I’ve loved, I’ve laughed and cried

Lachen Sie nicht, aber Außenseiter wurden immer schon schief angesehen und teilweise sogar arg malträtiert. Mit Sprühsahne malträtiert oder mit Knüppeln geprügelt wie Besessene. Man sperrte Außenseiter in Schulschränke, tauchte sie in Eiswasser. Oder verfrachtete sie wie meinen Freund FRIEDRICH HÖLDERLIN, vielleicht kennen Sie ihn, in einen Narrenturm… Wissen Sie eigentlich, warum der Dichter verrückt wurde? Weil er gebeten wurde, so mir nichts, dir nichts, einfach mal so eben ein Gedicht zu schreiben… Einfach so, zack, zack, über ein Mädchen, an eine, die an seinem Turm vorüberging. Aber so funktioniert Kunst nicht. Niemals. An solchen Vorstellungen der Menschen über Kunst, da wird man echt bekloppt. Verstehen Sie das? Wenn deine Sinfonien niemand streamen will, dann komponiere doch einfach mal Fahrstuhlmusik, die Musik, die Kühe beim Abmelken beruhigt, das kannst du doch. Wenn mich jemand bittet, mal doch mal eben ein schönes Bild, das kannst du doch… schön muss es sein… nur richtig schön … ehrlich, ich weiß gar nicht, was das heißt… schön. Da kann ich doch nur verrückt werden.

Und deshalb gab und gibt es bei meinem Kunstverständnis nur eine Überzeugung…

Es geht nicht darum, dass Bilder gefallen. Sie sollen etwas mitteilen. Über die Liebe.

Das ist die ganze Wahrheit. Das ist meine Geschichte. Sie steht in meinen Bilder geschrieben. Man muß sie nur sehen können, die Wahrheit… die Liebe.

Leben im Sternenhimmel

Bevor meine Geschichte hier so richtig losgeht, eine kurze Information und der sichtbare Beweis, wie sehr, selbst die bizarrsten Worte in mir Bilder zum Klingen bringen können…

Worte helfen zu sortieren. Vorallem bei meinen Bildern. Worte helfen mir die Bilder ins rechte Licht zu rücken, ihnen die richtige Konstellation zu schenken. Nur meine Worte (ver)führen mich zu einer visuellen Anordnung meiner Bilder. Vergleichbar der astronomischen Phänomenologie. Einer Philosophie, die sich der Deutung der Sterne verschrieben hat. Sowie der Beschreibung der jeweiligen Stellung der Sterne untereinander. Doch eine Sternenkonstellation, die wir in unseren Breitengraden z.B. „Großer Wagen“ nennen, erklärt der bekannte Autor und Dichter Raoul Schrott, war für die Maya ein göttlicher Papagei, für die Inka der einbeinige Gott des Gewitters. Für die Inuit sei sie ein Elch gewesen und für die Araber eine Totenbahre. „In einer Zeit vor der Schrift war unser Sternenhimmel ein Kino der Nacht“, schreibt der Schriftsteller kenntnisreich in seinem neuen Buch „Atlas der Sternenhimmel“. 

Bei mir kommen in letzter Zeit indes die Worte vor den Bildern. Die Worte schieben sich regelrecht ins Bild. 

Mit ihrer ungeheuren Einbildungskraft hätten die Menschen in den Sternen ihre ältesten Kunstwerke geschaffen, argumentiert Schrott. 

Durch die Gestaltungskraft der Worte, um exakt zu sein, versuche ich mit meinen Bildern ein Werk zu schaffen. Ein Werk, durchaus vergleichbar einer Sternenkonstellation. Wohlwissend, dass von jedem Standpunkt auf unserer Welt der Sternenhimmel, also der Anblick meiner Kunst, ein völlig anderer sein wird.

Unlängst steige ich wortreich in die vielen Archive meiner Erinnerungen hinab. Dorthin, wo ich längst unsichtbar geworden bin. Wo ich nur noch als eine fixe Idee von mir selber herumgeistere. In meinem großen Kunst-Seelenarchiv halte ich Ausschau nach jenen Konstellationen von denen ich eingangs schrieb. Ich suche nach all dem, was mich auszeichnet. Ein zauberhaftes Wort, erinnert es mich doch an „fertigbacken“. Ich suche demnach nach einer Konstellation, die von mir nur noch erhitzt werden muß. Um es dann, wenn das „jüngste Gericht“ fertig ist, sofort zu signieren, eine Tätigkeit, die für mich fast nach servieren klingt. By the way: Mein Leben ist dem Sternenbild des „Großen Wagen“ gar nicht so unähnlich, finde ich. Vielleicht nicht ganz so perfekt, nicht so glänzend. Fehlt mir bei meinem „Großen Wagen“ eventuell noch das Ersatzrad? Moment! Ich habe auch kein Warndreieck im Kofferraum, keinen Verbandkasten, keine gelbe Warnweste. Ich fahre Kunst mit vollem Risiko, bin nicht einmal angeschnallt… Aber fehlen tut mir eigentlich nichts. Ich hänge nicht an irgendwelchen Fäden. Ich fühle mich frei.

Anders als bei einer Kollektion, besitzt meine Kunst-Konstellation all ihre Einzelteile. Denn nichts darf wahnhaft fehlen. Mein Werk ist eben keine Sommer-Herbst-Winter-Frühlings-Kollektion, bei der einzelne Teile bei einer Schau auch schon einmal fortbleiben dürfen. Nein. Niemals. Kein Ich darf von mir in der Zeit zurückgelassen werden. „I’ve been living next door to Alice / Twenty-four years just waiting for a chance / To tell her how I feel / and maybe get a second glance…* “; ich lege zwei Sternenblätter von mir nebeneinander auf den Atelierboden und erkenne sofort die Konstellation mit Namen „Ein Spiegelbild zweier Clowns“ wieder.

