Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn, seinem ängstlichen Sich-Niederlassen… Während er unendlich still und sicher immer mündiger und königlicher und gelassener zu ziehn geruht. Das sagt sich so leicht. Aber danach zu handeln…?
Archiv für den Monat: Februar 2016
Die Prinzhorn Prinzessin
a) Hans Prinzhorn: ein deutscher Psychiater und Kunsthistoriker. Nach ihm ist die Sammlung Prinzhorn benannt, eine Sammlung von Malereien psychisch Kranker.
b) Prinzessin: Die für das Deutsche ungewöhnliche Feminisierung von Prinz (gewöhnlich wäre Prinzin)
…was aber c) irgendwie nicht zu mir passen würde. Ich würde mich doch niemals Prinzin nennen. Da käme ich mir irgendwie billig vor.
Bach spielt Bach
Ich weiß, dass Reisen im 18. Jahrhundert mit großen Strapazen und Gefahren verbunden waren. Denn die Reisegeschwindigkeit mit den damaligen Postkutschen betrug im Durchschnitt nur 4,5 km in der Stunde. Im Schnitt wohl bemerkt. Und auf unbefestigten Straßen war man zudem stets der Witterung und nicht selten sogar Straßenräubern ausgesetzt. Johann Sebastian Bach, nur so zum Beispiel, unternahm im Laufe seines Lebens mindestens 60 Reisen, die ihn von Thüringen bis Norddeutschland, sowie nach Hessen und Böhmen führten. Als ein „eingebildeter“ Nachfahre des großen Komponisten nenne ich meine Programme und BLOGeinträge deshalb auch gerne „Bach spielt Bach“. Ich schiebe dazu immer ein Klavier vor mich her und ergötze mich schnell an den lodernden Erwartungen meiner Beobachter und Zuschauer, den Voyeuren auf den hinteren Plätzen oder zwischen den Buchsbaumhecken in der Nachbarschaft.
Gerne zitiere ich in meinen Programmen Belege, wie zum Beispiel Gasthofrechnungen und Quittungen, die Johann Sebastian Bach seinerzeit auf seinen Reisen gesammelt hat. Die Beobachter im Gebüsch zischeln enttäuscht: „Ungeil!“ Und: „Das bringt mich echt nicht weiter“. Nun…. mich auch nicht! Unterhaltungs-Programme sollten einen aber immer weiterbringen. Wie auf einer Reise. Obwohl… ich bin mir nicht so sicher. Meine Damen und Herren, man sagt das immer recht schnell daher, und wie ich meine, zudem äußerst leichtsinnig: Reisen bildet. Oder mit anderen Worten: Reisen machen schlau. Aber diese Annahme ist falsch. Das ist ganz falsch. Ich habe das regelrecht ausprobiert. Ich hatte mir, einfach mal nur so zum Beispiel, vor Jahren New York angeschaut. Sie wissen schon: New York, dieser magische Ort der Verzauberung. New York: eine Stadt, bekannt aus Comicverfilmungen, Hörfunksendungen und Fotografien, die Bekannte einem immer zeigen, wenn die schon mal in New York waren. Immer nur zum Shoppen, wie sie dann hinterher immer sagen. Immer nur zum Shoppen. Einkaufen kann ich ja in jeder Umgebung. Aber Shoppen? Shoppen: Das ist New York! „Ich fliege mit zwei leeren Koffern hin. Und komme mit zwei vollen Koffern heim.“ Das nenn ich New York. Und die weltberühmten Gebäude! „Die musst du gesehen haben. Unglaublich!“ Da kann man mal wieder sehen, wie schnell jeder von uns von Thüringen nach New York kommt. In 352 Wörtern. Ach, wissen Sie was: „New York ist ungemütlich und anstrengend. Aber die New Yorker sehnen sich von der Veranlagung her nicht nach Behaglichkeit und Komfort – sonst würden sie anderswo leben.“ In Wuppertal zum Beispiel, über das Heinrich Böll einmal schrieb: “Lange Zeit habe ich geglaubt, Wuppertal bestehe nur aus Bahnhöfen, aneinandergereiht, um die Lokführer nicht übermütig werden zu lassen, sie das Bremsen, Anfahren, Bremsen zu lehren.“ Okay… okay… Jeder hat so seine eigenen Vorstellungen vom Reisen. Für den einen ist der Gang in die Küche oder das Schlafzimmer schon ein wildes Abenteuer. Für einen anderen muss es eben New York sein, um sein Glück zu finden. Wegen mir. Sehen Sie, Christoph Kolumbus fand Amerika. Ich dagegen bin schon zufrieden, wenn ich spät abends eine Frikadelle im Kühlschrank entdecke. Die Geschmäcker sind nun einmal verschieden. Der eine nimmt ein Schiff und kommt mit vollen Koffern heim. Ich nehme lieber Senf. Und so, wie der Senf gerne im 17. Jahrhundert ungefragt zum Essen serviert wurde, so verhält es sich auch heute noch mit Menschen, die ihre Meinung kundtun, obwohl diese gar keiner hören möchte. Man gibt „seinen Senf dazu“. Oder um mit Immanuel Kant hier enden zu wollen: „Meinen geliebten Senf rühre ich ja bekanntlich selbst an.“ Und mache daraus einen Artikel wie diesen hier.
