Des Alltags fette Ausbeute

Anormale, Irre und Freaks sind die historischen Zerrfiguren der Normalität. Da will ich mal keine Ausnahme machen, setze mich also in meinem Atelier nieder und zeichne wie irre vor mich hin und her…

Wenn ich dann so zeichne, wie all die letzten Tage schon, summe ich gerne ein paar Liedchen. Am liebsten: „I’m Gonna Sit Right Down and Write Myself a Letter“. Und mein Freund Dean Martin singt dann stets schön schmalzig für mich weiter: „And make believe it came from you / I’m gonna write words, oh, so sweet / They’re gonna knock me off my feet / Kisses on the bottom…“  Er singt es und ich zeichne es für ihn.

Zeichnen ist für mich von jeher wie das Schreiben von Liebesbriefen. Ab Seite 10 und einer guten Flasche Rotwein, nähert sich das Schriftbild meines Liebesbriefes dann dem, was man gemeinhin als „Freie Grafik“ bezeichnen würde.

Angebliche Wahnsinnige wie Friedrich Hölderlin oder sich bekennende Wahnsinnige wie Ernst Stavro Blofeld, die, wie unser Blofeld, eine Welt schrecklicher Wunder­waffen erfinden, oder Personen, die mit Gott schlafen, die Heerscharen von Spionen und Überwachungsmaschinen phantasieren, mit Kaisern und Königen korrespondieren, Geschlechtsumwand­lungen am eigenen Körper beschreiben, gelehrte Trak­tate verfassen – an all diese so herrlich Wahnsinnige adressiere ich tagtäglich meine Liebesbriefe. Oder ich fordere sie alle keck zum Tanz auf! Denn wenn das Zeichnen dem Schreiben gleicht, dann gleicht das Malen natürlich dem Tanz. Heute erst forderte ich gleich drei Bilder auf mit mir herum zu wirbeln. Ein Herr Paris hätte nicht unsicherer seien können, wenn er hätte entscheiden sollen, welches das schönste Bild ist, was da so offen vor ihm liegt. Ist es dieses…

… oder ist es jenes Bild?

Es ist schier verrückt, aber so sieht mein Alltag einfach aus: schreiben…

… und tanzen.

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P.S.: Einige der obigen Passagen, ich gestehe, habe ich mir für diesen Brief stibitzt… aus: „Cicero – online, Magazin für politische Kultur“. Wichtiger als das, ist aber eh nur das Schreiben, wie das Tanzen. Und mein Weg dahin… dank meiner Kunst.