Kein Zwang zur Rechtfertigung

Intellektuell will und muss ich nichts beweisen. Das geht auch gar nicht mit meinem fast irren Schreibstil. Also mit meiner mehrsprachigen Kunst. Mit Mehrsprachigkeit meine ich hier die unterschiedlichsten Blickwinkel, die ich auf meine Realität imstande bin zu werfen. Ich könnte zeichnen, ich könnte malen, was so alles aus mir heraus strömt.

All das könnte dann leicht dazu führen, dass ich mal eine poetische und beschreibende Sprache für meine Kunst benutze, oder doch lieber eine differenzierte Hochsprache. Oder eine Mischform dieser beiden Gegenpole. Ich könnte auch einen Dialekt verwenden wie z.B. „Em Cäsar saa Kränzie“. Oder noch besser, ich benutze einen Dialekt, der ständig von mir neu erfunden wird, um nicht von Bürokraten verstanden zu werden. Ich benutze halt für meine Kunst andere Worte, eine andere Sprache, rede von Orten „wohin das Wort unserer Welt nicht gelangt.“ (Pasolini)

Aber das beweise ich nicht mir oder sonst noch jemandem. Ich tue das einfach, weil ich es genau so mag!

 

Die Künste: Wiederholung und Differenz.

Der Philosoph Gilles Deleuze nennt Kunst einen Empfindungsblock aus Perzepten (subjektiv erfahrene, erlebte Resultate eines Wahrnehmungs­prozesses) als auch aus Affekten. Die Künste, an denen er das exemplifiziert, sind u.a. Literatur, Malerei, Musik, Theater, Oper oder auch Architektur.

Deleuze verarbeitet Mathematik, Pop, Psychoanalyse und Film. Und das gefällt mir natürlich außerordentlich. Ich muss an Friedrich Nietzsche denken und seiner Idee von der ewigen Wiederkunft des Gleichen; ein zentraler Gedanke in Nietzsches Philosophie, dem zufolge sich alle Ereignisse unendlich oft wiederholen. „Was?!“

„Wie bitte?“ … „Dein ganzes Leben die selbe Leier – Los, räum Dein Zimmer auf! Stell Dich gefälligst gerade hin! Schlürf nicht so beim Gehen! Nimm es wie ein Mann! Sei nett zu Deiner Schwester! Bier auf Wein, lass es sein und äh… ach ja, fahre nie, nie, nie auf Eisenbahnschienen!“

Also, wenn ich schon etwas immer und immer wieder erleben muss, so Nietzsche, dann aber, dass ich mich stets daran erfreuen kann. Denn… „Was wäre, wenn wir hier festsitzen und jeder Tag genau der selbe wäre, und egal was wir auch tun, sich nichts ändern würde?“ (Nietzsche und „Täglich grüßt das Murmeltier / Groundhog Day“)

Mit seinen Neurosen, schreibt Gilles Deleuze überzeugend, mit seinen Affektionen oder Perzeptionen und Meinungen macht man keine Kunst. Ein Künstler ist für Deleuze nämlich kein Kranker, sondern ein Arzt.

Vielleicht bin ich ja beides in einem, sage ich still zu mir selbst. Und betrachte mich dabei in einem Spiegel, der in einem Spiegel, der in einem Spiegel…

„Eines Tages wird das Jahrhundert vielleicht deleuzianisch sein.“ [Michel Foucault]

An das Ideal

Wen liebt ich so wie dich, / geliebter Schatten! / Ich zog dich an mich, in mich – und seitdem / ward ich beinah zum Schatten, / du zum Leibe. / Nur daß mein Auge unbelehrbar ist, / gewöhnt, die Dinge außer sich zu sehen: / Ihm bleibst du stets das ewge Außer-mir. / Ach, dieses Auge bringt mich außer mich!

Realität findet im Kopf statt

Ludwig Wittgenstein bemängelte zeitlebend einen gedankenlosen Sprachgebrauch. Wir seien, so der Philosoph, von bestimmten natürlichen Bildern gefangen. Alles würde zu einer Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel der Sprache führen. Solche Sprachverwirrungen würden auf etwas Krankhaftes in unserer Lebensführung hindeuten.

