich den schwarzen Kohlenstift aus meinem Schrank und ziehe langsam einen schwarzen Strich senkrecht über ein Auge, einen Clownstrich. Dann noch einen Strich über das andere Auge. Ich mustere mein Gesicht, immer eindringlicher, als habe ich plötzlich etwas entdeckt…

Bevor ich aber nun äußerst siegessicher in mein Zimmer zurücktrete, werfe ich noch ein Blick auf die Stadt…

Ich sehe eine Straßenecke. Nach Feierabend. In der Gegend wird überall noch gebaut. Auch an dieser Ecke: Ein Gebäude, das tagsüber verputzt wird. Luftige Bahnen aus durchsichtigem Kunststoff umhüllen das große Baugerüst. Die Ecke selbst: menschenleer. Sekunden so.

Da kommt, eiligen Schrittes, ein junger Mann ins Bild. Rennt über die Straße. Ist schon nicht mehr zu sehen. Stille.

Aus der Ferne hört man ein Moped. Das näher kommt. Vorbeiknattert. Das Geräusch verweht.

 

Da! Ein Passant… Geht durch das Bild ohne zu halten. Bei der Ecke am Bordstein: Steht eine Tonne. Eine Regentonne, denkt man. Gehört sicher zum Bau. Jemand tritt ins Bild und – auch er läuft vorbei. Nein, nicht ganz. Jetzt bleibt er stehen, sieht sich um. Zögert… Dann geht er weiter. Geht aus dem Bild.

Die Regentonne! Ich weiß, sie ist mit schwarzem Wasser gefüllt. Da treibt ein Stück Holz. Ich habe es selber gesehen. Ein kleines Stück Holz auf dem schattigen Wasser. Manchmal bewegt es sich. Unmerklich fast.

Ich werfe also noch einen letzten Blick auf die Straßenecke der Stadt.

Sie ist menschenleer. Ich seufze…

Dann sage ich leise zu mir selbst: „Lebewohl!“

UND FROHE WEIHNACHTEN