Der Nachklang

„Mein innerer Körper schickt sich an zu vibrieren, wie von Trompetenstößen aufgeschreckt, die einander antworten und sich übertönen: der Reiz hinterlässt eine Spur… : von einem Nichts ausgehend, entfaltet sich ein ganzer Diskurs der Erinnerung…“ (aus Roland Barthes „Fragmente einer Sprache der Liebe“). Eine zauberhafte Beschreibung meiner Kunst, meines Verständnisses von ihr.

 

Therapiesitzung

Therapeut: „Und warum glauben Sie, Sie wären Rembrandt? Ist es das Talent?“

Rembrandt: „Nein, meine Unfähigkeit mit Geld umzugehen. Kaum Kunden, stets am finanziellen Abgrund.“

„Aber Rembrandt war ein gefeierter Künstler. Alle sprachen über ihn.“

„Nur das Geld sprach leider nicht zu ihm.“

„Spricht Geld nicht alle Sprachen?“

„Na, meine jedenfalls nicht.“

„Was sprechen Sie denn so?“

„Sagte ich das nicht schon: Kunst.“

„Aber davon sollte man doch gut leben können; denken Sie doch nur an Gerhard Richter.“

„Moment, ich spreche hier von Kunst und nicht über Blanko-Schecks für Galeristen und Spekulanten.“

„Sie sind ungerecht.“

„Besser ungerecht als diese ewige vorgespielte Gerechtigkeit.“

„Die da wäre?“

„Ein Bild stellt sich dar als das Unübersichtliche, Unlogische, Unsinnige.“

„Ist diese Weisheit von ihnen?“

„Nein, von Gerhard Richter.“

„Sie mögen den Mann nicht.“

„Ach, wissen Sie: zwei Dinge sind bei der Kunst nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen.“

„Und?“

„Gerhard Richter hat nur vier läppische Werke in den Müll geworfen. Stand lang und breit in der Presse.

„Ja, ich hörte davon.“

„Herr Richter, der Müllmann ist da… Och, sagen Sie ihm, ich habe nichts mehr für ihn.“

„Ahhhh, ja, sehr witzig… Haben Sie noch nie etwas weggeworfen?“

 „Aber sicher doch. Allerdings ich hab wenigstens zuvor ein großes Loch in meine Arbeiten geschnitten, damit niemand was mit meinem Müll anfangen kann.“

„Verstehe. Gute Idee.“

„Bringt aber nichts. Ich hab es schnell heraus gefunden. Eine Person klaute mir selbst diesen Sperrmüll und rühmte sich später sogar noch damit.“

„Was macht man denn mit einer Leinwand mit einem Loch darin?“

„Man klebt einen singenden Fisch dahinter.“

„Das ist jetzt ein Scherz?“

„Ein Scherzartikel! Der singende Fisch reagiert auf Bewegungen und fängt dann an zu singen und rhythmisch mit der Schwanzflosse zu wackeln“

„Und was singt der dann so?“

Don’t worry be happy und I will survive.“

„Na, sehen Sie… das sind doch schöne Lieder; wenn die nicht mal gut zu einem Künstler wie ihnen passen.“

„Ein anderes klassisches Liedgut hätte mir aber besser gefallen.“

„Und das wäre?“

„An meinen Bildern müsst ihr nicht schnüffeln, die Farben sind giftig.“

„Das kenn ich gar nicht. Ist das von Bach?“

„Nein, von Rembrandt.“

Überlegungen aus einem Zwischenstand

Meine Kunst, wenn ich das Wort Kunst überhaupt benutzen möchte, weil es ebenso wie das Wort Liebe von Lügnern, Verrätern, Politikern, Täumern, bipolaren Existenzen zu sehr missbraucht wurde, ist ein ZWISCHEN von Wort und Bild, eine Linie, an der ich mich entlang bewege, auf der Suche nach einem Ursprung, einer Quelle, auf deren silbernen Oberfläche ich möglicherweise mich selber wiederfinde. Werde ich mich aber überhaupt erkennen können?

