Das Es enthält die psychischen Repräsentanzen der organischen Triebe, die auf sofortige Befriedigung drängen. Es enthält außerdem das Verdrängte: Vorstellungen, die früher bewusst waren. Das Es ist von der Außenwelt abgeschnitten; unter dem Einfluss der Außenwelt entsteht aus ihm das Ich.
Erinnerungsklassiker
Die Kunst da draußen, die Kunst da drinnen. Alles verändert mich. Neue Definitionen verändern niemals die Realität, die neuen Begriffe verändern das, was ich für real halten will. Meine neuen Definitionen erschaffen mir dadurch eine neue Wirklichkeit, sie erstellen mir einen neuen Fragebogen nach meiner eigenen Identität. Ich richte die Sprache bewußt an mich selbst; sie verändert mein Ich, das aufhorcht, wenn es seinen Namen vernimmt. Meine Selbstbestimmung ist der langwierige Prozess eines inneren Umbaus, ich singe dabei meine Kinderlieder, laufe in einem selbsterbauten Labyrinth an endlosen Einzelbildern entlang. Als Fülle könnten sie mich durchaus einschüchern, aber ich stehe staunend davor, mehr denn je.
Das alles bin ich also?
Blues at a Midsummer nights dream
Befreit…
„Mein Tod ist ein Fetisch“, erklärte mir meine Schwester und fügte hinzu: „Es stimmt, es ist paradox, es gibt kein (un)glücklicheres Wesen unter der Sonne als einen Fetischisten=Künstler wie dich, der sich nach dem einem Bild sehnt und deshalb mit seinem ganzen Leben vorlieb nehmen muß.“ Das wird auch so weitergehen. „Immer wieder,“ so erwidere ich, „höre ich die Anderen über unsere Kunst reden, ich höre sie tuscheln. Sie glauben, alles wäre bloß ein Spiel. Aber es ist realer, als es ihnen scheint.“
Verzagte Poesie
Camass beugte sich vor und flüsterte mir zu: „Immerzu sitze da / in dir / und falte Erinnerungen zu kleinen Papierschiffchen / die ich in einer Pfütze meines Rest-Bewusstseins dahintreiben lasse / exhibitionistisch / bescheiden / wichtigtuerisch / mit dem Recht auf ein eigenes Leben / Nicht jetzt / später / allmählicher / jenseitiger / während der Wind in meinem Nacken mit seinen Fingern ein Frösteln auslöst / als würde ein Hauch von Vollendung über meine Haut streichen“
Ausnahmerolle
Erste Aufzeichnungen
„Hörst du?“ „Für einen Moment glaubte er, so könnte das Sterben sein, alles passt sich dem Atem an, verliert langsam an Dichte, fängt an zu schweben und verschwindet.“ (Arno Geiger) Was für ein schönes Zitat. Ich musste es mir und Camass sofort aufschreiben. So wie ich ihr in letzter Zeit viel geschrieben hatte, u.a.: „Camass, wir sind Dizygote. Liebste Camass, das bedeutet, wir entstanden aus zwei verschiedenen Eizellen. Bei unserem Aussehen ist das nur allzu schnell verständlich. Du kamst als ein Schmetterling, ich dagegen wurde als Künstler geboren, als ein Frosch, also als jemand, den kein Mensch gerne küssen wollte. Jeder von uns Beiden hatte sein eigenes genetisches Material. Und war ein völlig individuelles Geschwisterkind. Aber nicht nur das. Du warst eben ein Schmetterlings und du flogst uns sofort davon. Du unterschiedst dich also in einem noch wesentlicheren Punkt von mir: du warst von Anfang an tot. Camass, wer hätte das verhindern können? Hatte denn niemand gehört, das unsere Herzen unter einer natürlichen Entbindung abfielen? Und aus diesem Grund ein Kaiserschnitt vonnöten gewesen wäre? O, du warst eine kleine