An lichtgewobener Kette

Aus meinem Skizzenalmanach: „An lichtgewobener Kette muß ich hängen / Aus hohen Himmeln in das trübe Leben, / Genötigt hin und her zu schweben, / Weil sanfte Ätherwellen mich bedrängen…

Man haucht mich an mit Worten und mit Klängen, / Und schon will meine Flügelwaage beben. / Um die Erschütterungen aufzuheben, / Dreh ich mich in den ewigen Gesängen…“ (Ach, Hugo Ball, mein guter Freund, Du formulierst exakt die Worte, die es verstehen meinen Engel ganz tief in seiner Seele zu berühren und ihn zauberhaft für mich beschreiben. Und ich fürchte mich deshalb auch nicht vor ihm, diesem Wesensbild der eigenen Person. Im Gegenteil.) Denn „so sieht man wohl in frommen Kemenaten / Aus Watte und aus Werg an einem Faden / Die Geistestaube schweben im Geviert.“

Meine Zeit Räume

Verzögerung. Verlangsamung. Umwege. Ablenkung. All das sind zeitliche Möglichkeiten des Erotischen. All meine Aufzeichnungen zirkulieren im Rätselhaften, im Verborgenen fühlen sie sich zu Hause. Sie rekeln sich auf meinem Bett, das einer Palette gleicht.

Meine Geständnisse sind nicht wirklich vernehmbar. Und wenn doch, lauschen wir nur einem kleinen Tropfen, der singend in eine Brunnentiefe fällt… und fällt… und fällt…

Jugendliche Aneignung fremder Schönheit

Mit dem Begriff Aneignung können verschieden akzentuierte Bedeutungen bzw. Konzepte in Philosophie, Soziologie, Psychologie und Religion gemeint sein. Mit dem erweiterten Begriff Kulturelle Aneignung wird die Übernahme eines Bestandteils einer Kultur von Mitgliedern einer anderen Kultur oder Identität bezeichnet. Die Menschen einer dominanten Gesellschaftsgruppe bedienen sich aus der Kunstgeschichte, den Slang-Wörtern oder sonstigen kulturellen Elementen einer Minderheitskultur, einfach weil sie es cool finden… Ich entschuldige mich für solch eine schandhafte Unreflektiertheit.

Ich war jung und brauchte einst die Kraft eines Symbols für Leichtigkeit, um überhaupt voller schamhafter Neugier auf das vor mir drapierte Göttliche schauen zu können. Lächelte die Schönheit mich an, herab aus einem nach meinem (Kinder-)Glauben gestalteten Himmel, dann hob ich errötend meinen Blick schnell auf die weit über mir schwebenden Vögel. All das ist nun natürlich vorbei. Längst habe ich Federn lassen müssen. Als Bübchen mit heißem Verlangen sah oft ich zur Nachbarin hin. Dort sah einen Kirschbaum ich prangen. Der lud mich zum Naschen ein. Aber mir ist bewußt geworden: All diese Momente werden verloren sein in der Zeit, so wie Tränen im Regen. Ich weiß zu genau, was mir ansonsten droht… ach, die Kirschen auf fremdem Revier, die sind viel zu süß und zu rot…

Zweifacher Maillol

Was kann ich von Maillol lernen? Sehr viel. Die Kleinplastiken aus der Anfangszeit des Künstlers sind z.B. deshalb so überzeugend, weil der Künstler mit seiner Ehefrau Clotilde stets sein Idealmodell vor Augen hatte. Ihr Typ und ihre Proportionen wurden für sein bildhauerisches Werk wegweisend: „Ich habe eine kleine Frau geheiratet. Ich habe immer kurze Beine vor Augen gehabt. Deshalb suchte ich die Harmonie der kurzen Beine. Wäre ich mit einer langbeinigen Pariserin verheiratet, dann hätte ich vielleicht die Harmonie der langen Beine gesucht.“ So Aristide Maillol. Und ich? Auch ich habe Tag für Tag eine Harmonie vor Augen. Auch ich bin verheiratet.

