Zum Verständnis der „schwierigen Bilder“

„Was wollen Sie uns damit sagen?“

Sagen? Mehr denn je frage ich mich, ob Kunst etwas zu sagen hat. Ob sie überhaupt in Übereinstimmung mit einer Ortsbeschreibung zu bringen ist. Sogenannte Experten suchen in der ominösen Kunst stets nach Überschneidungen zwischen meinen persönlichen Schilderungen und den gesellschaftlichen Gegebenheiten bzw. politischen Strömungen in der Zeit. Ist Kunst aber nicht in Wahrheit (& Lüge zugleich) eine seltsame Expedition, die sich mit Sorgfalt, Hoffnung und einer völlig leeren Meereskarte aufmacht, um etwas zu finden, was nicht zu finden ist? Der Chor der Ältesten befragt mich dazu, man will meinen Namen wissen. Das bedeutet, ich muß, wenn auch widerstrebend, von meinem früheren Leben berichten. Obwohl, ich gestehe, so freudlos gehe ich gar nicht an diese Lebensbeichte heran. Ich trage sehr gerne ein Gemisch aus Wasser und Honig auf sämtliche Malgründe auf; die Bilder, die dadurch entstehen, sie werden so zu meinen Zeugen. Sie sollen und dürfen mich zu der Stelle (ver)führen, woher ich kam. Der ich einst den Rücken kehrte. Denn nur durch diese innere Geisteshaltung vermag ich zu ihr zurückzufinden.

Fiebertraum

Meine Kunstgeschichte mag schrecklich erscheinen. Aber es ist meine Kunstgeschichte. Sie wiegt mich sanft zwischen den Zeiten hin und her. Ein Ich von mir liegt dabei im Sterben, ein anderes im Werden. Beide in einem geschlossenen String, der Endpunkte besitzt, die an zweidimensionale Flächen anknüpfen können. So orakelt es mir jedenfalls die Quantentheorie. Mag alles möglich sein. Meine Zeit betrachte ich deshalb wie vibrierende, farbige Fäden, an deren unterschiedlichen Schwingungszuständen sich verschiedene Elementarteilchen eines meiner vielen Ichs zu manifestieren verstehen. Das alles ist einem Fiebertraum absolut nicht unähnlich, das weiß ich. Ein Ich sitzt einfach nur da und wird zu einer Mannigfaltigkeit, zu einem aufgerollt komplexen, vieldimensionalen Raum. Wenn das mal nicht wie Poesie in meinen Ohren klingt: Das eigene Ich, eine Faltung der Materie; ein Labyrinth, vielfältig, weil es so viele Falten besitzt. Falten, die zu feinen Linien auf einem Spiegel aus Papier werden, einer Unendlichkeit meiner Fantasie, zu einer ›zwei- bis vielbrüstigen‹ Diana, die vielleicht für Gott, für die Natur, für das Laster, die bestimmt aber für meine Kunst steht, die für meine Revolution in Anspruch genommen wird. Sie nährt mich wohl, diese Fantasie. An ihrem Busen let me rest. In meinem Fieber(t)raum.

 

Die prächtigen Schweinebilder der Kunst

O wie freute sich unser Ritter, als er diese Rede getan! Und es verhielt sich dies so – wie man glaubt –, daß an einem Ort in seiner Nachbarschaft des seinigen ein Mensch lebte, der nannte sich Galerist. Dieser stellte das absolut Neuste vom Neusten aus. Ohne einmal richtig nachzudenken.

Unser Ritter nannte seine Bilder dagegen nur schlicht und einfach, zärtlich leise ausgesprochen, Kunst. Ein Name, der nach seiner Meinung wohlklingend, gleichwohl etwas sehr Besonderes war.

Die Paradoxie bei ausgestellter Kunst

Was soll das?

Nun, die Paradoxie der ausstellenden Kunst lautet / Nie darfst du einen Menschen / Der nicht zur Familie gehört / Merken lassen / Was du denkst / Glaub mir / Postkulturelle Pornografie / Braucht der Mensch wie einen Bissen Brot / Und wenn wir kein Brot haben / Sollen wir Kuchen nehmen / Nach ihm schnappen / Wie nach einer Hostie / Klar soweit / So lang ein Mensch noch träumen kann / Wird irgendwann ein Traum in Erfüllung gehn / Um sich seine Wege in die sträubenden Wolken zu lenken …

Immer schon habe ich aufgrund solcher Träumen mir meine Bilder geschenkt.

Gewissen / Haft

Die Sprache meines Traumes / Ist die von geflüsterten Beschwörungen / Ihre Kraft läßt Spiegel erblinden / Kristalle bersten / Die Nacht wird ausgedehnt / Über den Kosmos hinweg / Ein großes Orchester spielt den Soundtrack ein / Soviel Vogelgezwitscher / Trommelschläge / Das Gezirpe von Geigen / Improvisiertes Jauchzen / Schreie à la Zappa / Alles gleicht dem Rauschen meines Blutes / Mir unvernehmlich / Ein zugeschüttetes Geräusch / Das Pochen eines Holzwurms im Seelengebälk / Und doch bin ich mir der Traummusik gewiss / Verleugne ich doch auch nicht die Sterne am Tag

Alles eine Frage der Ein- und Ausstellung

Mein zivilisiertes Ich hält sich für einen König / Am Hofe einer Königin / Am Fuße eines Narren / Es begehrt gegen das Licht der Sonne auf / Nur um zu erblinden / Das ewige Ich erschlägt den übergroßen / FATHER? / YES, SON? / Schläft mit der Mutter / I WANT TO F#@k YOU / Sticht sich (noch einmal) die Augen aus / Erblindet zum zweiten Mal / Dämmert dahin als ein Uraltes / Dass nichts mehr weiß / Oder nichts mehr wissen will / Und erlernt mit der Kunst eine Sprache / Die durch ein einziges Wort / Das Schloss an den Gittern seiner Zelle öffnet / Es ist ein Wort / Das einem Bild von mir gleicht…

Der autonome Künstler

… seine Entzückungen einzig nur aus sich selber züchten und einzig für sich allein; … völlig gleichgültig und gewichtslos, wieviel ein Buch, ein Geschehnis allen anderen gilt … schön nennt er ausschließlich, was ihm gefällt, richtig, was er augenblicklich als zugemessen erachtet, verächtlich, was er verachtet … Und wer von jenen, die ihre Meinung über ein Buch, ein Bild, ein Ereignis aus scheinbar eigener Wertung formen, hat noch den Mut, sie konsequent zu wagen gegen eine ganze Zeit, gegen eine ganze Welt? … die Luft der Welt steckt in unseren Lungen, in der Herzkammer selbst, unsere Urteile und Ansichten reiben sich an unzählig viel gleichzeitigen und schleifen sich an ihnen unmerklich ihre Spitzen und Schärfen ab, durch die Atmosphäre schwingen unsichtbar wie Radiowellen die Suggestionen der Massenmeinung. (Stefan Zweig)

So sehe ich das.