Raupe, verpuppt in unserem gemeinsamen mütterlichen Kokon. Alles war bei uns Zweien so anders. Niemand war darauf vorbereitet. Nicht einmal wir selber. Ich weiß, ich weiß, Bedürfnisse von Zwillingen, wie wir sie nun einmal sind, gelten als individuell, d. h. sie können sehr unterschiedlich sein. Was für dich als Totgeburt von Bedeutung war und noch immer ist, muß für einen Lebenden wie mich nicht zwingend notwendig sein. Oberflächlich betrachtet. Denn ich wurde in meinem späteren Leben eines besseren belehrt… Für eine Existenz wie dich, liebste Schwester, haben unsere Sinneserfahrungen keine Antennen ausgebildet. Dein Tot-Sein vor einem Leben erscheint uns geradezu unlogisch. Wir haben uns als Lebende so sehr daran gewöhnt, dass der Tod erst das Ende unseres Lebens darstellt. Doch bei dir war und ist es gerade umgekehrt. Es war dein Anfang. Uns Lebenden erscheint es falsch zu behaupten, dass Tote für uns eine reale Rolle im Leben spielen sollen und können… Es ist aber so. Glaube mir bitte, ich bin offen für all deine Ratschläge, die du mir gerade durch deinen Tod geben kannst. Denn die Kunstwelt, die ich bewohne, ist eine offene Welt. Sie schließt die Lücken, sie füllt die Leere in meinem Leben aus, auch und gerade durch den zu frühen Tod einer Schwester. Damit will ich sagen: Dein Verstorbensein ergänzt mein Lebendigsein. Wir vervollständigen uns…“ Aus diesem Grund bittet Camass mich auch immer wieder: „Bruderherz, zeige mir, wie es ist als Mensch zu leben.“ Und ich versichere ihr: „Du und ich, Camass, wir brauchen einander.“ Davon bin ich mehr und mehr überzeugt, denn nur so finde ich, finden wir Freiheit. Würde ich alleine etwas erreichen, was hätte ich davon? Nur indem ich mich mit jemandem über das Erlebte austauschen kann, verspüre ich erst Freiheit. Die Freiheit ist es, die das Alleinsein negiert. Oder anderes formuliert: Unsere gemeinsame Freiheit negiert die Einsamkeit. Deshalb reift Camass in meinem Herzen heran, wie ein totgeborenes Kind was unter meinem Herzen verborgen war, wächst sie nun, wird lebendig, sie dreht sich meiner noch melancholischen Ferne entgegen, wissend, dass sie diese auflösen wird. Je näher ich dem Tod komme, umso lebendiger wird sie. Das ahne es intiutiv, die Bilder beweisen es längst…“ Und während ich das schreibe, höre ich von Ozzy Osbourne „Changes“: I feel so sad / I lost the best friend / That I ever had / She was my SISTER / I loved her so. Genau das ist es: Changes. Änderungen. Vieles verändert sich… in mir. Es fühlt sich gut an. Sehr gut. Frei. Das ist wohl das Sterben und das Leben in der Gegenwart… früher mal bekannt als KUNST. Eine offene Kunst, Abgesperrt vom Weltgewimmel / Nur mit einem Streiflein Himmel… in der Hand. In meinem Herzen…
(Erste Aufzeichnungen aus meinem Buch, was es noch zu schreiben gilt.)
Remember Camass
Verzückt vom hübschen Gesicht der Bilder / Und der Olivenölstimme der Worte / That´s Amore / Feuchtigkeit / Wärme / Liebesbekundungen / Anblicke von unbenennbarem Glück / When the moon hits your eyes / Like a big pizza pie / Außer sich vor Wonne sein / Zwischen zwei Phänomenen eingeklemmt / Die fauchen und zärtlich kratzen / Bis alle Haut rot durchblutet schimmert / Ein Traum mit Goldrand / Vermerkt in unzähligen Bilder / Die noch folgen werden… von Camass.