Meine narrativen Erinnerungen formen in meinem Geist Wörter, die ein Bild auf ihrem Schoß halten. Ebenso sehe ich Bilder, die Wörter in ihrer Mitte (aus)tragen. Hier hilft keine Übersetzung mehr. Wenn, dann kommuniziere ich eher mit Händen und Füßen, einen Stein auf meiner Zunge. Das was ich meine Kunst nenne, es gleicht einer Reise ohne jeglichen geografischen Bezug. Wenn ich meine zu träumen, dann schaue ich in die Welt. Blicke ich in mich hinein, dann erwache ich in einer mir vertrauten Fremde.

Ich entdecke dort, was ich denke. Und meine Gedanken werden zu schönen Hermaphroditen, zu Zwittern von Wort und Bild zugleich. Die Linie, von der ich oben sprang ( – ich verschrieb mich hier, als ich meine Überlegungen handschriftlich in meinem Tagebuch festhielt. Ich wollte eigentlich sprach schreiben, aber das Unterbewusstsein hatte wohl recht) – die Linie, von der ich tagtäglich springe, über die ich SPRINGE HÜPFE TANZE STEPPE, sie ist eine Grenze zwischen innen und außen, sie ist ein Ort gemeinsamer Widersätze und -sprüche, ein Ort, an dem die Faust noch sichtbar ist, auch wenn die Hand geöffnet ist, ein Ort von großer Objektivierung all meiner Existenzen. Diese Linie ist meine Rettungslinie, die nicht gradlinig verläuft. Sie hinterlässt vielmehr in dem Zwischen ein…

Sacré Cœur

Und gäb es in Europa ein Wasser, das mich lockte, so wärs ein schwarzer Tümpel, kalt, in der Dämmernis, an dem dann eins der Kinder, voll Traurigkeiten, hockte und Boote, falterschwache, und Schiffchen segeln ließ’. (Arthur Rimbaud)

Ich Träumer.

Ein Sack- und Bedenkenträger behauptete klipp und klar: „Eine Frau hat keinen Platz als Künstler, bis sie wieder und wieder beweist, das sie nicht verdrängt werden kann.“ Nun, ich lasse mich nicht verdrängen, ich muss demnach eine Frau sein. „Es ist einfacher, vor der Welt, die den Männern gehörte, im Verborgenen zu bleiben, sagte sie, doch am Ende betrachtete sie ihre Zeit des Verborgenseins als Glück.“ Ich Träumer?

Mag sein. Ich bin diese SIE. Und das Verborgene ist mein Atelier. Keine Frage. Ich ist auch ein anderes ich. Mein „Ich“ ist auch wie sie. Oder, wie die „Kleinsche Flasche“, eine nicht-orientierbare Fläche. Umgangssprachlich formuliert hat sie und ich also die Eigenschaft, dass innen und außen nicht unterschieden werden können, oder anders formuliert, dass sie nur eine einzige Seite besitzt, die gleichzeitig innen und außen ist. Ist das zu glauben? Ich bin von mir wirklich selber immer wieder überrascht.

(Zitate von 1. Louise Bourgeois und 2. Siri Hustvedt)

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Dies alles gibt es also

Meine Atelierwand könnte ich durchaus als Salonhängung bezeichnen. Also eine besonders enge Reihung von Gemälden oder, wie in meinem Fall, von Fotografien, Postkarten, Zeichnungen und diversen Objekten. Die Salonhängung zielt, so sagen Kritiker, bekanntlich darauf ab, den Betrachter durch die schiere Menge der versammelten Kunstwerke zu beeindrucken. Objekt der Bewunderung ist letztlich nicht das einzelne Bild, sondern derjenige, der über die Mittel verfügt, sich so eine Sammlung zusammenstellen zu können. Die heute gebräuchliche, weitaus sparsamere Hängung von Bildern lässt das Einzelkunstwerk (und den Künstler) stärker hervortreten. Was absolut okay ist.

Wie dem auch sei: ich finde es schlicht schön, wenn´s so üppig ist. Als barocker Minimalist liebe ich meine kleine Atelierhängung. Es ist, als ob ich (m)eine Geschichte vor mir sehe. Manchmal denke ich, die Atelierwand verrät viel über mein eigentliches Werk.