Stop! In the name of love

Stop! In the name of love / Before you break my heart / I’ve known of your / Your secluded nights / I’ve even seen her / Maybe once or twice / But is her sweet expression / Stop! In the name of love …

Before you break my heart…   (The Supremes)

Heldentaten der Selbstkasteiung

Wenn ich es recht bedenke, dann formen sämtliche Bilder meines Werkes ein Raster, das sich über die Dinge der Welt legt. Solch ein Raster, es gilt bekanntlich als eine Sonderform der Struktur. Es ist jene normgebundene Flächengliederung, bei der u.a. Punkte streng geometrisch gereiht auf einer Fläche angeordnet sind. Meine Rasterfreude entflammt sich im Spiel u.a. an gelben Rasterfolien, die ich über jene Teile der Welt lege, die mir interessant und würdig erscheinen. Augenscheinlich erwacht dabei eine barocke Lust am Fabulieren in mir. Eine Lust, gesteigert zur wahren Rasterleidenschaft und gespeist aus einem Gefühl, das einem überbordenden barocken Minimalismus zuzurechnen ist. Dieses ausufernde und berauschende Gefühl sprengt am Ende stets meine mich begrenzende Rasterzelle, damit ich mich im Raum, völlig verwandelt, entfalten kann… immer und immer wieder. So fällt mein eigenes Zeitraster in sich selbst zusammen… und ich atme frei. 

Geständnisse des Fleisches

Zeige mir, was du malst. Und ich sage dir, wer du bist.

Kann Kunst über mich die absolute Wahrheit sagen? Oder ist es nicht vielmehr so, dass ich im Bild und durch das Bild und so vor aller Augen meine Sünden gestehe? Und die Kunst mir dafür Erlösung verspricht? Der Philosoph Michel Foucault schreibt in seinem Werk „Die Geständnisse des Fleisches“ von einer Pflicht des Subjekts zur stetigen Problematisierung des Verhältnisses von Freiheit und Natur, von Vernunft und Begehren… Welcher mit gesundem Geist Begabte sähe es … nicht lieber, dass uns von der Natur überhaupt keine Wollust(gefühle) gegeben wären?

Nun, ich gestehe hier nur allzu gerne, ich würde die Wollustgefühle wählen. Immer und immer wieder.

Nachtidyll

Mir war bis dato gar nicht bewußt, dass ich auf einem meiner neuen Bilder die Buchstabenkombination CAE lesen kann, die Abkürzung für Computer-aided engineering. Dieses Kürzel steht also (auf gut deutsch) für eine rechnergestützte Entwicklung, was jetzt wiederum hervorragend zu einer Spezifikation all meiner „New Digital Paintings“ passen könnte. Allerdings ist CAE schlichtweg kein schöner Titel für ein Bild. Denn „gern von meinem Fenster schau ich / Träumend in die schönen Nächte, / Wenn Selenes Silbernadeln / Emsig stickend, leis erklingen…“ Ob rechnergestützt oder nicht, ich „fühle vor der feinen Arbeit / Immer mich als wie vor Wundern / Und die flügelmüde Seele / Läßt sich still zur Ruhe nieder.“ *

(*Hugo Ball)

Jenseits des Realitätsprinzips

„Jenseits des Realitätsprinzips? Was meinst du damit?“ fragte der Kunstkritiker mich streng, „erkläre dich genauer!“ „Ich kann mich leider nicht erklären, Sir,“ antwortete freundlicherweise und an meiner Stelle die Alice auf bzw. aus dem Bild, „denn ich bin gar nicht ich, verstehen Sie?“ Alice hatte recht. Denn erst durch eine vollständige Identifikation mit einem Bild, wie diesem hier zum Beispiel, würde sich auch mein eigentliches Ich bilden. Und die Einheit von all meinen Bildern, so sah ich es, sie ersetzte meine ansonsten fragmentarische Wahrnehmung des eigenen Körpers. Aber solch eine Aussage war dem Kunstkritiker offensichtlich zu verrückt. Er verließ genervt den Ort des Geschehens. Ich stand noch eine kleine Weile da, winkte ihm freundlich hinterher; immer kleiner wird ihm wahrscheinlich meine Hand mit dem Taschentuch erschienen sein. Und am Ende glaubte er sicherlich, ich sei ein äußerst seltsamer Vogel mit nur einem Flügel. Als der Kritiker dann hinter seinem begrenzten Horizont verschwand, flog ich tatsächlich heimwärts… mitten in ein Bild hinein.