(Foto: Bettina Osswald; www.photographie-osswald.de)
Dann pflück ich mir…
Es gab eine Zeit, da galten Tulpen in einigen reichen Kreisen als etwas ganz Besonderes. Das Aufblühen jeder Tulpe wurde mit Spannung erwartet ob auch die teuer erworbene Zwiebel die erhoffte Farbe und Form zeigte. Tulpenzwiebeln wurden ein begehrtes Handels-, Prestige- und Spekulationsobjekt. Tulpen waren weit wichtiger als Gold. Was soll ich sagen: Ich träume seit jeher von einer Zeit, in der meine Zeichnungen wichtiger für die nächstbesseren reichen Kreise sind, aparter als solche Albernheiten von – na, sagen wir mal – Damien Hirst. Oder Markus Lüpertz. Was denn? Träumen darf man doch wohl. Und wenn mir im Traum dann auch noch eine Tulpe erscheint, ja, dann aber…
… pflück ich mir Tulpen mit Künstlerhand.
Zwangsjackenschöne Existenz
Kunst ist bekanntlich der natürliche Feind der Normalität. Und das Schlimmste, was einer Familie passieren kann ist, das sie einen Künstler hervorbringt. Ozeanische Gefühle, das Ichgefühl, Lust-Ich und Real-Ich, die Erhaltung des Primitiven in der Psyche, Streben nach Glück und die Quellen des Leidens, keine Familie möchte das frühmorgens bei einem goldigen Toast diskutieren müssen. Wenn der Spross aber unbedingt die Zähmung des Feuers versucht, seine Eigentümlichkeiten des Gewissens zur Debatte stellt, dann ist es immer gut, wenn die Eltern einstimmig zum Schluss kommen: „Man muss ihn ja trotzdem lieb haben!“ Das entspannt die ganze Situation im Haus enorm. Die eine Partei kann dann wieder ihren Alltagstätigkeiten nachgehen und der Künstler versucht sich weiterhin an der Formel vom Kampf zwischen Eros und Todestrieb. Und pfeift sich dabei ein Liedchen:
„Dein ist mein ganzes Herz! Wo du nicht bist, kann ich nicht sein. So, wie die Blume welkt, wenn sie nicht küsst der Sonnenschein! Dein ist mein schönstes Lied, weil es allein aus der Liebe erblüht. Sag mir noch einmal, mein einzig Lieb, oh sag noch einmal mir: Ich hab dich lieb!“ Und mit dieser Liebe ist die Kunst gemeint, dieses rastlose Tasten und diese ewige qualvolle Unsicherheit.
Passions Of A Man
Achtung: Aufnahme!
Geboren wurde ich (?), als auch Antonius, vielleicht um 251, in Koma, Mittelägypten. Er, Antonius, ist der Sohn wohlhabender Bauern. Er verschenkt eines Tages seinen gesamten Besitz und steckt seine eigene Schwester in ein Kloster! Danach zieht er sich vollends von der Welt zurück. Zunächst versteckt er sich in einer Hütte in der Nähe seines Dorfes, dann aber verkriecht er sich in einer alten Grabkammer. Am Schluss seiner Einsiedelei lebt er in der Wüste am Berg Kolzin in Sichtweite des Golf von Suez. Während seines Wüstenaufenthaltes wurde Antonius ständig von quälenden Visionen heimgesucht. Es erscheinen ihm die unterschiedlichsten Personen, um ihn von seinem asketischen Leben abzubringen. Warum zum Henker tut jemand so etwas? Ist der Heilige in Wahrheit nur ein großer Schauspieler?
Und seine angebliche Askese nichts weiter als eine medienwirksame Performance? Antonius als ein egozentrischer Hauptdarsteller seiner selbst… ein Spiegel in einem Spiegel in einem Spiegel… Ein Tänzer, gefangen in einer Glaskugel… oder ist er nur ein gottverlassener Depressiver? Ein Einsamkeitsfanatiker, der seine Selbstausgrenzung aus der Welt nicht als Verbannung darstellt, sondern sie im Gegenteil zu seiner grenzenlosen Erhöhung stilisiert? Antonius, der geborene Künstler, der zu sich selber sagt (ganz leise): „Nicht, was ich habe, sondern was ich schaffe, ist mein Reich.“
Danke! Und: Schnitt!