Königliches Leben und Sterben

Der Autor und Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich schrieb einmal, dass, wenn sich König*innen und Künstler überhaupt einmal auf gleicher Augenhöhe begegnen wollten, dann gelänge dies nur in einem Künstleratelier. Beim Empfang einer königlichen Hoheit in einem Atelier wird dem Künstler bewusst werden, dass er nur dort, als Künstler, in sich die Möglichkeit verspürt, sich selber königlich zu fühlen. Denn nur dort, im Atelier stehen sich König*in und Künstler als gleichwertige Souveräne gegenüber. Auge in Auge.

Beide, König*in und Künstler, sind von Haus aus autonom. Mit Verlaub, mir ist das schon seit Jahrzehnten klar. Als Künstler bin ich vergleichbar eines/einer König*in, bin der Würdenträger meines souveränen Staates. Das Land, das ich regiere, es nennt sich Atelier. Hier herrsche ich. Und nur ich ganz allein. Was würde ich eine königliche Hoheit fragen wollen, käme man zum Tee vorbei? Ich würde wissen wollen: Was ist ein wirklicher Gedanke? Und welche Sätze sind Ihnen wichtig, um ein Licht auf diese Gedanken zu werfen? Nach dem Menschen würde ich fragen, nicht nach irgendeinem dummen Titel… ich würde Fragen stellen nach dem Leben, der Liebe, der Lust und dem Tod. Fragen öffnen ein spezifisches Tor: Das Tor zur jeweiligen Fragewelt. Will ich dahin? Will ich dort sein? Will ich dort verweilen, Antworten suchen, antworten – und die andere Welt, in der ich gerade bin (vor der Frage), verlassen? Wer bestimmt hier? Bin ich noch souverän genug, eine, diese, jede Frage abzuweisen, ihr Tor zu übersehen, mich nicht hindurch ziehen zu lassen?, so fragt sich der König, wie er so dasteht in meinem Atelier. Oder die Königin? Über mir steht niemand, sage ich ihr. Meine Geburt, mein Leben, mein Tod. Und: meine Entscheidung, eine Frage aufzunehmen, in sie einzuschwingen. Eure Grenzen mögen Flüsse und Bergketten sein. Meine Grenzen liegen am Ende einer Linie, am Ufer einer Farbe. Vielleicht begrenzt mich auch nur die Zeit. Aber selbst die werde ich überleben. ›When The Music’s Over‹…‚Cancel my subscription to the resurrection / Send my credentials to the house of detention’ (Kündige mein Abo auf die Wiederauferstehung / Schicke meine Referenzen an die Haftanstalt) / ‚I am the Lizard King – I can do anything’ (Ich bin der Eidechsenkönig – Ich kann alles): Ich schiebe einer Königin den Rock hoch, während sie einen Mann beim Sterben zusieht. Im An- und Augenblick des Todes will sie gerade jetzt nicht auf die Energie und die Impulse eines Künstlers verzichten… Keine weiteren Fragen mehr, meine Königliche Hoheit… Beide sehen wir nur nach farbige Sterne vor unseren Augen.