Künstlerisches Schaffen, würde ich behaupten, trägt immer die Merkmale einer Krankheit. O ja. Ich spreche aus, was man nicht sieht: ich habe ein Kakteenherz, spiele mit dem Bogen auf jedem seiner Stachel Musik; meine Zuhörerin, Frau Scholz vom Schiefen Turm von Pisa, ist (m)eine Seerosendompteuse. Sie weiß, dass in guter Kunst gute Gedanken verborgen sind: gegenstandslose Bilder regen zum Sprechen an, fordern zum Schreiben auf. Und der Schreibweg führt mich hinauf zum Bild, dorthin, wo Störche Fische und Fische das Schabraken-Tapier durchs Dorf jagen. Der Dorfteich weist ein weiches Muster auf und kann mit Autoscootern umrundet werden. Gegen den Uhrzeigersinn, immer nur gegen diesen Sinn. Zwischen Zeichnung und Schrift, zwischen Dichtung und Malerei hindurch zu meiner wahren Realität…

Von seinen Engeln träumen

Wer will behaupten, dass Engel nicht weinen können? (Paul Claudel)

Wie in der Zoologie bedarf auch ein Engel, wenn man denn daran glauben möchte, einem morphologisch klar abgegrenzten, meist fast oder völlig bewegungslosen Übergangsstadium zwischen einer sogenannten Engel-Larve (Puppe) und dem geschlechtsneutralen (eigentlichen) Engel. Das Puppenstadium geht nach einer Häutung aus dem letzten Larvenstadium hervor und häutet sich selbst zur Imago, der sogenannten Adultform. Jeder Engel wird danach als das „Bild seiner Art“ gedacht.

„Hoch über allem Grau / Liegt ihm die Welt zu Füßen /… / Wir aber sagen: begrabt ihn / Es soll ihn die Erde verdauen / Wir werden der Erde ein Denkmal bauen / Wir wollen auch hinauf ins Blau…“ (Wolf Wondratschek)

Vögel in endlosen Flug

Alle Verheißungen waren bis dato Worte, Vögel, in endlosen Flug – nichts führt zum Guten, heißt es, was nicht natürlich ist. Aber ist dem so? Der Idiot ist stets der erste der erwacht, der geboren wird; so träumte ich lange und erwache nun ohne eine innere Notwendigkeit, eher aus purer Vorfreude auf den einen Rosenkranz von unzureichenden Bestimmungen, den ich heruntermurmeln werde, all das ein Verwirrspiel, das ich ich deklariere; ich, eine (Schein)Heilige … O,die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort… das da wäre… „Gackelfreude“ – närrische, thörichte Gackelfreude: ir (der frommen) fröd ist inwendig im herzen und geistlich… Mein ästhetisches Schreiben, mein fast irres Sprechen, ein Widerstand gegen die stets mürrischen Hüter einer unumstößlichen, anständigen Denkungsart.

1st. Nervous Breakdown

Die junge Theresa von Avila erfährt ihre erste Ekstase…

„Unmittelbar neben mir sah ich einen lüsternen Engel in vollkommener körperlicher Gestalt. Der Engel war eher klein als groß, sehr schön, und sein Antlitz leuchtete in solchem Glanz, er sprach zu mir, er sang zu mir: Du wurdest immer mit tausend Spielsachen verwöhnt, aber trotzdem hast du die ganze Nacht geweint / You were always spoiled with a thousand toys but still you cried all night. In der Hand des Engels sah ich einen langen goldenen Pfeil mit Feuer an der Spitze. Es schien mir, als stieße er ihn mehrmals in mein Herz, ich fühlte, wie das Eisen mein Innerstes durchdrang… süßeste Liebkosung: Hier kommt es, hier kommt es, hier kommt es, hier kommt es /  Here it comes, here it comes, here it comes, here it comes /  Hier kommt dein erster Höhepunkt / Here comes yours first climax…