Nachtfeuer im Therapieraum

Kein Ort bietet so viel Raum wie ein Museum. Deshalb wollen viele Menschen dort auch übernachten. Um des Nachts, in aller Stille, die Aura uralter Dinge zu erspüren. Ähnlich verhält es sich bei mir in meinem Atelier, meinen sogenannten Therapieraum.

Die uralten Dinge, die ich in meinem eigenen Therapieraum studieren kann, liegen am Grund meiner Seele verborgen. Und / Oder wollen wachgeküsst werden… wie letzte Nacht. An der Decke meines Schlafzimmer breitete sich ein Nachtfeuer aus. Alle Atome, die ich dort erblickte, hatten das unstillbare Verlangen, die sogenannte Oktettregel einzuhalten, will sagen, acht Elektronen strebten die Außenschale ihres geliebten Atoms an. In der vergangenen Nacht sah ich ganz deutlich, wie sich immer mehr und mehr Elektronen auf einer immer größer werdenden Außenschale plazierten, um dadurch ein Bild von mir zu erschaffen…

All diese farbigen Elektronen, das belustigte mich, befanden sich ganz offensichtlich in einem sehr speziellen Zustand. Einem Zustand, der nicht an meinem kleinen Ich lag. Deshalb war ich auch überzeugt davon, dass die Elektronen einen hohen Energie-, wie auch Unterhaltungswert besaßen, und mit Sicherheit nicht in mein träumendes Ich stürzen würden… Es gab also etwas, an dass ich glauben konnte. An komplizierte Fragen. Oder an Erinnerungen, die weder eine Sprache hatten, noch einen Namen. Bilder wie Schlagzeilen. An ein Pendel, dass seelenruhig in Richtung Vergangenheit und Zukunft ausschlug…

An meine Eltern. Ich sah einen Schleier, der sich hob, um zu (ge)fallen…

Konstrukt

Neugierig betrachte ich jetzt gerade mein eigenes Konterfei, gebildet aus einem Bild meines 10jährigen Ichs und dem Gesicht meines Großvaters, mütterlichseits. Es scheint als würde ich eine Cappuccino-Tasse wie zu einem Gruß erheben. Wie sich zeigen wird, in Richtung des Pelzmantels meiner verstorbenen Mutter…

Sie liebte ihren Vater über alles, und sagte über ihn, dass ich ihm sehr ähnlich sähe. Vor allem in meinen jüngeren Jahren. Ich selber habe diesen Großvater nie kennen gelernt. Er starb vor meiner Geburt.

Im Labyrinth der Kunst finden wir jedoch alle ohne Probleme und in den unterschiedlichsten Zeiten leicht zusammen. Ein Vater grüßt seine geliebte Tochter. Über den Tod hinaus. Und ich gedenke meiner Mutter. Zusammen mit meinem Großvater, den ich nie in meinem Leben traf. Dem ich mich jedoch, auf einer anderen Ebene, sehr verbunden fühle.

Das will ich tun… zigtausend Mal

Als Sonntagskind erscheint mir bekanntlich das Glasmännchen. Und es sagt mir gerne, dass ich ein ein wahres Glückskind sei. Jeden Winkel des Universums könne ich anheben, um dort nach meinem Glück zu suchen. Läge es am Grund des San-Andreas-Graben, ich könnte von Neugier beseelt hinabtauchen. Genauso gut wäre es jedoch auch am Tresen einer Bar zu warten. Wir wissen nicht wirklich, wo genau das Glück verborgen liegt, offenbart mir das Glasgeschöpf. Wir hoffen, wir suchen, doch meist vergebens. Wir vergessen vor lauter Sucherei schlichtweg in unser Herz zu blicken, wir verspüren einfach keinen Drang dort Platz zu nehmen, sich auszuruhen, um endlich einmal zu Atem zu kommen. Nur im eigenen Herzen, so ein Rat meines Gegenübers, würden wir Spuren unserer Unsterblichkeit hinterlassen, nur dort könnten wir die Glut des Lebens lieben lernen. Vorausetzung für die spätere Ewigkeit sei jedoch unsere permanente Verwandlung. Wir könnten lernen daran nur glauben. Aber nur, wenn wir verstünden uns ein Bild von dieser Metamorphose zu machen: ein Bild, das ausschließlich zwischen zwei Herzschlägen existiert. Im gesamten Leben schlägt mein Herz durchschnittlich bis zu 3 Milliarden Mal. Noch bin ich weit davon entfernt annähernd so viele Bilder geschaffen zu haben. Doch jedem, der wie ich an einem Sonntag geboren ist, erfüllt das Glasmännchen den Wunsch nach den vielen, vielen Herzensbildern, wenn man es nur mit einem bestimmten Vers beschwört, unanständig schön, in einer Sprache, die nur noch aus Restfetzen besteht, die in einem Zweig hängen wie Tautropfen…

Das will ich tun.

Vorbereitung

Es existiert kein Unterschied, ob ich behaupte, ich bewege mich fort oder ich bleibe an Ort und Stelle auf ewig stehen. Denn meine Uhr tickt, egal wo ich bin, immer gleich schnell. Nur die Umherstehenden, diejenigen, die mich beobachten, sie bemerken Unterschiede. Sie attestieren mir äußerst selbstsicher, aus ihrer Perspektive betrachtet, dass meine Uhr langsamer ablaufe. Ich ticke in ihren Augen und Ohren nicht richtig, geben sie zu Protokoll. Oder noch extremer: ich sei aus der Zeit gefallen. Bloss wohin?

Wait Until Tomorrow

Camass, ich stehe hier frierend in deinem goldenen Garten / Habe meine Leiter an deine Wand gelehnt / Heute Nacht ist die Nacht, in der wir gemeinsam weglaufen wollten / Aber jetzt erzählst du mir das & Ich denke, wir sollten besser bis morgen warten… 

I think we better wait till tomorrow *

(* Jimi Hendrix)

Verzagte Poesie

Camass beugte sich vor und flüsterte mir zu: „Immerzu sitze da / in dir / und falte Erinnerungen zu kleinen Papierschiffchen / die ich in einer Pfütze meines Rest-Bewusstseins dahintreiben lasse / exhibitionistisch / bescheiden / wichtigtuerisch / mit dem Recht auf ein eigenes Leben / Nicht jetzt / später / allmählicher / jenseitiger / während der Wind in meinem Nacken mit seinen Fingern ein Frösteln auslöst / als würde ein Hauch von Vollendung über meine Haut streichen“