Im Leben jedes wirklich Kreativen gibt es den Augenblick, an dem man sich zu seinen „Lehrern“ bekennen muss. Oder sollte. Meine Lehrer waren (und sie sind es bis heute) Glenn Gould (amerik.-canad. Pianist), David Hockney (engl. Maler) und eben Friedrich Nietzsche (dt. Philosoph, Sprachwanderer, Querdenker und Humorist). Genau. Ich schrieb „Humorist.“ Denn so habe ich Friedrich Nietzsche stets gelesen: als einen Wortjongleur, als einen Satzakrobat, der wie es kein anderer verstand sein Publikum zu FESSELN und dabei gleichzeitig zu amüsieren.
Über Schopenhauer, über Kant, über Hegel, kann ich, die Stirn in gletschertiefe Falten gelegt, nächtelang nachdenken. Über Heidegger sogar monatelang grau-trübe vor mich hin meditieren. Aber amüsieren kann ich mich nur mit Friedrich Nietzsche. Singen am Rande des Abgrunds. So habe ich seine Schriften stets verstanden. Im gewöhnlichen Leben höflich und milde, von einem wohlwollenden Gleichmut angetrieben, in der Kunst (bei ihm : Philosophie, bei mir: Malerei und Grafik) unnachgiebig und liebenswürdig-großspurig. Das hat mir gefallen! Das verstehe ich nur allzu gut.
In einer Zeit, in der sich viele meiner Kollegen der Bildenden Zunft heute als brunnentiefe Schweiger darstellen, um vordergründig-tiefgründig und geheimnisvoll zu erscheinen, halte ich es lieber mit Friedrich Nietzsche und trage Abenteuer aus, indem ich etwas von mir preisgebe. Der Künstler nimmt nichts weg. Ein wahrer Künstler gibt dazu. Und geben muss er. Anrührend, unterhaltsam, hell- wie weitsichtig, verwirrt, lustig, bodenlos-hinterhältig, aber niemals uncool-schweigsam. Und an diesem Punkt bin ich wieder bei Friedrich Nietzsche, meinem Herzensfritz. Ihm habe ich meine Zeichnungen, Collagen, Grafiken gewidmet.
Und ihn bewusst so dargestellt, wie man ihn (vielleicht) nicht sehen möchte. Zu Lebzeiten vermied es Nietzsche gerne direkt in die Kamera zu blicken. Auf vielen meiner Bilder tut er mir den Gefallen und fixiert seine Betrachter. Doch tut er es nicht bloß als der Berserker, der Philosoph mit dem Hammer, nicht ausschließlich als der Moralzertrümmerer, sondern er schaut auch drein als liebenswürdiger Geist. Ein Geist der wach ist, zugriffs- wie angriffsLUSTIG, fein abgestimmt was seine (=meine) Kompositionen anbelangt.
Ich spare übrigens bewusst nicht die Interpretationen aus, die braune Machtmenschen mit dem Philosophen angestellt haben. Doch sind auch diese nicht ambos-schwer. Sie sind vielmehr nachdenklich-farbig hinkoloriert. Hätten die monochrom Braunen doch bloß verstanden: Gut wird man trotz seiner Lehrer. Aber sie wollten nicht hinhören. Dynamit. Hanswurst. Genie. Nur drei Namen, die Nietzsche für sich selber in Anspruch nahm. Und diese kleine Liste zeigt schon überdeutlich, wie augenzwingernd und tiefgrundernst zugleich er die Werte völlig umkrempeln wollte. Ich rücke nichts gerade. Ich lasse lieber alles schief. Auch das Bild, das ich mir von Nietzsche zeichne: ein liebenswürdiges. Ein Bild von einem Querdenker und –treiber. Manch einer mag ihn anders VERSTANDEN haben. Oder anders SEHEN wollen. Nur: mir gefällt er so am besten: amüsant-apokalyptischh!