Meine Kunst möchte eine Welt in sich aufnehmen. Und zwar taumelnd. Lächelnd ohne Macht, über ein Ereignis, das im Innersten meiner Sprache nistet, gleichzeitig sich aber einem klärenden Wort verweigert. Ich schau es nur an; erregt kann ich seinem Treiben zu sehen, beiwohnen, beischlafen am helllichten Tag, in schwitziger Nacht…
Archiv für den Monat: Mai 2019
Madame
„Ich küsse Ihre Hand, Madame, und träum‘ es war Ihr Mund. Ich bin ja so galant, Madame, und das hat seinen Grund. Hab‘ ich erst Ihr Vertrau’n, Madame, und Ihre Sympathie, wenn Sie erst auf mich bau’n, Madame, ja dann, Sie werden schau’n, Madame, küss‘ ich statt Ihrer Hand, Madame, nur ihren roten Mund…( hast nur den roten Mund noch aufgespart, für mich, so tief im Haar verwahrt… ) Madame, ich lieb‘ Sie seit vielen Wochen. Wir haben manchmal auch davon gesprochen. Was nützt das alles? Mein Pech dabei ist, Dass, ach, Ihr Herzchen leider nicht mehr frei ist. Ihr Mund gebietet mir: „Sei still!“, Doch träumen kann ich, was ich will. Ich küsse Ihre Hand, Madame, und träum’…“ Und das heißt nun was? „Kunst ist niemals keusch, man müsste sie von allen unschuldigen Ignoranten fernhalten. Leute, die nicht genügend auf sie vorbereitet sind, dürfte man niemals an sie heranlassen. Ja, Kunst ist gefährlich. Wenn sie keusch ist, ist sie keine Kunst.“ (Comedian Harmonists, François Villon, Pablo Picasso & ich)
Fahndungserfolg
Die Sonne bringt es an den Tag. Oder die Zeit.
Das kleine Gemälde (oben links im Bild) zeigt die Mutter von James Abbott McNeill Whistler. Mein Freund Ron und ich, wir studierten zusammen Illustration, mochten dieses berühmte Werk des amerikanischen Malers immer sehr gerne. Ich ließ Ron damals mehr als Jux, als ich ihn 1988 portraitierte, deshalb wohl diese besondere Pose einnehmen. An wen ich das Bild später verkaufte, weiß ich heute nicht mehr. Und ich hatte das Bild meines Freundes auch längst vergessen, bis zu dem Moment, als es via Facebook jetzt überraschenderweise mit all den Erinnerungen wieder auftauchte.
Verkündigung
Wenn Gott liest, so stets es irgendwo geschrieben, dann geschieht, was er liest: Ein Engel links im Bild und Maria rechts. Sie blättert mit der rechten Hand in einer Bibel. Der Engel hält eine Lilie in seiner linken Hand. Vor Maria ist ein kleiner Sarkophag zu sehen. Der Hintergrund besteht aus einer bergigen Landschaft mit Bäumen und einem Hafen. Und voilà: genauso ist es dann. Ein Leben, es gleicht seinem Bilderbuch. (Oder wie Jean Luc Godard es sagen würde: Ein BildBuch. Horror und Suspense, Leonardo da Vinci und ein Sonnenuntergang in Tunis; im Leben fließt alles zu einem gewaltigen Strom zusammen.) Soll ich dem lesenden Gott Glauben schenken? „Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde“, flüstert mir Nietzsche ins Ohr. Stimmt. Ekstase ist alles. Ich erhebe zufrieden mein Glas auf den Einfluss des Tanzes auf meine Kunst.
Predigt über die Hölle
Der, die, das / Wer, wie, was / Wieso weshalb warum? / Wer nicht fragt bleibt dumm. / 1000 Tolle Sachen die gibt es überall zu sehen / Manchmal muss man fragen um sie zu verstehen
O, mein heiliger Sebastian (Ein Bild im Bild im Bild)
Welches Tier soll ich anbeten? An welchem Heiligenbilde mich vergreifen? Welche Herzen soll ich zerbrechen? An welche Lüge soll ich mich halten? – In welchem Blute waten? Und darf ein Glaube überhaupt Bilder haben? Was weiß denn ich? Nach Jahrzehnten voller Gewalt ist doch (nur so zum Beispiel) ein dauerhafter Frieden im Nahen Osten nicht in Sicht. Innerhalb von acht Jahren haben vier grosse Konflikte in der Region den Traum eines dauerhaften Friedens immer wieder zerstört: Eine Ruinenlandschaft bildet deshalb den Hintergrund für meine Szene über den vermeintlich heiligen Sebastian.