„Augenblick, bitte!“ höre ich da plötzlich eine Stimme sich laut erheben. „Nachdem im Laufe der Zeit die Zahl der teilweise willkürlich und ohne System angelegten Sternbilder mehr als 100 erreicht hatte, legte die IAU (Internationale Astronomische Union) in ihrer ersten Sitzung 1922 eine Liste von 88 Sternbildern verbindlich fest“, doziert Prof. Dr. h.c. Wikipedia knochentrocken auf mich ein. Da muß ich schallend lachen. 100 Sternenbilder? Die schaffe ich doch in einer einzigen Nacht. Die bereite ich mir als ein Menü zu, dass ich mir tagsüber munden lasse, eine Kombination von Worten und Bildern, in mehreren Gängen durch „die Labyrinthe der Wirklichkeit“ und „auch in das bloß Mögliche, in die Vergangenheit wie die Zukunft“ (Christoph Ransmayr).

Eins noch, bevor ich zwischen meinen Sternenbildern gänzlich verschwinden werde. Der letzte Stern, der von unserem gesamten Universum übrigbleiben wird, sagen unsere Wissenschaftler, wird ein sogenannter roter Zwerg sein. Und die Zwerge mit ihrer (laut Überlieferung) meist roten Kopfbedeckung, wir erinnern uns, stehen im übertragenden Sinne, nicht nur im Märchen, für einen Künstler. Ich danke Ihnen.

 

* Die Liedzeile im obigen Text ist übrigens von Chris Norman.

Wundersame Knospung

Seit geraumer Zeit ergänze ich ältere Werke von mir. Nicht, weil sie mir in irgendeiner Form unperfekt erscheinen, eher weil sie darauf gewartet haben, dass ich den Dialog mit ihnen jetzt weiterführe… Eine Mappe beschrifte ich mit meinem Credo:

So betrachtet begegne ich mir selber auf zahlreichen Feldern aus Papier. Dabei komme ich aus einer neuen Richtung, aus einer anderen Zeit, bringe Dinge mit, von denen ich früher nichts ahnen konnte. Die beiden Ichs spielen ein Spiel vor mir…

… als mein zukünftiges Ich betrachte ich dieses bedingungslose Tun mit Freude.

Einlagerungen in meine Außenzeit

Um mich selber köstlich zu unterhalten, habe ich mein permanentes Altern erfunden. Seine heutigen Bilder verknüpfe ich gerne mit Bildern aus seiner Jugendzeit…

Alles binde ich mir zu einem unendlichen Band des Vergnügens zusammen; steigere mich in eine künstlerische Übertreibung hinein, um mich dann selbst zu fragen, wer ich denn eigentlich & wirklich sei. „Simultaneität“ ist der Name, sage ich zu mir. Denn mehrere Leben und derer Geschichten werden schwungvoll zu einem einzigen Ich verwoben. Auf unterschiedlichen Ebenen verquicke ich meine Bilder zu aufgeschlossen und zugleich verschlüsselten Phantasmagorien.

Meine Werke sind mir unlängst Einlagerungen in meine „Außenzeit“ geworden.

Kunst als Störungstheorie

Vor Kunst stehe ich staunend wie vor einer Blume oder einer mathematischen Formel. Nie hat mich dabei die Frage nach irgendeinem Ergebnis gequält, der reine Anblick war und ist mir Freude genug. Kunst ist mir ein Irrsinnskokon, irrational wie eine Diagonale im Herzen quer, eine Wurzelzahl aus – ach, zwei Seelen in meiner Brust- gerechnet und verflucht, bis zur Unendlichkeit und darüber hinaus. Um bloß keinem Ergebnis, keiner Erkenntnis auf den Grund zu kommen oder den Leim zu gehen. Meine Existenz ist mir nur ein Annäherungswert an mich selbst. Sie liegt zwischen den beiden Seelen für immer verborgen. Ich vermute sie in der kurzen Stille zwischen den Herzschlägen… dort bin ich ein Ich, das von sich sagt:

Exaltierte Gefühlsformen

Wenn Freiheit bedeutet, dass wir etwas sagen können, dass andere nicht hören wollen, dann ermöglicht Bildende Kunst etwas zu kreieren, was andere nicht sehen möchten. Meine Autonomie als freier Künstler erlaubt es mir sogar Dinge zu malen, die ich selber nicht für möglich gehalten habe. Diese Freiheit nehme ich mir allzu gerne.

Ausgehend von einer wirklich alten Zeichnung meinerseits, die ich als Jugendlicher machte, fast noch ein Kind, und mit Hilfe von einem Freund, der meine (Kinder)Zeichnung in den letzten Wochen einer KI anvertraute, vertiefte ich mich in die Lektüre von Heinrich von Kleist. Seine Texte über das Marionettentheater ließen vor meinem inneren Auge verwirrendste Bilder entstehen.

„Übergänge und Verwandlungen…undurchdringliche Unklarheit des erotischen Verlangens.“ So Stefan Zweig über den Dichter Kleist und seine Kunst. Zweig könnte so auch gerne über mich urteilen.

Welche Folgerungen ich über meine kleinen, dramatischen Burlesken ziehen werde bleibt abzuwarten. Auch diese Freiheit nehm ich mir.