Mein Corona-Tagebuch

Die Kunst gibt mir meinen Namen. Und sie hilft mir nicht „Opfer der vollständigen Auflösung [meiner] Psychose zu werden“ (frei nach Jacques Lacan wäre das jedenfalls so). Aber ob das nun stimmt oder nicht, soll hier nicht von Bedeutung sein. Interessant ist mir hier und heute nur, wie ich bis dato, über 1000 Artikel lang, die angebliche Realität aus meiner Kunstwelt heraushielt. Indirekt wenigstens. Aber dann verfasste ich am 12.2.2020 in einem meiner Tagebücher folgende kleine Notiz: 12 Monkeys in Wuhan, China. Das Virus breitet sich weiter aus… [& dann ging es weiter]

24.2.2020 – …Erneuter Corona-Toter in Italien. Also vor unserer Haustür. Gewässer aber rieseln herab und sanft / Ist hörbar dort ein Rauschen den ganzen Tag…

2.3.2020 – In 10 von 16 Bundesländern sind inzwischen Coronafälle dokumentiert. Und Tag zu Tag werden es mehr. Faszinierend wie ein Virus uns zeigt, das niemand mehr behaupten kann, er habe mit dem Rest der Welt nichts zu tun, der Sack Reis in China, der umkippt, der interessiere nicht…

11.3.2020 – Das Corona-Virus hält die Presseberichtemeute in Atem…

12.3.2020 – Die USA lässt keine Flüge aus good old europe mehr ins Land der nur scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten. Grund ist die Corona-Epidemie. Donald Trump wird von einem Virus in die Knie gezwungen…

13.3.2020 – Der taumelnde Präsident…

15.3.2020 – Donald Trump ist NICHT an Corona erkrankt. Fake News?! Alle Alphamännchen bitte in Quarantäne schicken…

16.3.2020 – Wie gut, dass Mutti die Corona-Pandemie nicht mehr miterleben musste. Sie wäre hysterisch geworden. Wer hätte einkaufen sollen für sie? Na, ich; aber sie hätte mich mit Sicherheit nicht mehr in die Wohnung gelassen. Wegen der Ansteckungsgefahr. Wahrscheinlich hätte ich wie blöde „stundenlang“ im Flur stehen müssen, um durch die Tür mit Ihr zu reden und sie zu beruhigen…/ / … Friedrich Engels. Ludwig van Beethoven. Friedrich Hölderlin. Die Namen der Jubilare sind exquisit. Ludwig Van wird wahrscheinlich den Vogel abschießen. Wenn er noch zu Gehör kommt. Wegen der Virus-Krise werden überall Konzerte abgesagt. Da lieb ich mir doch Hölderlin. Seine Gedichte kann ich mir selber

17.3.2020 – Zur Krise der Liebe, schreibt Byung-Chul Han, führt nicht so sehr eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern die zunehmende Narzissifizierung des Einzelnen. Byung-Chul Han spricht nicht explizit von Donald Trump, Boris Johnson & Co., aber ich muss sofort an diese Personen denken. Für den Narzissten verschwindet der Andere, das Gegenüber… Und genau das sieht man in der Corona-Krise. Wie sollen Trump und Johnsonn reagieren können, spüren sie den anderen Menschen, ihre Mitbürger doch gar nicht… // Igor Levit streamt gegen die Einsamkeit an. Gegen unsere Vereinzelung, Kleinmut und Ratlosigkeit in Zeiten, in denen tatsächlich die Freiheit eingeschränkt wird wie nie zuvor…

19.3.2020 – Ich denke über die Liebe in den Zeiten von Corona nach… Susanne fragt mich, ob ich nicht ein „Corona-Tagebuch“ anfangen könnte… Ein Freund fragt mich, per Email, ob ich künstlerisch auf Corona reagieren würde und könnte…

20.3.2020 – Ich kombiniere in einem Artikel zwei, drei kurze Gedichtzeilen von Friedrich Hölderlin und das Bild des Corona-Virus (≈ Gottvater Zeus?) … […]