Einer Überlieferung zufolge [wahrscheinlich ˈfɛɪ̯k(ˈ)njuːs] hatte sich dieser Sebastian als Hauptmann seiner Garnison öffentlich zu seinem Glauben bekannt, also einer Handlungsaufforderung, die befolgt werden muss, aber nicht befolgt werden darf, um befolgt zu werden. Gleichzeitig hatte er Andersdenkenden geholfen, woraufhin ihn ein religiöses Oberhaupt zum Tode verurteilte und erschießen ließ. In der Überzeugung, er sei tot, ließ man ihn danach einfach auf der Straße liegen. Sebastian war jedoch nicht tot zu kriegen, sondern wurde vielmehr von einer Frau, die ihn eigentlich für sein Begräbnis vorbereiten wollte, gesund gepflegt. Nach seiner Genesung kehrte er zu seinem Ankläger zurück und bekannte sich erneut zu seinem „Perpétuum-móbile-Glauben“… einmal in Gang gesetzt – ohne weitere Energiezufuhr und ohne einen letztlich verständlich existierenden Grund – würde er ewig in Bewegung bleiben… wie z.B. ein Rad, das sich dreht, indem ihm Antriebsenergie aus der Wärme des Zimmers zugeführt wird. Seine Reibung erzeugt wiederum Wärme und so weiter und so fort… Tja, unsere Welt ist voller Widersprüche. Manche sind sogar unauflösbar [&hoffentlich ˈfɛɪ̯k(ˈ)njuːs].
(Im Spiel vereint: Arthur Rimbaud, Anja Niedringhaus, Felice Ficherelli & ich.)
Verwittert vom Träumen
Das war´s wohl. Im Dunkeln saß verlassen ein Kind / Und weinte hinaus in Nacht und Wind / Und streckte empor die zitternde Hand / Das blaue Auge gen Himmel gewandt / Und der Engel des Todes umfasste mild / Der trostlosen Unschuld trauerndes Bild – Ich habe den Tod verleugnet / Ich war zornig / Wollte verhandeln / Die Depression drückte mir aufs Herz und dann, kam leise, wie über Nacht, die Akzeptanz. Wirklich? Die Schmerzen sind vergangen, der Kampf ist, so scheint es, vorbei und als Trauernder möchte ich mich wieder mehr der Außenwelt zuwenden…
Zurück liegen so viele Träume von Leben und Tod. Ich konnte über beides entscheiden. Wenn ich meinen kindlichen Stachel benutzte, konnte ich Leben nehmen. Oder aber Leben geben, wenn ich davon absah. Ich träumte von meiner Angst vor dem Leid im Leben, wie auch von meiner Angst vor dem Tod als Erlösung… Niemand war mehr da, der mich tröstete, der mir die Angst weg strich mit einer milden Geste. Der mich beruhigte mit einem Lächeln. Dort wo einst ein Herz, blickte ich in einen kalten Spiegel.
Zeigte er mir je die Wirklichkeit, frage ich mich heute mehr denn je.
(Gedichtfragment von Friedrich Hebbel)
Das Obszöne meiner Kunst
Wie der Nietzsche´sche Esel sage ich und ich male, zeichne, collagiere es auch, im Banne meiner Liebe, meiner Kunst, zu allem ja. Ja Ja Ja! Verdammt nochmal JA! Ich verrenne mich, ich weigere mich zu lernen, wiederhole immer dieselben Verhaltensmuster; ich lasse mich nicht belehren – und kann es auch selbst nicht; mein Diskurs ist fortwährend unbedacht… ich bleibe bei einem… geläufig gemachten Wahn…
… der unmögliche Augenblick, in dem das Obszöne wirklich mit der Bejahung, dem amen, der Grenze der Sprache zusammenfallen kann. Ich weiß, ich bin ein Narr. Ein Narr, den Eure so ungeheure poesielose, aus allen Angeln und Achsen gehobene, und von allen guten Geistern verlassene Theorie zur Betrachtung der Malerei im Informationszeitalter, schlicht und einfach nur noch ankotzt. Amen.
(Roland Barthes & ich)