Ach wie gut, dass niemand weiß…

Man wirft mir vor, dass ich in meinem künstlerischen Tun absolut unverständlich sei. Man könne meinen Gedankengängen nicht folgen. Ich gelte als vollends verschroben. Wäre ganz und gar abgehoben. Gaga. Zu eigenwillig. Ein ganz übler Grübler. Und um der Litanei noch die Spitze oben raufzusetzen, lautet die Kritik, ich sei zu klassisch. Echt jetzt? Als „klassisch“ wird bekanntlich etwas bezeichnet, das als formvollendet und harmonisch gilt. Also, ich bitte Sie. Ich und formvollendet? Harmonisch? Ich?! Das Klassische, das wissen wir doch alle, bildet den zeitlosen Kontrapunkt zur zeitabhängigen Mode. Das „Rumpelstilzchen“ ist zum Beispiel so ein Klassiker! Im gleichnamigen Märchen wird der ewige Kampf zwischen Gut und Böse beschrieben. Ein anderer, vergleichbarer Klassiker wäre „Hamlet“. Das Stück von Shakespeare behandelt ebenfalls philosophische Probleme der menschlichen Existenz. Wir fassen hier kurz das ganze Stück zusammen: der Held legt ein absonderliches Verhalten an den Tag! Okay, okay, ich gestehe, das erinnert schon etwas an mich! Ich meine, ich lege als Künstler auch gerne ein absonderliches Verhalten an den Tag. Ständig folgen bei mir auf einen extravaganten Artikel noch weitere unkonventionelle Artikel über Hölderlin, Gott und Corona. Darf oder muss ich mich im Umkehrschluss nun als „klassisch“ bezeichnen? Oder bin ich einfach nur „befremdlich“? Sollte ich mehr Ordnung auf meinem Blog halten und Harmonie erzeugen, um ein Klassiker zu werden? Will ich das denn? Steh ich etwa morgens auf und komme auf die grandiose Idee: „Mensch, ich glaub ich werd heute mal ein Klassiker“? Das tut man doch nicht wirklich. Schon gar nicht, wenn morgens der Blutdruck niedrig ist. Glauben Sie mir, ein Klassiker ist jemand, der sich um Vor- oder Rückgriffe nicht kümmert, der sich über Strömungen, Moden, Abhängigkeiten, über das Schulbuch-Denken der Literaturgeschichte souverän hinwegsetzt… er reizt nicht nur seine Zeitgenossen. Er wird auch die Zukünftigen nie langweilen. So sieht´s doch aus. Das meinen jedenfalls Hans Magnus Enzensberger, Rumpelstilzchen & ich 🙂