Ein Kiesel / träumt / ein Frosch zu sein / ein König

dazuliegen in einem Flussbeet, um erlöst zu werden von eine Hand, die durch die Oberfläche des Wassers bricht und den Kiesel tief berührt. Nur, dunkel alles, wird plötzlich wieder Licht. 

Es gab Zeiten, wo das reine, unverdorbene Wünschen noch geholfen hat. Das war eine Zeit der Träume, alle waren wir schön, und der oder die jüngste von uns allen war stets das schönste Geschöpf. Schöner noch als die Sonne selbst, die schon so vieles gesehen hatte. Sie verblasste geradezu vor der Schönheit dieser Zeit.

Unsere augenblickliche Gegenwart ist anders. Zwar gibt es immer noch Königskinder, und immer noch gehen diese vom Schloss hinaus in einen dunklen Wald, der unweit des Schlosses sich erhebt. In diesem Wald, unter einer alten Linde, dort ist, wie früher schon, auch heute noch ein Brunnen zu finden. Wenn heutige Königskinder Langeweile verspüren, gehen sie hinaus zu dem Brunnen und setzen sich auf seinen coolen Rand. In der Hand tragen sie alle eine smarte Königskugel. Deren Glätte ist die Signatur der Gegenwart geworden. Glätte ist geradezu unser aller liebstes Spielzeug geworden. Glätte verletzt uns nicht. Wir verspüren keinen Wiederstand. Solch eine glatte, wie auch goldene Kugel wird in die Höhe gehalten, die Königskinder betrachten sich zufrieden darin, ergötzen sich an der Inszenierung, aber langweilen sich paradoxerweise im selben Augenblick zutiefst. Vom eigenen Leben dermaßen gelangweilt lassen wir Königskinder (alle sind wir Königskinder!) das Smarte, das Göldene, das Blinki-Blinki in den Brunnen fallen. Wir blicken den Dingen hinterher, wie sie in den Brunnen stürzen, ein Brunnen so tief, dass wir keinen Grund sehen. Oder uns einen Grund vorstellen können und vermögen. Was diesen Brunnen von dem aus vergangener Zeit unterscheidet ist, dass der heutige keine Brüche mehr aufweist. Nirgends eine Abbruchkante, nirgends sind Risse zu erkennen. Er ist feinst geschliffen, geglättet, er ist designt. „Wow!“ sagen wir angesichts seiner glatten Oberfläche. „Wow“, stoßen wir aus, wenn wir Dinge in den Schacht fallen lassen. Auf eine nicht zu benennende, weil uns unangenehme Art und Weise, fühlen wir uns erleichtert. Nie soll man uns befragen: „Was hast du vor?“ Was könnten wir auch antworten? Vielleicht ein halbherziges: „Ich weine über meine goldene Kugel.“