Und tanze!

… die Verfolgung Deines Bildes und die Pfeile, mit denen Du es durchlöcherst, ohne es zu berühren, mit denen Du es verletzt und es aufblühen läßt, – so wird das Ganze zu einem Fest. (aus Jean Genet: „Der Seiltänzer“)

Kunst ist tausendmal schöner

Große Bühnenshows mit vielen Darstellern auf der Bühne sind in der Corona-Krise nicht erlaubt. Aber man kann ja Künstler, die nun dringend Geld zum Überleben brauchen, zur Belustigung der Massen in Castingshows und Kunstbattles aufeinander hetzen. Titel der Sendung: „Wer ist der Beste im ganzen Land?“  Heute mit Adam Elsheimer und dem Zauberer von Roos. Unsere Kandidaten malen vor laufender Kamera miteinander und dann gegeneinander…

Schweißgebadet schrecke ich aus meinem Alptraum hoch. Und ich lege beiden Künstlern Bilder auf ihre Lider, Bilder, die sie malten, um zu leben. Vielleicht tritt in ihre Augen, die noch blau sind, eine zweite, fremdere Bläue, und ich, der zart „du“ zu beiden sagt, träumt mit ihnen: Wir.*

(*frei nach Paul Celan)

Into Darkness

Die Pornographie, so scheint es, ist salonfähig geworden. Erstmals äußerte sich dieser Wille zur Lust in den Schriften des Marquis de Sade. Seitdem ist die Pornographie in viele Bereiche des Alltags vorgedrungen und zu einem prägenden Element westlicher Kultur geworden. Die Philosophin Svenja Flaßpöhler zeichnet in ihrem Buch „Der Wille zur Lust“ diese Entwicklung nach und erläutert auch, warum insbesondere der Film geeignet ist, unser Bedürfnis nach selbstgenügsamer Erregung zu stillen. Die bewegten Bilder zeigen uns etwas vermeintlich »Reales« und erregen uns fast wie auf Knopfdruck…

„Was ich gleich tun werde, macht keinen Sinn, es ist nicht logisch. Es ist einfach ein Bauchgefühl.“

(Zitat aus: Star Trek – Into Darkness. Hätte aber auch der Künstler Franz von Stuck sagen können, als er seine „Salome“ malte.)

Die Sünde

Das verlockend erotische Weib und die Schlange fixieren respektlos ihren Betrachter. Sie ertappen mich bei der Betrachtung. Ich kann der Sünde – und ich will ihr nicht entrinnen: Als wärens Wege, die zur Heimat führen, / Reißt es nach vorwärts mich mit allen Sinnen / Ins Ungewisse… meiner Kunst. Steife Liebespaare, Heroinen und Heroen, durch duftige Kastanienblüten brechen Lichter…  Dies alles, ich nenne es gerne die Unschuld des Künstlers in schuldigen Zeiten.

Des Alltags fette Ausbeute

Anormale, Irre und Freaks sind die historischen Zerrfiguren der Normalität. Da will ich mal keine Ausnahme machen, setze mich also in meinem Atelier nieder und zeichne wie irre vor mich hin und her…

Wenn ich dann so zeichne, wie all die letzten Tage schon, summe ich gerne ein paar Liedchen. Am liebsten: „I’m Gonna Sit Right Down and Write Myself a Letter“. Und mein Freund Dean Martin singt dann stets schön schmalzig für mich weiter: „And make believe it came from you / I’m gonna write words, oh, so sweet / They’re gonna knock me off my feet / Kisses on the bottom…“  Er singt es und ich zeichne es für ihn.

Zeichnen ist für mich von jeher wie das Schreiben von Liebesbriefen. Ab Seite 10 und einer guten Flasche Rotwein, nähert sich das Schriftbild meines Liebesbriefes dann dem, was man gemeinhin als „Freie Grafik“ bezeichnen würde.

Angebliche Wahnsinnige wie Friedrich Hölderlin oder sich bekennende Wahnsinnige wie Ernst Stavro Blofeld, die, wie unser Blofeld, eine Welt schrecklicher Wunder­waffen erfinden, oder Personen, die mit Gott schlafen, die Heerscharen von Spionen und Überwachungsmaschinen phantasieren, mit Kaisern und Königen korrespondieren, Geschlechtsumwand­lungen am eigenen Körper beschreiben, gelehrte Trak­tate verfassen – an all diese so herrlich Wahnsinnige adressiere ich tagtäglich meine Liebesbriefe. Oder ich fordere sie alle keck zum Tanz auf! Denn wenn das Zeichnen dem Schreiben gleicht, dann gleicht das Malen natürlich dem Tanz. Heute erst forderte ich gleich drei Bilder auf mit mir herum zu wirbeln. Ein Herr Paris hätte nicht unsicherer seien können, wenn er hätte entscheiden sollen, welches das schönste Bild ist, was da so offen vor ihm liegt. Ist es dieses…

… oder ist es jenes Bild?

Es ist schier verrückt, aber so sieht mein Alltag einfach aus: schreiben…

… und tanzen.

***

P.S.: Einige der obigen Passagen, ich gestehe, habe ich mir für diesen Brief stibitzt… aus: „Cicero – online, Magazin für politische Kultur“. Wichtiger als das, ist aber eh nur das Schreiben, wie das Tanzen. Und mein Weg dahin… dank meiner Kunst.

Aus dem Leben ein Werk machen

Wie ein Werk entsteht? Es schleicht sich an mich heran, es kommt aus dem Dickicht des Unterbewusstsein. Es hockt in den Zweigen des Verstandes und schaut auf mich herunter. Mein Werk zählt zu den Lauerjägern, also Wort- und Bildwesen, die ruhig und gut getarnt an einer x-beliebigen Stelle in meinem Leben verharren und auf Beutetiere lauern… auf Beutetiere wie mich.